E-Mobility

Extras per Software – Porsche Austria Chief Digital Officer Mag. Wilfried Weitgasser im Interview

Bis 2025 will der Volkswagen-­Konzern mehr als 50 neue Elektroautos bringen und damit zum Weltmarktführer der E-Mobilität avancieren. Wir gingen im Gespräch mit Porsche-Austria-Geschäftsführer und Chief Digital Officer Mag. Wilfried Weitgasser noch zwei Schritte weiter auf der Suche nach der Zukunft des Automobils.

Interview: Franz J. Sauer

wiener: Herr Mag. Weitgasser, sind wir mit Audi e-tron, Porsche Taycan und der VW I.D.-Baureihe endgültig in der Epoche der Elektroautos angekommen?
weitgasser: Seit die Bundesregierung die E-Fahrzeuge so massiv fördert, sind sie komplett präsent bei den Kunden, den Fuhrparks, den Flottenchefs und den Dienstwagennehmern. E-Fahrzeuge sind bei uns vorsteuerabzugsberechtigt, die NoVa beträgt null und man zahlt keinen Sachbezug. Unsere Aufgabe ist es nun, gewisse Vorbehalte der Menschen gegen die E-Mobilität, die längst nicht mehr zutreffen, durch nachhaltige Kommunikation aufzulösen. Thema Reichweite z. B.: Die wenigsten fahren am Tag mehr als 80 Kilometer, das geht sich also locker aus. Dann der zeitliche Aspekt: Meistens hat man ausreichend Zeit dazu, das Auto über mehrere Stunden aufzuladen. Oder die Vorbehalte aufgrund der mangelnden Infrastruktur: Es gibt europaweit längst mehr E-Lade­stationen als Tankstellen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir 2019 und 2020 einen Boom bei den Elektroautos erleben werden. Hervorgerufen nicht nur durch die neuen E-Modelle aus dem VW-Konzern, sondern auch durch andere Marken. Österreich ist jedenfalls ein E-Markt, auch weil der Strommix passt. Österreich produziert jetzt schon 72 Prozent aus erneuerbarer Energie. Und 100 sind klarerweise das Ziel.

Mag. Wilfried Weitgasser: Geschäftsfüher Porsche Austria und Porsche Kons­truktionen sowie Chief Digital Officer. Foto: Porsche

Hat der gute alte Verbrennungsmotor also bereits ausgedient?
Na ja, man muss sich schon die Fakten anschauen. In Österreich werden jährlich rund 350.000 Neuwagen verkauft. Würden in naher Zukunft 25 % davon E-Autos sein, wäre das schon eine Sensation. Bis also bei einem Gesamtfahrzeugbestand von 5 Millionen Autos in Österreich ein Gleichstand erzeugt wird, dauert das noch Jahrzehnte. Aber ich bin überzeugt davon, dass die Zukunft einen Mix der Antriebsformen bedeutet.

Sind E-Autos smarter und cooler als normale Autos?
In gewisser Weise sehe ich eine Paralelle zu Smartphones, wo ja neue Modelle immer einen gewissen Hype auslösen. Das können Elektroautos auch. Der Audi e-tron ist zum Beispiel schon sehr cool. Aber der Audi Q8 mit Verbrennungsmotor ist auch ein cooles Auto. Man darf da nicht allzu sehr schwarz-weiß sehen.

„Function on Demand bedeutet etwa, das Laserlicht nur für die dunklen Monate zuzubuchen. Oder den Allradantrieb nur für einen Monat.“

Um Ihr Beispiel aufzugreifen: Sind E-Autos mit all ihrer Connectivity und Digitalität mehr Smartphones auf vier Rädern?
Ich glaube, die Zukunft des Autos nach dem großen Paradigmenwechsel der neuen Antriebe wird nun relativ schnell und in drei Wellen auf uns zukommen. Das erste ist nun die Welle der E-Mobilität, auf der beginnen wir gerade zu surfen, das nimmt jetzt Fahrt auf. Die zweite Welle wird „Connectivity“zum Thema machen. Software wird künftig eine viel wichtigere Rolle im Auto spielen als nur puncto Medien, Infotainment oder Energiemangement.

Ausstattung des Autos der Zukunft – Studie VW I.D. Vizzion. Foto: (c) Porsche

Was bedeutet das konkret? Tuning per App? In-Car-Sales?
Natürlich. Es wird sogar möglich sein, gewisse Features nachträglich zur normalen Ausstattung zuzubuchen. Etwa Laserlicht und Bi-Xenon nur für die dunkle Jahreszeit. Oder den Allradantrieb nur in dem Monat, wenn ich Skifahren gehe. Nach einem Abo-Bezahlsystem. Bei Audi heißt das „Function on Demand“, das kommt spätestens mit der zweiten E-Autogeneration.

Von welchem Zeitraum sprechen wir da?
Da reden wir schon über 2020, 2023 vielleicht. Ursprünglich wollten einzelne Marken damit schon 2018 am Start sein, die Thematik erwies sich dann aber doch als komplexer. Gar nicht so in technologischer, mehr in rechtlicher und versicherungstech­nischer Hinsicht. Was, wenn ein Schaden an meinem Laserlicht entsteht, das ich gar nicht freigeschaltet habe? Muss die Versicherung dann trotzdem zahlen? Und überhaupt: Nach welcher Grundlage wird meine Versicherung berechnet? Aber wenn die Connectivity ready ist, was spätestens mit dem 5G-Netz der Fall sein wird, haben wir auch die anderen offenen Fragen geklärt, mit Sicherheit.

Wenn ich mir dann also das Auto mit einem Freund oder meiner Frau teile, dann kann sie im selben Wagen ein ganz anderes Ausstattungspaket nutzen als ich?
Genau das ist das Konzept. Jeder Fahrer hat eine eigene ID und um die herum konfiguriert sich das Auto selbst. Das macht natürlich auch das Thema Wiederverkauf spannend. Wenn sie einen Wagen kaufen, der von seinem Erstbesitzer nur basic ausgestattet war, können sie ihn sich im Nachhinein aufmotzen und voll ausstatten.

Ausstattung des Autos der Zukunft – Studie VW I.D. Vizzion. Foto: (c) Porsche

Und welches ist die dritte Welle?
Zuerst Elektro, dann Software und dann, ganz klar, autonomes Fahren. Auch hier sind die technischen Probleme weitgehend gelöst. Jetzt wurde einmal autonomes Fahren der Stufe drei (Anm.: Das Fahrzeug führt selbstständig Anfahren, Bremsen und Spurwechsel nebst Blinken aus, der Fahrer muss das System nicht dauernd überwachen, aber innerhalb einer Vorwarnzeit in der Lage sein, die Führung zu übernehmen. Level-3-Autonomie ist auf Autobahnen schon jetzt technisch machbar) freigegeben, der Audi A8 kann das ja auch schon. Hier muss nurmehr die Infrastruktur, das Kommunikationsnetz, mit dem das Fahrzeug kommuniziert, ausgebaut werden. Es wird Innenstädte geben, in die Autos nur noch autonom reinfahren dürfen, was ja gar keine Riesensache wäre, man muss sich ja nur den Flugverkehr ansehen. Ich glaube, dass wir dem Thema Autonomie flächendeckend eher im Haushalt begegnen werden als beim Auto. Der Traum, stromautark zu sein, seinen eigenen Strom zu produzieren, ist schon jetzt bei vielen Österreichern da.

Mag. Wilfried Weitgasser, 47,

ist Geschäftsfüher Porsche Austria und Porsche Kons­truktionen sowie Chief Digital Officer. Der gebürtige Schladminger ist somit einer der infomiertesten Inputgeber des heimischen Automobilgeschehens, wenn es um die Reise in die Zukunft geht.