AKUT

Kulturkrampf im Zentrum

Franz J. Sauer

Klar kann man einen Autohändler gegen eine weinerliche Aktivistin, den „Alten Herrn“ einer Burschenschaft gegen einen grünen Bürgermeister und einen „Wahlfahrer“ gegen die Nachhaltigkeitsexpertin eines Radfahrer-Clubs „Im Zentrum“ über das Auto diskutieren lassen. Es bringt halt nur nix.

„Die EU will bis 2050 klimaneutral werden und ihre Wirtschaftsweise umkrempeln. Das wird auch die gesamte Autoindustrie auf den Kopf stellen. Das Auto mit einem Verbrennungsmotor soll der Vergangenheit angehören. Ab wann genau? Und welche Antriebsart wird sich durchsetzen – Elektro, Hybrid oder Wasserstoff? Während die Politik die Elektromobilität vorantreiben möchte, wurden in Österreich noch nie so viele SUVs verkauft wie 2019. Welche Rahmenbedingungen von der Politik sind notwendig? Kann die Politik ökologische und ökonomische Ziele auf einen Nenner bringen? Welche Auswirkungen hat der Umbau der Industrie auf die Arbeitsplätze? Klimaaktivisten fordern autofreie Städte. Wird die Verkehrswende das teuerste Projekt zur Klimarettung? Wie soll sie gelingen und was bedeutet sie für Pendlerinnen und Pendler?“

So die Inhaltsangabe zur gestigen (Sonntag, 19.1.2020) Sendung „Im Zentrum“ in der ORF-TV-Thek. Kluge Fragen, wenn auch etwas verwirrend gegenüber gestellt (SUVs gegen Elektroautos, schnarch!). Nur leider blieben diese auch nach dem sinnerfassenden Konsum der Sendung unbeantwortet. Was vielleicht an den anwesenden Personen lag.

Man hat alles genüsslich in einen Topf geworfen, aufgekocht und hernach jeden einzelnen gefragt, welche Zutat er am liebsten mag. Ergebnis: Es hat keinem geschmeckt.

Mit KR Burkhard Ernst, dem Gremialsprecher der Autohändler und Eigentümer des Autohaus Mazda Rainer fand sich, sozusagen als Vertreter der Autoindustrie, ein Autohändler in der Runde ein, der logischerweise hauptsächlich eines will: (neue) Autos verkaufen. Dementsprechend schnell waren hier auch Begriffe wie „Abwrackprämie“ und „Nachfrage“ zur Hand, was – man möchte fast sagen, perfekt orchestriert – die junge, adrette, sicher nicht auf den Mund gefallene, aber doch gern ansatzweise hysterisch agierende „Fridays For Future“-Aktivistin Lena Schilling zur Weißglut brachte. Flankenschutz bekam sie dabei von der VCÖ-Nachhaltigkeitsexpertin Ulla Rasmussen, die krude Argumentationen wie „Autos haben schon vor 20 Jahren durchschnittlich 3,6 Liter auf 100 Kilometer verbraucht“ unwidersprochen in den Raum werfen durfte. Zwei Damen mit eindeutiger Agenda gegen einen, sorry, aber es muß sein: Alten Weißen Mann mit noch eindeutigerer. Dazu Georg Willi, der grüne Bürgermeister einer Landshauptstadt (diesfalls Innsbruck), der in vielerlei Punkten mit dem milden verkehrspolitischen Ergebnis der Regierungsübereinkunft unzufrieden ist und mit Christian Hafenecker der Verkehrssprecher einer Partei, die, weil gerade aus der Regierung geflogen, hauptsächlich bis auf weiteres damit beschäftigt ist, sich ihre Wunden zu lecken. Ungefähr darum, damit auch einer dabei ist, der „was g’scheids redt“, nahm der qua definitionem sprachgewandte ORF-Redakteur Hanno Settele in der Runde platz, der mit vernünftigen wie nachvollziehbaren Thesen und Erfahrungen aufkam, und mit einer zum Gesprochenen eher unpassenden Berufsbezeichnung als „Autoliebhaber“ im Insert leben mußte.

Sorry, liebe „Im Zentrum“-Redaktion, aber das kann nur schief gehen. Hauptsächlich für uns Autofahrer. Extreme aufeinanderprallen lassen, gepresst in gerade mal eine Stunde Sendezeit – was soll das bringen? Dass KR Ernst am liebsten noch mehr Autos verkaufen wollen wird, wie bisher, war ebenso klar, wie dass Fräulein Schilling von ihrem Wunschtraum der autofreien Stadt in buntesten Farben schwärmen wird. Aber selbst wenn KR Ernst nachvollziehbare Argumente für den stetig fallenden Durschnittsverbrauch gebracht, oder mit dem dümmlichen Stehsatz, dass SUV zwingend viel leisten und verbrauchen müssen, aufgeräumt hätte, die Anti-Auto-Phalanx Willi / Schilling / Rasmussen hätte ihn trotzdem niedergemacht. Weil ja nämlich 60 Prozent der Fläche „ihrer“ Stadt, so Lena Schilling weinerlich, sei mit Autos zugestellt. Und auch Expertin Rasmussen ging von einem gesellschaftlichen Konsens dahingehend aus, dass Autos der blechgewordene Teufel seien, den ja wirklich niemand mehr sehen, haben und riechen will.

Deine, meine, unsere.

Liebe Leute, diese Stadt ist, so finde ich, ein bissl auch die meine. Und ich zum Beispiel finde, dass Autos nicht nur zum Bild einer Stadt gehören, sondern dieses auch aufwerten. Ich denke nicht, alleine mit dieser Meinung dazustehen, wiewohl ich schon gerne immer wieder an die „Volksgaragen“, dei man uns Wienern Mitte der Neunziger vollmundig versprochen hatte, und die dann halt irgendwie unter den Tisch gefallen sein müssen, erinnere. Sprich: ich hätte gar nichts dagegen, wenn ein erklecklicher Teil der herumstehenden Autos unter der Erde verweilen dürften. Trotzdem – Themaverfehlung. Mich interessiert ebensowenig, wie sich die Damen ihre ganz persönliche Welt wünschen, wie sie vermutlich interessiert, wie ich mir die meine vorstelle.

Themen, die man weiterführend erörtern hätte können, wären gewesen:

  • Warum wird in Österreich der Automobilbesitz besteuert, und nicht die Fortbewegung, etwa mittels höherer Spritsteuern? Das holprig vorgebrachte „Tanktourismus“-Argument von Herrn Ernst hätte man dann leidlich zerpflücken können.
  • Warum darf immer nur schwarz-weiß gedacht werden und nicht in Schattierungen? Mit keinem Wort wurden zukunftsgewandte Technologien wie Hybrid-Antriebe erörtert, oder, wie das von Lena Schilling immer wieder eingeworfene „Car-Sharing“ im echten Leben aussehen könnte.
  • Gibt es eine andere Lösung für den Öffentlichen Nahverkehr als das ewig apodiktisch skandierte „Dann müssen wir halt Schienen in jedes Kuhdorf legen!“?
  • Und letztlich, freilich, endlich, obwohl das wurde eh ein bissl angerissen, trotzdem: Könnte man die Mobilitätsfragte vielleicht gemeinsam zu lösen versuchen und zwar ohne dabei gleichzeitig auf so ziemlich alle Annehmlichkeiten, die uns der technologische Fortschritt in den letzten 200 Jahren beschert hat, ersatzlos zu verzichten? Zumindest versuchen, hm?

Egal wie oft man das Radfahren und das Zu-Fuß-Gehen als gleichwertige Alternative zur Autobenutzung hochhypt – es wird nicht wahrer. Ein Auto bietet Privatsphäre, Komfort, Platz, Sicherheit, Wetterschutz, die Möglichkeit, Dinge, die man zwar gerne dabei hat, aber nicht dauernd herumschleppen mag / kann, mitzuführen und letztlich auch eine gewisse Spontaneität puncto Routenführung, sowie auch die Freiheit, jetzt gleich und sofort wenn das so sein soll ans andere Ende der Welt aufbrechen zu können. So gerne ich selbst etwa Rad fahre (am liebsten im Wald) oder auch zu Fuß gehe (ebendort, mit dem Hund, aber auch in der Stadt): Es sind dies zwei völlig unterschiedliche Paar Reifen.

Diese Runde da im Fernsehen hat aber alles genüsslich in einen Topf geworfen, aufgekocht und hernach letztlich jeden gefragt, welche der Zutaten er selbst am liebsten hätte. Ergebnis: Es hat keinem geschmeckt.

Im ungewohnten Fan-Sektor

Und mir vor dem Schirm hat am wenigsten geschmeckt, dass ich mich immer wieder auf der Seite eines Vertreters jener Fraktion wiederfand, mit der ich sonst an sich null und keine Überschneidungen mit mir feststelle: Die vernünftigsten, realitätsnahsten Wortmeldungen von politischer Seite lieferte Christian Hafenecker.