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So sieht die Jugend den Corona-Stress

Das Leben hat sich durch die Corona-Maßnahmen geändert. Das gilt für Pensionisten genauso wie für Kindergartenkinder – und für alle dazwischen. Eine Studie von Marketagent und DocLX, durchgeführt mit 3.811 Teilnehmern zwischen 14 und 24 Jahren, zeigt nun, wie die Jugend mit diesem neuen Leben umgeht und was sie davon hält. Teilen unsere beiden Jungredakteure Maximilia Barcelli und Jakob Stantejsky diese Einschätzungen?

Text: Leisure Pressemitteilung, Maximilian Barcelli, Jakob Stantejsky / Foto: Getty Images

Österreichs Jugend unterstützt die strengen Maßnahmen der Bundesregierung
94,3 Prozent der jungen Österreicher nehmen die aktuelle Lage in Österreich durch die COVID-19-Pandemie ernst. Nur ein Prozent sieht die Bedrohung durch das Virus als nicht ernst an. Sorgen machen sich die jungen Menschen vor allem um die Ansteckung von Familienmitgliedern (69,6 Prozent), die teilweise zur Risikogruppe zählen, und Freunden (32,5 Prozent). Die eigene Ansteckung macht nur 20,2 Prozent Sorgen. Der Arbeit der österreichischen Bundesregierung stellen 93 Prozent ein gutes Zeugnis aus und halten sie für kompetent. Dementsprechend hoch ist auch die Zustimmung zu den Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie: 95,6 Prozent der Befragten begrüßen sie, wobei die Zustimmung bei jungen Frauen noch etwas höher ausfällt. 80,8 Prozent geben an, gut oder sogar sehr gut mit der Situation zurechtzukommen. Nur knapp jeder Fünfte kann sich mit der neuen Normalität noch nicht so wirklich anfreunden. Trotzdem sind 96,7 Prozent bereit, die Maßnahmen einzuhalten. Auch hier ist die Zustimmung bei jungen Frauen etwas höher: 72,8 Prozent der Frauen sind voll und ganz bereit, die Maßnahmen einzuhalten; unter den Männern sind es 63,2 Prozent.

Maximilian: Sehe ich genauso. Mein Umfeld und ich nehmen die Pandemie ernst, man bleibt zuhause, feiert keine Corona-Partys, sondern besäuft sich halt gepflegt via Videokonferenz. Drei Kollegen, die zusammenleben, nehmen regelmäßig bei Pub-Quizze teil und battlen sich mit anderen WGs. Damit die übrig gebliebenen Gehirnzellen in Schuss bleiben. Dass sich nur jeder Fünfte mit der „neuen Normalität“ anfreunden kann, die, wie Peter Filzmaier richtig anmerkte, alles andere als normal ist, kann ich subjektiv ebenso bestätigen. Nur dass 93 Prozent die Regierung für kompetent halten, sehe ich so nicht. Zwar ist mir auch nichts Gegenteiliges zu Ohren gekommen, doch meiner Erfahrung nach sind es vor allem ältere Menschen, die der Bundesregierung ein übermäßig gutes Zeugnis ausstellen – und insbesondere für Kanzler Kurz schwärmen.

Jakob: Ich muss zugeben, was die oben genannten Zahlen angeht, scheine ich ein echter Normie zu sein. Ich teile die Zustimmung zu den Maßnahmen und dem Vorgehen der Regierung, was die gesundheitliche Seite angeht. Denn: Es funktioniert ja ganz offensichtlich. In wirtschaftlicher Hinsicht kann ich manche Vorgehensweisen nicht gar so sehr gutheißen, und mit verfassungstechnisch heiklen Gesetzen sollte definitiv nicht so salopp umgegangen werden, wie das derzeit teilweise der Fall ist. Aber auch ich und Freunde in meinem Alter kommen eigentlich super zurecht mit der Quarantäne. Einziger Widerspruch: Ich kenne tatsächlich mehr Frauen, die die Ausgangsbeschränkung nicht gar so ernst nehmen, als Männer.


Solidarität ist wichtig im Team Österreich
84,4 Prozent befolgen die Maßnahmen, um andere Menschen, vor allem ältere Generationen und Risikogruppen, zu schützen. 80,8 Prozent tun es, um die eigene Familie zu schützen. Die Zustimmung ist stark von Hoffnung getragen: 78,3 Prozent sind überzeugt, dass der Zusammenhalt im Team Österreich zu einem raschen Ende der Maßnahmen führt. Die drohende Überlastung des Gesundheitssystems stellt für 71,2 Prozent einen Grund zur Einhaltung der Maßnahmen dar und 53,9 Prozent erachten Solidarität als gesellschaftlich wichtig.

Die Regeln werden eingehalten. 71,1 Prozent gehen zum Einkaufen außer Haus, 66,5 Prozent für Bewegung an der frischen Luft, 39,5 Prozent für sportliche Aktivitäten und 27 Prozent, um Besorgungen für andere Menschen zu erledigen. Home-Schooling scheint sehr gut zu funktionieren. Nur 1,8 Prozent verlassen die eigenen vier Wände, um Unterlagen für die Schule oder Universität auszutauschen.

Maximilian: Also dass „nur“ 71,2 Prozent der Befragten die Maßnahmen befolgen, um eine Belastung des Gesundheitssystems abzuwenden, erschließt sich mir nicht ganz. Schon klar, in erster Linie sind die Gedanken immer bei den eigenen Freunden und Familie, aber ist die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems nicht der Hauptgrund, warum dieser massive Eingriff ins Leben überhaupt ergriffen wurde? Und Solidarität? Der würde ich mehr Gewicht in der Gesellschaft zusprechen. Ohne Solidarität zu den Menschen, die das Corona-Virus besonders gefährdet – wären wir dann überhaupt so diszipliniert?

Jakob: Zusammenhalt und Solidarität sind in dieser Situation meiner Meinung nach noch essentieller, als es in der Studie angegeben wird. 53,9 Prozent empfinde ich da sogar als erschreckend niedrige Zahl. Andererseits bestätigt sie auch, was ich schon mehrmals vermutet habe: Ohne die strikten Regeln und Verordnungen gäbe es auch in meinem Alter zu viele, die das Ganze zu locker nehmen würden. Im Idealfall würde der gesunde Menschenverstand die Regeln diktieren, aber der scheint nicht in jedem Kopf zu hundert Prozent anwesend zu sein.


Junge Österreicher vermissen persönlichen Kontakt und Partys
Im neuen Alltag vermissen 82 Prozent der jungen Österreicher den persönlichen Kontakt mit Freunden und 62 Prozent Partys und Festivitäten. 41,1 Prozent bedauern, derzeit keine Reisen und Ausflüge machen zu können. Der reale Schul- und Universitätsalltag geht nur 34,7 Prozent der Umfrageteilnehmer ab. Konzerte oder Festivals vermissen 22,1 Prozent, 20,4 Prozent fehlt das Treffen mit dem eigenen Partner und 15,6 Prozent der Theater- oder Kinobesuch.

Maximilian: Ein Aperol Spritz am venezianischen Campo San Giacomo dall’Orio, ein kaltes Pilsner Urquell in der Prager Karlova oder ein Flying Hirsch im Kitzloch in Ischgl (Zu makaber? Na gut … ) – Reisen fehlt mir fast am allermeisten. Und Party machen. Eine erfolgreiche Woche auch mal wieder mit einer erfolgreichen Bar-Tour abschließen. Beides geht aber vor allem deshalb ab, weil der persönliche soziale Kontakt mit Freunden mit keiner noch so ausufernden Videokonferenz ersetzt werden kann. Warum Theater, Kino oder Festivals nicht ganz oben mitspielen, liegt auf der Hand: Es handelt sich für die Meisten um punktuelle Ereignisse. Regelmäßiges, wie ein Bier mit Freunden zischen oder mit der Partnerin essen gehen vermisst man eben schneller.

Jakob: Würde ich gerne Freunde treffen? Überhaupt keine Frage! Vor allem Aktivitäten wie Fußballspielen, Kino etc. gehen mir extrem ab. Da ich sowieso nicht der wilde Partytiger bin, ist das jetzt nicht gar so sehr mein Problem. Aber einen gemütlichen Abend in einer Bar mit einer netten Truppe würde ich schon ganz gerne mal wieder verbringen. Wenn man den Schulalltag in meinem Fall mit dem Arbeitsalltag ersetzt, kann ich mich der Mehrheit anschließen. Homeoffice funktioniert super und unnötig verschwendete Zeit wie den Arbeitsweg kann ich jetzt viel besser nutzen. Kurz gesagt: In puncto Freizeit nervt Corona, im Arbeitsleben habe ich kein Problem damit.


Die guten Seiten der COVID-19-Maßnahmen
Der neuen Lebenssituation können junge Menschen auch positive Seiten abgewinnen: 72,2 Prozent stellen eine Erholung der Umwelt fest, 40 Prozent freuen sich über saubere Luft und 35,9 Prozent sehen die Konzentration auf das Wesentliche als Vorteil der Ausnahmesituation. 33,7 Prozent genießen es, mehr Zeit für die Familie zu haben. 28,6 Prozent sehen eine wachsende Solidarität in der Gesellschaft und 26 Prozent schätzen die Entschleunigung des Alltags. 23,7 Prozent sprechen sogar von einem sinkenden Konsumwahn und 23,2 Prozent verspüren weniger Freizeitstress.

Maximilian: Freilich, die Bilder von Delfinen in Venedig oder einem strahlend blauen Himmel in neu Delhi mögen schon aufheitern. Für mich persönlich liegen die positiven Seiten der Corona-Krise vor allem in der Entschleunigung des Alltags. Man sollte jedoch versuchen, nicht allzu zynisch zu klingen, wenn man über die Vorteile der Pandemie spricht. Immerhin gibt es aktuell viele Menschen, die nicht in einer so komfortablen Home-Office-Situation sind wie ich, sondern die um ihre Existenz fürchten. Da helfen auch keine Delfine. Aber vielleicht Katzen. Katzen helfen eigentlich immer.

Jakob: Wie nur rund ein Viertel der Befragten weniger Stress in allen Belangen empfinden kann, verwundert mich doch sehr. Gerade der entspanntere Tagesablauf stellt für mich gemeinsam mit der sich so rasch aufraffenden Umwelt das Beste am Corona-Lockdown dar. Ich merke ganz deutlich, wie unnötig vieles war. Der Blick in die Zukunft tut da ein bisschen weh. Denn ich befürchte, dass die depperte Business-Herumfliegerei für Eintagestermine und die Sucht nach noch mehr, noch schneller wieder eskalieren.


Digitalisierung prägt die neue Normalität
Kontakt zu Freunden halten die jungen Österreicher vorwiegend über Messenger und soziale Netzwerke: WhatsApp wird von 94,1 Prozent genutzt, Instagram von 73,5 Prozent und Snapchat von 71,1 Prozent. Immerhin 52,8 Prozent greifen gerne zum Hörer und telefonieren, wobei Frauen diesen Kommunikationskanal intensiver nutzen. Auch Business-Plattformen wie Skype oder Microsoft Teams werden von rund einem Viertel der Befragten für die digitale Kommunikation mit Freunden genutzt. Die Plattform Zoom wird jedoch nur von neun Prozent der Befragten zum privaten Austausch genutzt. Auch das medial viel diskutierte TikTok spielt mit einer Nutzung von 6,5 Prozent eine untergeordnete Rolle.

Maximilian: Keine Frage, Digitalisierung wird, das zeigen ja auch diese Zahlen, weiterhin eine sich vergrößernde Rolle spielen. Mir hat der Lockdown allerdings gezeigt, dass Digitalisierung zwar vieles effizienter gestalten kann, doch das gilt nur für den Berufsalltag. Was das Sozialleben angeht, soviel sei gesagt: Mir fehlt das Geräusch von zwei aneinanderstoßenden Krügerl Bier.

Jakob: Whatsapp ist superwichtig für meine Kontaktpflege. Sonst bin ich auf Social Media nonexistent bis inaktiv, ich kompensiere den fehlenden persönlichen Kontakt also nicht mit Follows und Insta-Stalking. Das klassische Telefonat mit Familienmitgliedern und Freunden erlebt bei mir eine Wiederauferstehung und macht echt viel Spaß. Dafür nimmt sich halt sonst niemand Zeit, wenn alle ständig von A nach B hetzen. Auch supercool: Online mit Freunden zocken! Da wird gelacht, geplaudert und sich gegenseitig gepflanzt – fast als säße man sich gegenüber. Arbeitsmeetings per Videokonferenz funktionieren super und lassen mühsam arrangierte Meetings in persona noch unnötiger erscheinen.