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Erika Lust – „Pornhub wird immer unsere Arbeit stehlen.“

Habituelle User werden es bemerkt haben: Pornhub präsentiert sich seit Neuestem in gesäubertem Zustand. Haben die Betreiber der Website plötzlich ihr Gewissen entdeckt? Aber wo, meint die famose Indie-Produzentin Erika Lust. Der WIENER sprach mit ihr.

Fotos: Erika Lust

Pornhub neu, das ist erweiterte Moderation, neue Richtlinien für Content-Uploads – erlaubt nur noch für verifizierte User. Effekt unter anderem: „Das Angebot schrumpfte von bislang 13,4 Millionen Videos auf 2,9 Millionen“, sagt Erika Lust. Getriggert wurde die Säuberungs-Aktion von einer „New York Times“-Story mit Titel „The Children of Pornhub“. (1) Thema waren die unzähligen illegalen Brutalvideos und Kinderpornos, die ungehindert und, klar, ohne Zustimmung der Akteure auf die Webseite gelangten. Autor Nicholas Kristof sprach mit Opfern dieser Videos. Klare Fälle von Sex Trafficking, resümierte er, um sich abschließend zu wundern: „Wenn PayPal die Kooperation mit Pornhub verweigern kann, warum nicht Mastercard und Visa?“ Klingt vordergründig einleuchtend und ist eigentlich Wasser auf die Mühlen der Sexworker, oder? Dazu Erika: „Wir sprechen schon seit Jahren über die von Pornhub betriebene Ausbeutung, aber niemand hat zugehört. Der Content ist ihnen egal. Vergangenes Jahr gab es den ‚Girls Do Porn‘-Fall. Obwohl 22 Frauen die ‚Girls Do Porn‘-Macher vor Gericht zitierten, weigerte sich Pornhub zunächst, die Videos, die ohne ihren Konsens veröffentlicht wurden, von der Plattform zu nehmen. Das geschah erst, als ‚Girls Do Porn‘ wegen Sex Trafficking angeklagt wurde.“ Weiteres Problem: der Autor Nicholas Kristof. „Die ganze Branche der Sexworker misstraut ihm, zu Recht. Er hat Anti-Porno-Verbindungen und diese Methode, Porno mit Sex Trafficking zu verschmelzen.“ Und breitet sich der Geruch von Sex Trafficking aus, sind die Konsequenzen harsch. Tatsächlich gaben Visa und Mastercard kurz nach Veröffentlichung von Kristofs Story bekannt, dass ihre Karten nicht mehr für Pornhub verwendet werden dürfen. Ein Hammer, weniger für Pornhub, sondern vielmehr für die Sexworker: „Die Entscheidung der Kreditfirmen schadet Pornhub nicht, die werden weiterhin Geld mit unserer gestohlenen Arbeit machen. Die Entscheidung schadet den Sexworker, die noch immer von bezahltem Content auf Pornhub leben“ (Erika).

Wer nach Gründen sucht, warum Bitcoin derzeit so abhebt – wie wär’s damit: Pornhub stieg auf Kryptowährung um. Ihre Elternfirma Mindgeek aber betreibt über hundert Webseiten, wo gestohlener Content gratis angeboten wird, sowie eigene Produktionsfirmen. „Wenn sich Sexworker über den Diebstahl aufregen, kommen sie auf die schwarze Liste und werden von den Produzenten nicht mehr engagiert“ (Erika). Weder Pornhub noch Mastercard und Visa scheren sich um Rape-Videos oder Piraterie, sagt Erika Lust, man säuberte nur aus Angst vor negativer Publicity. Aber ins Gras beißen die Sexworker. Ms. Lusts Plädoyer: Finde Akteure und Indie-Produzenten, egal, ob über Only Fans (2) oder deren persönliche Websites, und zahle für die geleistete Arbeit. Remember: Nie waren Sexworker so wertvoll wie anno Lockdown.

(1) The Children of Pornhub by Nicholas Kristof, https://www.nytimes.com/2020/12/04/opinion/sunday/pornhub-rape-trafficking.html
(2) onlyfans.com
Erika Lust: www.erikalust.com