STIL

Hohe Dichtkunst

Jede Armbanduhr ist auf irgendeine Art und Weise vor äußeren Einflüssen geschützt. Doch was bedeuten die entsprechenden Angaben auf der Uhr, und wie wird sie abgedichtet? Der WIENER gibt die Antworten dazu.

Text: Philipp Pelz / Foto: Getty Images

Eine Uhr kennt viele Feinde. Schläge und Stöße etwa findet sie gar nicht gut. Abgesehen von unschönen Hackern und Kratzern am Gehäuse will auch das heilige Innere nicht so wirklich durchgeschüttelt werden. Magnetismus, an anderer Stelle im Heft behandelt, hält manche ­Unruhspiralen fest im Griff und lässt diese bloß noch zappeln. Doch auch von außen lauern Feinde, die den Gang des Werks maßgeblich beeinträchtigen können. Da wäre einerseits mikro­skopisch kleiner Staub, der aufgrund der sehr geringen Kräfte, die im Uhrwerk walten, schon mal das ganze Werk blockieren kann. Hauptsächlich heißt der Todfeind des filigranen Innen­lebens aber: Wasser. Dringt Feuchtigkeit ins Innere ein, dann gilt es, schnell zu handeln. Krone ziehen und trocken lagern, eventuell auf einer leicht aufgedrehten Heizung. Danach rasch zum Uhrmacher des Vertrauens, der das Werk ausbauen und nochmals austrocknen sollte. Geschieht dies zu langsam, läuft man Gefahr, dass wichtige Komponenten zu oxidieren beginnen. Hat sich der Rost erst mal verbreitet, dann war’s das mit dem Uhrwerk. Dann ist kaum noch was zu retten, und ein Werktausch steht an.

Was machen also die Hersteller im Kampf gegen Staub und Wasser? Klar, Dichtungen einbauen. Die meisten Konstruktionen kommen bei klassischen Uhren mit Anzeige von Uhrzeit und Datum mit drei Dichtungen aus. Das wären Glasdichtung, ­Gehäusebodendichtung und Kronendichtung. Prinzipiell gilt: Je flacher das Gehäuse, desto schwieriger ist es, die Uhr dicht zu bekommen. Kommen weitere Funktionen hinzu, die eine Bedienung von außen notwendig machen, dann muss jede Öffnung natürlich auch abgedichtet werden. Dabei kann es sich um größere Drücker, etwa für Chronographen, handeln, oder um kleine Manipulationsdrücker, mit denen Datumsanzeigen korrigiert werden. Bei Sportuhren werden Krone und Gehäuseboden verschraubt und mit Dichtungen geschützt. Diese bestehen heutzutage meist aus Silikon und werden vor dem Einsetzen leicht eingefettet. Soll die Uhr dem Druck in großen Tauchtiefen strotzen, dann wächst sie auch in ihren Dimensionen. In dickere Uhren können auch dickere Dichtungen verbaut werden. Professionelle Taucheruhren, die teilweise für Tiefen von mehreren Tausend Metern geeignet sind, weisen paradoxerweise häufig noch eine zusätzliche Gehäuseöffnung auf. Diese gehört zum Heliumventil und soll das Gehäuse vor Überdruck aus dem Inneren schützen. Im Falle eines Tauchgangs in einer Taucher­glocke, wo das Atemluftgemisch einen hohen Heliumanteil aufweist, kriecht das Gas an den Dichtungen vorbei langsam in die Uhr hinein. Beim Auftauchen kann es nicht schnell genug entweichen, was zur Sprengung der Uhr führen kann.


How low can you go? Hier die Erklärung der einzelnen Dichtigkeitsangaben auf der Uhr:

Oft ist die Angabe der Tiefe nicht wörtlich zu nehmen. Das sorgt für Verwirrung, da 30 Meter doch eigentlich 30 Meter sein sollten. Ja und nein. Die Bewegung im nassen Element trägt auch zur Bewertung bei. Springt man ins Wasser, kann der Aufprall ja mitunter recht hart sein. Hier kommt auch die DIN-­8310-Norm ins Spiel. Sie kombiniert die Komponenten der Höhe der Wassersäule über der Uhr und der Zeit, gibt also an, wie lange die Uhr in einer gewissen Tiefe dicht bleiben muss. Ohne Bewegung, wohlgemerkt.

30 Meter, 3 bar, 3 atm
Uhren mit dieser Bezeichnung sind als spritzwasser­geschützt zu werten und sollten nicht beim Sport oder zum Schwimmen getragen werden. Durch die Bewegung im Wasser können Druckspitzen entstehen, die die Eintauchtiefe bei Weitem übersteigen.

50 Meter, 5 bar, 5 atm
Solche Uhren bieten bereits eine deutlich höhere Alltags­tauglichkeit und können auch zum Duschen verwendet werden. Aufgrund höherer Schweißentwicklung sollte vom Tragen beim Sport abgesehen werden, genauso wie beim Schwimmen.

100 Meter, 10 bar, 10 atm
Uhren mit dieser Bezeichnung können bedenkenlos zum Schwimmen verwendet werden. Meist sind sie bereits mit ­verschraubten Kronen ausgestattet, robuster und daher auch etwas kräftiger.

200 Meter, 20 bar, 20 atm
Ab dieser möglichen Tauchtiefe kann von Taucheruhren gesprochen werden. Diese Uhren sind besonders robust, weisen also meist größere Durchmesser auf und sind dicker.

Ab 200 Metern gelten Taucheruhren als absolute Profigeräte. Diese sind fast immer mit einseitig drehbaren Lünetten zur Messung von Dekompressionszeiten etc. ausgestattet.

Wichtig! Die Wasserdichtigkeit einer Uhr ist immer eine Momentaufnahme. Dieser Zustand kann sich im Laufe der Zeit durch Schläge, aber auch Alterungsprozesse der Dichtungen verändern, die durch Einwirkungen von Hitze und Kälte beschleunigt werden können. Auch hier empfiehlt sich eine ­regelmäßige Kontrolle im Uhrenfachgeschäft. Dieses ist mit Prüfgeräten ausgestattet und kann in wenigen Minuten ­Klarheit verschaffen.