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Kitty & die Kunst des Entblätterns

Manfred Sax

Wenn du jemandem immer nur auf Facebook begegnest, dann aber spontan mit ihr telefonierst. Gestatten: Kitty Willenbruch, Wiens Queen of Burlesque.

Kitty Willenbruch by Giulietta Del Conte.

Mit etwas Glück lernst du sie über ihre Stimme kennen. Du kriegst sie ans Telefon und ihr Timbre ins Ohr, und Wohlgefühl macht sich breit. Das Timbre kommt von unten, aus der Brust- oder Bauchgegend, es ist voll und warm, nicht so hohl und frei von Persönlichkeit, wie Kopfstimmen sind. Kitty hört sich großartig an.

Mit verdammt viel Glück siehst du zuerst ihren Arsch. Das ist tatsächlich möglich. Es ist möglich, dass du Samstag Nacht im vierten Wiener Gemeindebezirk unterwegs bist und die Margaretenstraße runter spazierst und in die Schikaneder Bar gerätst, wo auf der Bühne gerade Kittys Arsch der Hauptdarsteller ist. Es ist ein großartiger Arsch, und Kitty weiß, was damit zu tun ist. Sie hat rare Qualitäten. „Ich kann in High-heels Tennis spielen, und mein Arsch sieht sogar in einer Jogginghose gut aus“, sagt sie.

Kitty ist Künstlerin, sie macht Burlesque, eine durch und durch weibliche Striptease-Kunst (den Spin-off „Boylesque“ wollen wir ignorieren), die hier zu Lande nur Schlagzeilen macht, wenn so wer wie Dita von Teese ein Gastspiel gibt, wie Ende des vergangenen Jahres, und natürlich hat Kitty sich das gegeben und besuchte die Kollegin dann auch noch Backstage, zwecks Fachsimpelei. Was da von Burlesque-Queen zu Burlesque-Queen geredet wird, liest du HIER.

Kitty backstage mit Dita von Teese.

Burlesque ist eine faszinierende Kunst, sie hat mit „Lust am Objektsein“ zu tun, so sieht es jedenfalls Ms von Teese (siehe Story HIER). Für Kitty  war es „Bestimmung“, wie sie sagt, und das kam so: In den Nullerjahren half sie einer Freundin beim Organisieren einer Party, da war auch eine Burlesque-Show geplant – mit Lucy Fire als Protagonistin. Lucy Fire? Ja, jene berühmte rothaarige Künstlerin aus Amsterdam, gelegentlich in Pornoland unterwegs; die mit dem „ich bin keine Schlampe, ich bin nur pervers“-Spruch. Kurz: eine Frau, die mit ihrer Sexualität total per Du ist.

Salon Kitty presents: Vanessa Meli.

Und diese Lucy mit den Feuerhaaren kam dann nicht zur Party nach Wien, also sprang Kitty kurzerhand ein. „Ich war die einzige mit Striptease-Erfahrung, und tanzen konnte ich auch“, erinnert sie sich. Die Idee zur Performance kam wie von selbst: „Ich schlüpfte in ein rosa Latexkleid und nannte mich Cotton Candy und schleckte einen überdimensionalen Lollipop und tanzte zu Candy Man.“ Der Rest wurde dann sozusagen ihre History: „Das Publikum ist ausgeflippt, ich wurde mit Geldscheinen beworfen. Da wusste ich, das war meine Bestimmung.“ Eine Bestimmung, an der übrigens ihr Mann, der Death-Metaller Alex Wank (Pungent Stench, anybody?) mitfeilte.

„Dita nannte mich dirty satanic bitch. Das war süß von ihr.“ (Kitty)

Apropos Publikum. Generell werden Burlesque-Shows mehrheitlich von Frauen besucht, „klar“, sagt Kitty, „weil es beim Burlesque primär um Äußerlichkeiten geht. Aber ich will nicht nur als sexy Püppchen wahrgenommen werden, das langweilt mich.“ Der Begriff Schönheit hat sie nie sonderlich interessiert, sagt sie, die Salon Kitty Shows sind denn auch „laut, frech, humorvoll und sexy“. (Kitty) Und haben bisweilen sogar ein mehrheitlich männliches Publikum: „Warum? Frauen wollen oft nur schöne Frauen sehen, Männer dagegen wollen alles sehen.“ (Kitty)

Salon Kitty presents: Cleo Purr.

Und dann ist da noch der Aspekt, den die radikale Feministin Camille Paglia einmal in etwa so formulierte: Weil Frauen nur sein müssen, um sexuell zu sein, ist der Mann der personifizierte Fetischist – im Kern ein vorbeugend ängstlicher Kerl, der Fetische braucht, um den Mut aufzubringen, „sein kleines Ding in ihre dionysische Wesenheit zu tauchen“ (Paglia), per se zunächst eine unheimliche Sache, wenn auch seine Endstation Sehnsucht. Und ja, sagt Kitty, „Männer haben Angst vor mir.“ Aber das gibt sich, spätestens dann, wenn sie erkennen, dass Kitty nicht nur Nonne und Hure in einem, sondern auch Freund ist, sagt ihre Erfahrung.

Kitty „zivil“: geboren in Timisoara.

Es gäbe jetzt noch eine Menge zu erzählen – dass Kitty in Timisoara, Rumänien, geboren wurde, die Familie anno Unruhen nach Wien floh, dass sie weiß, wie Armut und Reichtum schmecken und so weiter. Aber davon ein Andermal. Hier nur noch so viel: Die Salon Kitty Show findet einmal monatlich statt (die nächsten Termine: siehe unten) und ist nicht nur Plattform für diesen Wiener Schatz sondern präsentiert großartige Gäste wie unlängst etwa Vanessa und Cleo Purr. In diesem Sinne: See you demnächst im Salon Kitty.

SALON KITTY REVUE Termine: 16.MÄRZ, 13.APRIL, 4.MAI, im SCHIKANEDER KINO & BAR

Alle Fotos courtesy of Kitty Willenbruch