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Valentin und der Pfeil der Liebe

Manfred Sax

Vor 1500+ Jahren vom Papst etabliert – und vor 50 Jahren gestrichen: der Valentinstag, an dem wir intime Gefühle outen. Amor rules. Der war immer für politischen Sprengstoff gut.

Text: Frater Gladius*

Ein Zölibatär hat an einem Tag wie heute auch ein wenig den Blues. Was bleibt schon anderes übrig, als morgens in der Kälte in eine verschwiegene Kapelle zu pilgern, vor der Marienstatue auf die Knie zu fallen und widerstrebend eine Blume vor die Füße der Immaculata zu legen. Kein Kuscheln im partnerschaftlich gewärmten Bett, kein Austausch von süßen Nichtigkeiten; nur eine ungeheizte Klause mit einem Thermometer, aktueller Stand unter null. Herrgottnochmal.

Ein seltsamer Heiliger ist er ja schon. Die Katholische Enzyklopädie kommt auf drei Exemplare, die da zu den Iden des Februar memoriert werden, nämlich den Valentin von Terni (der im Jahr 197 unter Caesar Aurelianus sein Martyrium erlitt), jenen von Rom (dessen Schicksal Claudius 269 besiegelte) plus einen Valentin, von dem nur bekannt ist, dass er an einem 14. Februar verstarb. Und diese drei verschmolzen wohl im Lauf der Zeit zu einem Musterheiligen – der heute dort steht, wo eigentlich der verschmitzte Bengel Amor mit seinen Pfeilen stehen sollte.

Die Legenda Aurea, ein mittelalterlicher Bestseller, versteht es immerhin, ein persönliches Treffen zwischen Valentin und dem Kaiser Claudius II als Politikum (und Soap-opera) darzustellen. Demnach hatte Claudius ein Gesetz erlassen, das jungen Männern die Heirat verbot – worauf Valentin angeblich junge Leute in geheimen Zeremonien verheiratete (man stelle sich vor: eine düstere Ruine, irgendwo; zwei ungestüm für einander pochende Herzen; subversiver Prediger schwört sie per heiligem Gelübde zum Bund fürs Leben ein – NA?).

Man stelle sich vor: eine düstere Ruine, irgendwo; zwei ungestüm für einander pochende Herzen; der subversive Prediger Valentin schwört sie per heiligem Gelübde zum Bund fürs Leben ein – NA?

Beim Treffen soll ihm Claudius angeboten haben, zum heidnischen Glauben überzutreten, während Valentin seinerseits dem Kaiser riet, Christ zu werden (auch nicht ohne: Nobody empfiehlt dem Mächtigen, sich doch wie ein Nobody zu benehmen. Hat einen Hauch von Brando, no, als er noch Motorrad fuhr). Anyway:

Worauf Claudius sich gefrotzelt fühlte und Valentin zu Tode foltern ließ.

Bekanntlich trat das offizielle Rom 50 Jahre später dann doch zum Christentum über (ein Fall von SM-Zeitgeist, wenn Sie mich fragen, aber gut, niemand fragt mich). Nur ist es bei Jupiter so, dass gewisse alte Bräuche schwer auszurotten sind. Zum Beispiel die Lupercalien – ein das Kommen des Frühlings beschwörendes Fruchtbarkeitsfest (Bilder der Wolfsbrut Romulus und Remus), gefeiert am 15. Februar, bei dem in Ziegenfelle gehüllte und ansonsten nackte Priester (aus ästhetischen Gründen wollen wir hoffen, dass sie keine Greise waren) auch noch im 5. Jahrhundert anständig auf heidnisch Gas gaben. Ein Papst Gelasius I etablierte daher im Jahr 496 den Sankt Valentinstag – als religiöse Kontraindikation sozusagen, so wurde damals geimpft.

Aber zurück zum Politikum, zurück zu Claudius II. Der hatte einen Grund, jungen Männern die Heirat zu verbieten: Er glaubte, dass Ehemänner schlechte Soldaten abgaben, dass für das Weib entflammte Kerle am Schlachtfeld nicht zu gebrauchen sind. Dass das höchste Prinzip – per Ruhm&Ehre zur Unsterblichkeit – in Gefahr stand, durch eine subversive Kraft, die man Liebe nannte, unterwandert zu werden. Ein Misstrauen, für das es bereits einen Präzedenzfall gab.

Die Ereignisse dazu wurden rund um Beginn der modernen Zeitrechnung (Jahr 1 AD = Jahr 753 seit Gründung Roms, Anm.) Geschichte, und in ihrem Kern stand das literarische Schaffen des Publius Ovidius Naso, den viele nur im Lateinunterricht kennen und nie lieben gelernt haben, Aurea prima satast und so weiter. Dabei hatte Ovid einen guten Teil seiner Werke den Lieben (Amores) und der Kunst des Liebens (Ars Amatoria) gewidmet. Zum Beispiel stellte er Gott Amor als dreikäsehohen Bengel dar, dessen Pfeile die Menschlein durcheinander brachten, weil sie in Liebe entflammten – ein Gefühl, das stärker war als alles andere. Weil es auch ein Gefühl war, das Olympische Gottheiten nicht empfinden konnten, wurden Ovids Götter erstmals auf die Menschen eifersüchtig. Es war beachtlicher Tobak, den der Poet seinen Zeitgenossen da servierte.

In Ars Amatoria (heute wär das ein Dating & Seitensprung-Knigge) erklärte Ovid in seiner Elegie 1 auch, warum er lieber von Liebe schwärmt an Stelle von Schlachten; warum er von purem Sex träumt an Stelle von glorreichen Siegen – und das war dem Cäsar Augustus ein wenig zu viel. Der hatte Angst um die Kampfmoral seiner Soldaten. Also verbannte er Ovid auf die (heute rumänische) Insel Tomis am Schwarzen Meer, wo er denn auch starb.

Natürlich lebt Ovid daher auch hartnäckig weiter. Ich habe wiederholt versucht, in den Reden Jesu´ Ansätze von Ovid zu entdecken, wenn auch nie schlüssig. Evident ist aber, dass die Beatles in ihrer kreativen Phase ordentlich von ihm abkupferten (All You Need Is Love, anybody?). Womit ich auch andeuten will, dass der Allmächtige in der Tat Humor hat. Wenn Jahrhundert-Ereignisse wie die Fab4 (Lennon: „Wir sind populärer als Jesus.“) ausgerechnet in Liverpool zur Blüte gelangen, dann hat das auch mit Humor zu tun. Das ist göttliches Design, so mittelfingerzufällig kann ein Zufall ganz einfach nicht sein.

In meinen Augen ist es auch kein Zufall, dass der Sankt Valentinstag ausgerechnet am Höhepunkt der „Sexuellen Revolution“ – 1969 –  aus dem Römisch-Katholischen Kalender der Heiligen gestrichen wurde. Ersatzlos.

Die Geister, die der Heilige Valentin da rief, die wollte die Kirche wieder los werden. Aber was ist schon ein greiser Kirchenfürst gegen Amors mächtigen Pfeil?

Foto: maxpixel, gemeinfrei

*Originaltext: http://www.zib21.com/category/wort-zum-sonntag/