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Brexit: Eins, zwei oder drei – Dirk Heinrichs Kolumne im WIENER #W432

Kaum geschrieben, schon macht der EUGH eine interessante neue „Tür auf“. „Der – man kann‘s schon nicht mehr hören – Brexit wird …“ – Ja, was denn nun auslösen? Dirk Heinrich klärt uns über die möglichen Folgen des Brexit auf.

Vorweg, viel, richtig viel! Und, nach dem Urteil des EUGH haben unsere britischen Brexit-Gegner-Freunde ein erhebliches „can“ aber „not must-do“ in die Hand bekommen. UK kann den Brexit alleine rückgängig machen, also ohne eine nötige Zustimmung der EU-27 Mitglieder. Sehen Sie dazu unter „Szenario 2“. Alle 3 Szenarien bleiben möglich, aber eben um die Möglichkeit des EUGH-Urteils erweitert. Ich wage diesen Ausblick, da die Wahrscheinlichkeit, dass May bleibt und dennoch ein zweites Referendum durchgeführt wird, doch eher unwahrscheinlich ist. Den bekannten Spruch, „man hat schon Pferde kotzen gesehen“ – ergo May bliebe und lässt das Referendum durchführen – würde ich mit dem noch bekannteren Konrad Adenauer Spruch entgegnen, „was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“.

Vor allem, dass alles, wirklich alles im Zusammenspiel mit dem Vereinigten Königreich mühsamer, teurer, aufwändiger, unangenehmer, zeitraubender und noch vieles mehr wird. Und ebenso, dass niemand gegenwärtig eine Ahnung hat, was das alles im Detail bedeuten wird. Kurzum, hier steht jeder „Nutzen“ für Unternehmen und Bürger außen vor. Um Ihnen, geschätze Leser, den Brexit greifbarer zu machen, lassen Sie uns doch gemeinsam mal einen Blick auf ein paar Szenarien werfen, die uns da blühen.

Szenario 1: „Brexit ohne Abkommen“, weil es das britische Parlament ablehnt

  • Altbekannte Bilder der „endlosen Staus“ auf allen Verbindungen von und nach Großbritannien werden wach und Zollkontrollen – lt. WTO müssen alle der täglichen 11.500 LKWs kontrolliert werden – feiern fröhliche Urständ. Alle Lieferketten der Industrie wären auf einen Schlag nicht mehr planbar.
  • Großbritannien könnte in Versuchung kommen, die „Abschlusszahlungen“ in der Höhe von ca. 40 Milliarden Euro nicht zu zahlen – warum auch, ohne Vertrag?! Da stellt sich dann die berechtigte Frage ,wo wir=EU das einklagen könnten? By the way gefragt, und wer deckt die Differenz dann ab plus jene aus den fehlenden Jahreszahlungen, denn Großbritannien war Nettozahler.
  • Die Kosten für die Wirtschaft hinsichtlich der Planung und Vorbereitung der verschiedenen Szenarien sind gewaltig. Denken wir hier nur mal an Mitarbeiter abziehen-bleiben, Büroräumlichkeiten, Lagerflächen, Lieferungen nicht mehr just-in-time möglich, administrativer und behördlicher Zusatzaufwand …

Szenario 2: „ein zweites Referendum“, weil May abgewählt wird und der/die Neue sich die aktuelle Legitimation vom Volk einholen will

  • Zum einen ist es rechtlich möglich und zum anderen wäre der Ausgang, unglaublich aber wahr, dennoch ungewiss. Es gibt bis dato noch immer keinen klaren Stimmungswechsel in der Bevölkerung von Großbritannien „pro-EU Verbleib“. Aber, sollten alle jüngeren Wähler den Weg zur Urne antreten –nun, dann wäre meiner Meinung nach ein „Yes-we stay“ wahrscheinlich. Sie machten, leider, beim ersten Referendum den negativen Unterschied.
  • Die „EU-27“ würden bei einem Verbleib von Großbritannien jubeln, vor allem die Wirtschaft!
  • Die EU würde, aus meiner Sicht, schneller in einen Reform-, Reorganisationsprozess einsteigen, als jetzt.

Szenario 3: „der=dieser geplante Brexit kommt“

  • Trotz UK-Exits mit 29.03.2019 passiert mal gar nichts, denn die praktischen Folgen des Brexits werden erst einmal bis 2020 aufgeschoben. Bis maximal 2022 würde UK im Binnenmarkt bleiben, mit allen Regeln. In dieser Zeitspanne könnten sich die Politik und Wirtschaft auf das tatsächliche Ende, ab 2022, vorbereiten. Was in diesem Papier natürlich nicht steht ist, dass auch hier Veränderungen der politischen Gegebenheiten alles auf den Kopf stellen können. Ergo, dass ein weiteres Referendum abgehalten werden kann, mit welchem Ausgang auch immer.

So, was ist denn nun eigentlich fix am Brexit? Im Moment das Austrittsdatum. Eine elende Unsicherheit für uns alle (=die Betroffenen) schwebt über unserem Haupt und die einzige Sicherheit, die wir haben ist: wenn der Brexit so oder halt a bisserl anders kommt, dann werden wir (=die Betroffenen) das bezahlen müssen. Auf beiden Seiten des Kanals!

Aber, es wäre ja gelacht, wenn wir da nicht auch noch hinkriegen würden, oder? Denn, der wahre Grundgedanke der EU ist ja: nie wieder Krieg zwischen den verbündeten Staaten (weil wir wirtschaftlich so verflochten sind)! Und das haben wir ja bis heute ganz propper hinbekommen.

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