Essen
Verflossene Liebe – Heimischer Fisch, Sardinen & Shrimpssalat aus dem „Goldfisch“
Der Heringschmaus ist der einzige Pflichttermin des Fischessens. Wer abseits der Fastenzeit gegen die Flossenverweigerung kämpft, erfuhr der WIENER stilecht beim Shrimps-Zubereiten.
Text: Roland Graf
Zwei Mal fällt uns jährlich die Wassermenge des Bodensees auf den Kopf. Ungeachtet dieser Regenmenge ist über ein Prozent der österreichischen Landesfläche von Wasser bedeckt, das unter anderem 62 Seen füllt und 2.200 Fließgewässer speist, die sich auf einer Länge von 100.000 Kilometern durch das Land schlängeln. Mächtige Zahlen, die vor allem eines belegen: Es ist recht feucht hierzulande. Doch in einem Punkt machen wir hartnäckig weiter auf Binnenland: beim Konsum von Fisch. Mit gerade einmal 7,3 Kilo Jahresverzehr ist die wöchentliche Ration des gesunden Lebensmittels nämlich klein wie ein Fischstäbchen. Zum Vergleich: 63,4 Kilogramm Fleisch und Geflügel sind es im gleichen Zeitraum, die jeder Österreicher verdrückt, was anders gesagt mehr als ein Kilo pro Woche ergibt. Zudem ist diese Zahl seit 2013 im Sinken begriffen (damals waren es immerhin noch 8,1 Kilo Fisch) und bezieht auch ein gutes Drittel gefrorenen und nicht frische Seen- und Meeresbewohner ein.
Um jetzt quasi die Harpune gänzlich im Herz aller Ernährungsbewussten zu versenken: Für diese Mikromenge Fisch bedienen wir uns zu 94% in ausländischen Fanggründen. Unser Fisch für unsre Leut? Mitnichten! Thunfisch und Garnelen stehen offenbar deutlich höher im Kurs als die 232 heimischen Forellenteiche oder die 190 Karpfenanlagen. Steckt uns etwa da der Verlust der Hafenstadt Triest noch immer wie eine Gräte im Hals? Denn historisch waren wir nicht immer die Fischmuffel, für die der Heringschmaus die einmalige Abwechslung am Speisezettel darstellt. In der k.u.k.-Zeit etwa verbat eine Petition den Arbeitgebern, ihren Dienstboten öfter als zweimal die Woche Krebse zu servieren. Dieses „Armeleuteessen“ aus den Bächen galt lange als billige Nahrung, die auch gerne an Häftlinge verfüttert wurden.
Derlei Anekdoten servieren Petra Götz-Frisch und Sebastian Slavicek in ihrer „Fischerei am Lerchenfeld“ gleich mit zu Saibling, Kabeljau und Co. Vor mittlerweile mehr als drei Jahren haben die beiden Quereinsteiger den „Goldfisch“ als Kombination aus Fischhandlung und -restaurant eröffnet. Unumwunden spricht Götz-Frisch den „Bildungsauftrag“ an, den das immer noch bedeutet: „Ich verkaufe ja keinen Fisch, sondern bin für einen schönen Abend verantwortlich“. Und dazu gehört in der Lerchenfelder Straße mitunter auch das Ausräumen von Fisch-Mythen. Während etwa keiner auf die Idee käme, Wurst aus der Verpackung auf einem Teller in den Kühlschrank zu geben, hielten das einige Kunden für normal. „Das stammt wohl noch aus der Zeit, als Fisch in Zeitungspapier eingewickelt wurde“ – und Druckerschwärze muss ja wirklich nicht stundenlang auf den Fisch einwirken. Hygienische und neutrale Verpackungen haben das obsolet gemacht, die Kühlkette sorgt dafür, dass Fisch auch längst nicht mehr am selben Tag verarbeitet werden muss.
Dabei gibt es durchaus einiges zu entdecken in der österreichischen Gewässerlandschaft. 59 Arten listet das Umweltbundesamt auf, davon nahezu unbekannte Arten wie Aitel, Aalrutte, Kesslergründling, Steingreßling, Goldsteinbeißer. Auch Frauennerfling, Zobel und Waxdick (hüstel!) kennt man unter den heimischen Petrijüngern als Schwimmtiere. Die regionalen Unterschiede sind hier allerdings beträchlich. Während sich etwa die Karpfenzucht in Niederösterreich konzentriert (die größte europäische Anlage findet sich im nahen Böhmen), finden sich die meisten Angelkartenbesitzer in Oberösterreich. Die Schlusslichter der Fischproduktion sind ausgerechnet das Seen-Bundesland Salzburg und die Donaustadt Wien.
Mittlerweile scheinen zumindest einige Unternehmer auf den heimischen Fisch zu setzen. Ziemlich unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat „Mr. Red Bull“ Dietrich Mateschitz die komplette Fischzucht der Bundesforste und damit die Fischgründe der Republik im Ausseerland gepachtet. Während bisher 100 Tonnen Fisch im Jahr in Kainisch, Altaussee und Grundlsee gefangen wurden, sollen aus der Aquakultur im kommenden Jahr 250 Tonnen Fisch per anno auf den Markt kommen. Die Wildfische der Bundesforste waren schon bisher begehrte Edelprodukte der Spitzengastronomie. Gleich seinen eigenen See legt derzeit Friedrich Bleier im Schneeberggebiet an: Das 50.000 m² große Fischgewässer soll als Erweiterung der bisherigen Fischzucht unter dem Label „Marias Land“ dienen. Der Eismeer-Saibling, der hier den Hauptbesatz darstellt, wie das
Fischer nennen, findet offenbar immer mehr Freunde in der Region.
Selbst so „exotische“ Fische wie der norddeutsche Hering haben es nicht mehr so schwer wie früher, meint dazu das „Goldfisch“-Duo Götz-Frisch/Slavicek, das ganzjährig essigsauren Bismarckhering und den holländischen Klassiker Matjes anbietet. „Immer mehr Kunden machen damit ihren eigenen Heringsalat – und das nicht nur in der Fastenzeit“. Doch nach wie vor hat der Fisch im Winter Hochkonjunktur und nicht als leichtes Sommeressen. Liegt erst einmal das erste Steak am Grill, wird es ruhiger in der „Fischerei“. Generell trägt die feuchte Mission aber auch im Land des Schweinsbratens allmählich Früchte. Genauer gesagt, hat man auch dazu im „Goldfisch“ eine Angler-Metapher auf Lager: „Haben die Gäste einmal angebissen, kommen sie immer wieder – und trauen sich auch mehr“, so Petra Götz-Frisch. „Da kochen zum Beispiel einige dann das erste Mal Muscheln, obwohl man dabei praktisch nichts falsch machen kann“. Na dann! Sollte sich jemand beim Lesen „fisch verliebt“ haben: Sebastian Slavicek hat dem WIENER sein Shrimps-Cocktail-Rezept verraten.
Sebastians Shrimps Salat-Klassiker aus dem „Goldfisch“
Zutaten (Vorspeise für sechs Personen)
1 Kilo Shrimps, küchenfertig geschält (im „Goldfisch“ sind es italienische Mazzancolle)
2 Stangen Staudensellerie
3 Eidotter
4 cl Weinbrand
¼ Liter Rapsöl
1 Teelöffel Dijon-Senf
1 Teelöffel Worcestersauce
3 Esslöffel Ketchup
Limettensaft und Zesten von einer halben Limette
200 Gramm Radicchio
½ Kilo Ananaspüree (z. B. von Ponthier)
20 Gramm Agar-Agar
Cayennepfeffer
Salz und Pfeffer
Frisch gerissener Kren
Etwas Shiso-Kresse
Zubereitung
– Das Ananasgelée gibt neben der selbst gemachten Cocktailsauce hier die spezielle Note. Dafür wird das Fruchtpüree erhitzt und mit Agar-Agar laut Packungsanweisung eingerührt. Das kaltgestellte Gelée lässt sich nun in kleine Würfel schneiden (alternativ eignet sich frische Ananas, hier dann aber den Saft etwas ausdrücken).
– Für die Sauce werden zunächst die Eidotter mit Öl, Senf, Limettensaft und -zesten zu einer Mayonnaise aufgeschlagen. Danach Ketchup, Worcestersauce sowie Cayennepfeffer und Kren – je nach persönlicher Schärfe-Vorliebe – zugeben.
– Radicchio in kleine Stücke schneiden und einen Teil fürs Anrichten zur Seite legen. Nun die Sellerie kleinwürfelig schneiden und 30 Sekunden in heißem Wasser blanchieren, danach sofort in Eiswasser abschrecken. Die Shrimps werden ebenfalls blanchiert, bis sie gerade zart-rosa sind – sie sollen noch Biss haben.
– Radicchio als erstes in eine Schüssel geben und mit den Garnelen, der Cocktailsauce und den Ananaswürfeln gut vermengen. Zum Anrichten zunächst Schalen mit Radicchio auslegen, dann mit Salat befüllen und mit Kresse garniert servieren!