KULTUR

Alles neu an der Burg?

Jakob Stantejsky

Martin Kušejs Eröffnungssaison: Nach fünf Saisonen unter Karin Bergmann, der allerersten Burgtheaterdirektorin überhaupt, beginnt am 12. September eine neue Ära in Wiens prestigeträchtigstem Theater. Der Kärntner Regisseur übernimmt die Zügel und startet mit einem gewaltigen Reigen an Premieren in seine erste Saison.

Text: Jakob Stantejsky / Fotos: Getty Images

32 Premieren werden in der Saison 2019/20 am Wiener Burgtheater insgesamt über die Bühne gehen. Zwölf davon rollen bereits bis Ende Oktober auf uns zu. Man merkt schon, dieser Martin Kušej will dem Burgtheater von Anfang an seinen Stempel aufdrücken. Verständlich, schließlich ist er selbst seit über 30 Jahren als Regisseur tätig und hat von Laibach bis Amsterdam quasi ganz Mitteleuropa mit seinen Inszenierungen bespielt. Ein alter Hase also, der auch dank seiner Schauspieldirektion der Salzburger Festspiele von 2004 bis 2006, und natürlich der Intendanz des Bayerischen Staatsschauspiels in München von 2011 bis 2019 schon ordentlich Erfahrung mit dem ganz großen Erfolgsdruck gemacht hat.

Verstecken muss sich Kušej auch vor dem berühmt-berüchtigten Wiener Publikum sicher nicht. Es wird – wie immer – sowohl Suderanten als auch Liebhaber geben, aber künstlerisch darf man sich definitiv auf eine abenteuerliche Reise einstellen. In der Eröffnungssaison schlägt Kušej einerseits mit Klassikern wie Goethes „Faust“ zu, doch auch in Uraufführungen wie „Die Traumdeutung von Sigmund Freud“ wird eingetaucht. Warum sich scheinbar jeder Theaterdirektor zu Beginn seiner Intendanz die Gretchenfrage stellen muss, sei dahingestellt. Aber gut, bezeichnen wir es einfach als Tradition. Wenn auch nicht als besonders einfallsreiche …

Selbst in die Hand nimmt Kušej übrigens die Inszenierungen von Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, Goethes „Faust“, Schillers „Don Karlos“, Kleists „Die Hermannsschlacht“ und Frayns „Der nackte Wahnsinn (Noises off)“. Abgesehen von der Hermannsschlacht handelt es sich ausnahmslos um Übernahmen aus München. Aber gut, Martin Kušej wird auch so alle Hände voll zu tun haben!

The Burgtheater (National Theatre) (Photo by Tony Marshall – PA Images via Getty Images)

Premieren en masse
Obwohl die Saisoneröffnung erst am 12.9. stattfindet, gibt es allein im September schon sechs Premieren in den Spielstätten des Burgtheaters zu sehen.

12/9
DIE BAKCHEN im Burgtheater

Gleich zu Beginn der Saison wird in der Burg ein politisches Statement monumentaler Ausmaße gezündet. Politisch deshalb, weil es in Euripides’ Stück auch um Moral, Gesellschaft und Tyrannei geht. Und monumental deshalb, weil Regisseur Ulrich Rasche, der erstmals am Burgtheater inszeniert, sich mit gewaltiger Bühnenmaschinerie und druckvoller
Musikuntermalung samt Chor einen Namen gemacht hat. Ein klassisch griechisches Drama mit enger Verbindung zur Gegenwart erwartet den Zuschauer.

13/9
VÖGEL im Akademietheater

Multilingual geht es am Tag darauf im Akademietheater weiter, wo die Österreichische Erstaufführung von „Vögel“ stattfindet. Das Stück des kanadischen Schriftstellers Wajdi Mouawad wird auf Deutsch, Englisch, Hebräisch und Arabisch aufgeführt – samt deutschen Übertiteln. Kurz gefasst bringt der israelische Regisseur Itay Tiran eine Liebesgeschichte zwischen einer Muslimin und einem Juden auf die Bühne, in der der jahrhundertelange Hass zwischen den Kulturen die eigentliche Hauptrolle spielt. Schwere Kost, aber auch umso relevanter für die heutige Zeit.

14/9
WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF? im Burgtheater

Am Samstag kehren wir ins Burgtheater zurück, wo Martin Kušej seine Edward-Albee-Inszenierung aus München ihre Wiener Premiere feiern lässt. Das 1962 uraufgeführte Stück gilt trotz seiner Jugend schon lange als Klassiker. Das liegt auch daran, dass die prinzipiell simple Handlung – zwei Ehepaare verbringen einen Abend zu viert und versinken im
totalen emotionalen Chaos – guten Schauspielern eine hervorragende Leinwand für ihr Können bietet.

21/9
THE PARTY im Burgtheater

Nach einer ganzen Woche Schaffenspause geht es in der Burg mit einem rasanten Kammerspiel von Sally Potter, inszeniert von Anne Lenk, weiter. Wobei, Kammer trifft es nicht ganz. Immerhin das ganze Haus einer englischen Politikerin dient als Bühne für eine Feier zu Ehren ebenjener Hauptfigur. Im Laufe der Party driftet die Gesellschaft jedoch immer radikaler in gesellschaftspolitische Fragen ab, die zu beantworten sind, aber nicht beantwortet werden können. Mit viel britischem Schmäh spielen sich unter anderem Peter Simonischek und Regina Fritsch durch den turbulenten Abend.

26/9
DER (VOR)LETZTE PANDA ODER DIE STATIK im Vestibül

Eine ganze Nummer kleiner geht es wenige Tage später ebenfalls im Burgtheater weiter, allerdings in der Spielstätte Vestibül. Regisseur Nicolas Charaux nimmt die Zuschauer quasi im Auftrag des kroatischen Schriftstellers Dino Pešut auf eine Zeitreise durch das Leben vier junger Menschen mit, deren Kindheit durch den Balkankrieg geprägt wurde. Beim zehnjährigen Maturatreffen wird versucht, das unmögliche Fazit des eigenen Lebens zu ziehen.

27/9
FAUST im Burgtheater

Goethes Faust – jo, eh. Inhaltsangabe überflüssig. Kušejs Inszenierung aus München setzt auf moderne Impulse, um die zigmillionste Interpretation des Supermegaoberklassikers spannend zu gestalten. So wird Mephisto etwa von einer Frau, genauer gesagt von Bibiana Beglau, gespielt. Die erfolglose Jagd nach MEHR führt Faust wie immer dennoch ins Verderben. Aber auch wir kommen dennoch nicht umhin, dieses Stück zu empfehlen. So ist das halt mit den Klassikern.