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Warum wird nicht nach dem Epidemiegesetz entschädigt?
Das Österreichische Recht hat ein Epidemiegesetz, das die Entschädigungsfrage für Unternehmer im Pandemie-Fall regelt. Der Mödlinger Rechtsanwalt Mag. Johannes Stephan Schriefl hinterfragt für den WIENER, warum es in der aktuellen COVID 19-Krise praktisch außer Kraft gesetzt wurde.
Feststeht: Seit dem 2. Weltkrieg gab es keine so einschneidenden, die gesamte Bevölkerung Österreichs betreffende, staatlichen Maßnahmen, wie derzeit durch den Corona-Virus, der trotz aller modernen, technischen wie medizinischen Errungenschaften scheinbar zur massiven Gefahr für viele Menschen werden kann. Durch das COVID 19 Maßnahmengesetz und die darauf beruhenden Verordnungen sind alle österreichischen Bürger betroffen, für viele Unternehmer, egal, ob groß oder klein, bedeutet es alerdings gravierende, oft existenzbedrohende Einschränkungen. Die Rechtsfolgen werden wir auch noch lange Zeit nach Aufhebung der Beschränkungen spüren.
Warum gilt das Epidemiegesetz nicht?
Mit diesem Gesetzespaket sind die im Epidemiegesetz 1950 festgelegten Entschädigungsansprüche für Verdienstentgang durch Betriebsschließungen der betroffenen Firmen weggefallen. Und zwar mit der Begründung, dass die wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Unternehmer durch das von der Regierung geschnürte, milliardenschwere Paket abgefedert werden sollen, welches Liqiuiditätshilfen und großzügige Kurzarbeitsregeln vorsieht. Aber erstens bleibt abzuwarten, ob die bisher zur Verfügung gestellten 38 Milliarden Euro überhaupt reichen werden. Weiters stellt sich die Frage, ob die Maßnahmen des COVID 19 Gesetzespakets überhaupt verfassungskonform sind. Durch die aufgehobene Verdienstentgangsregelung des Epidemiegesetzes 1950 fallen nämlich viele Unternehmer um eine viel weitreichendere Entschädigung um.
Durch die aufgehobene Verdienstentgangsregelung des Epidemiegesetzes 1950 fallen viele Unternehmer um eine viel weitreichendere Entschädigung um.
Mag. Johannes Stephan Schriefl
Das Epidemiegesetz 1950 sieht in § 32 vor, dass Unternehmern eine Vergütung für Verdienstentgang und Ersatz der Lohnkosten zu leisten ist, wenn durch eine Betriebsschließung der Erwerb verhindert wird. Auf Basis des COVID 19 Maßnahmengesetzes kann der Bundesminister für Gesundheit zur Verhinderung der Verbreitung von COVID 19 Viren durch Verordnungen das Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen, sowie von Freizeit- und Sportbetrieben untersagen. Allerdings: In einer versteckten Bestimmung zum Inkrafttretens des COVID 19 Maßnahmengesetzes wird geregelt, dass bei Erlass solcher Verordnungen die oben genannten Bestimmungen des Epidemiegesetzes nicht zur Anwendung gelangen.
So kam es dann auch: Die „Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID 19“ wurde erlassen und daher gelangen die Ersatzbestimmungen des § 32 Maßnahmengesetzes nicht zur Anwendung.
Was können Unternehmer tun?
Nach Aufhebung der Maßnahmen des COVID 19 Gesetzespakets können betroffene Unternehmer binnen 6 Wochen den entstandenen Verdienstentgang gemäß § 32 des Epidemiegesetz 1950 bei der Behörde (Bezirkshauptmannschaft, bzw. Magistrat) anmelden und Ersatz-Erstattung verlangen. Wird der Verdienstentgang nicht zugesprochen, wovon auszugehen sein wird, kann diese Entscheidung mittels Beschwerde bekämpft und bei erneuter Ablehnung deann der Verfassungsgerichtshof damit befasst werden. Klar ist allerdings: Diese Verfahren können Jahre dauern.
Ein weiterer Aspekt
Mit dem Betretungsverbot der Kundenbereiche von Dienstleistungs- und Handelsunternehmen, sowie von Freizeit – und Sportstätten werden durch die aktuellen Beschränkungen auf den Verkauf „lebensnotwendiger Güter“ vor allem kleine Unternehmen getroffen. Große Mischbetriebe, die großen Supermarkt-Ketten also, die neben Lebensmittel auch umfangreiches Non Food Sortiment anbieten, treiben somit – wohl unverschuldet, aber doch – kleine Unternehmer, die von solchen Waren leben in den Ruin. Das beste Beispiel sind Supermärkte, die Blumen verkaufen und Blumenhändler, deren Betrieb geschlossen wurden.
Zwar wird in den erläuternden Erklärungen dieser Maßnahmen die Solidarität der Unternehmer von Mischbetrieben gefordert, das eigene Sortiment nur auf wirklich lebensnotwendige Güter zu beschränken und „erforderliche Maßnahmen zu treffen, dass diese im Geschäft nicht gekauft werden“, also etwa Wände vor den entsprechenden Regalen aufbauen, so wie etwa die Supermärkte an den Bahnhöfen, die auch am Sonntag offen haben, bei Waren, die keinen „Reiseproviant“ darstellen.
Diese Erklärungen sind aber nicht rechtsverbindlich und sind bei Verstößen keine Sanktionen vorgesehen.
Betroffene Unternehmer, die ihre Geschäfte schließen mussten, da die Mischbetriebe die Geschäftspraxis fortsetzen, können daher etwaige Ansprüche auf Verdienstentgang nach dem UWG prüfen, da die unsolidarisch agierenden Mischbetriebe einen Wettbewerbsvorteil generieren.
Es ist daher Sache der WKO und des Gesetzgebers, rasch Lösungen zu finden, was freilich nciht einfach ist. Denn es kann natürlich nicht Sinn der Sache sein kann, den Mischbetrieben den Verkauf dieser Waren zu verbieten, weil darunter alle Konsumenten leiden. Vielmehr müssen Maßnahmen getroffen werden, um den kleinen Unternehmen so bald wie möglich wieder den Betrieb zu ermöglichen. Immerhin ist es auch im Bauwesen den Sozialpartnern gelungen, Handlungsanweisungen auszuarbeiten, damit die Baubranche nicht zum Erliegen kommt.