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Rollenspiele. Der Mann ist die bessere Hausfrau

Hinter einer erfolgreichen Frau steht … mitunter ein Mann, der zuhause den Laden schmeißt. Vom Talent her sind Männer die besseren Hausfrauen, findet Manfred Sax.

Text: Manfred Sax, Fotos: Thomas Riess

Zum Beispiel Vitamin D. Wenn die Tage noch kurz sind und die Sonne fehlt, brauchst du Vitamin D. Gib noch Vitamin C dazu und ein paar andere übliche Verdächtige, check dir die Lebensmittel (Pilze, öligen Fisch, Eiweiß), mach daraus ein cooles Mahl, und du hast deinem Immunsystem einen Gefallen getan. Muss natürlich täglich sein, Vitamine halten nur einen Tag. Diese Dinge weißt du, wenn du der Koch im Haus bist und Kinder hast. Weil du nicht willst, dass sie in der Grippesaison mit Fieber zuhause im Bett liegen. Machten meine Boys nie. Mein Jüngster hat ein Zertifikat vom College, der eine Schüler mit 100%-iger Präsenz zu sein. Das kann natürlich viele Gründe haben, meine Gnädigste ist überzeugt, dass es andere Gründe hat. Aber du weißt es besser. Weil du mit Plan gearbeitet hast und ­dieser Plan aufging.

Aber gut, das war vor Corona. Vor Corona gab es auch den School-Run. Du hast den ­Nachwuchs zur Schule chauffiert und nachmittags abgeholt und während des Wartens mit den ­Co-­Eltern gefachsimpelt. Geschlechtlich gesehen eine ungleichgewichtige Sache, als der eine Mann unter Müttern. Thematisch nicht wirklich befriedigend. Du gesellst dich dazu, im Wohlgefühl des Stolzes, deinen Fischhändler endlich motiviert zu ­haben, auch Heringrogen zu organisieren, eine Delikatesse, wenn man weiß, wie damit umzugehen ist: Heringrogen, frisch von der benachbarten Isle of Wight, dazu Ingwer aus Indien, frischer Knoblauch und Minze aus dem britischen Hochland. Nach dem Anrösten ein Schuss Limonensaft, bietest du der bemüht interessiert blickenden Frauengruppe an (Vitamin C! Immunsystem!), dann mit Single Cream löschen. Unwiderstehlich, sagst du, da kommt man beim Essen. Apropos, meint dann eine, „habt ihr gewusst, dass zwei von drei Frauen beim Sex keinen Orgasmus haben?“ Das Thema Küche lässt meine Kolleginnen Hausfrauen eindeutig kalt.

Klar, dass es mit dem traditionellen Stigma zu tun hat. Abgesehen vom Planeten Porno, wo das Stichwort „Housewife“ großen Zuspruch genießt, ist mit dem ­Label „Hausfrau“ kein Staat zu ­machen. Hausarbeit passiert anonym, sie bringt keine Kohle, sie hat kein Prestige, sie wird mehrheitlich von Frauen gemacht, sie hat in Sachen Gleichberechtigung nichts an der Schürze. Und gerade in den 20 europäischen Ländern, die sich am lautesten für Gleichberechtigung stark machen, ist der Anteil der Hausmänner am geringsten. (1) Und spätestens im Pensionsalter wird klar, was man von der häufig gelobten, nur eben unentlohnten Hausarbeit hat: kein Geld für die Leistung, der Rest ist vom Brotgeber abhängig. Und von wegen Pay Gap: Wenn die Hausfrau klugerweise ohne „Prenup“ (Ehevertrag) in die Ehe ging, muss der Brotgeber im Scheidungsfall gesetzmäßig gehörig blechen. Der Hausmann genießt dieses Privileg nicht, jedenfalls in England. Er kann seinen Fall vor Gericht bringen und einen Präzedenzfall schaffen, das kann er. Die Frage ist, ob er sich das leisten kann.

EU-weit gibt es immerhin das berüchtigte Karenzjahr für den Mann „in touch“ mit seiner femininen Seite, der hängt sich dann das Baby an die Brust, macht davon Fotos und postet sie auf Facebook („Hey, seht her, ich bin ein Feminist!“), spult das Jahr ab und hat sein Scherflein geleistet. Schade. Tatsächlich ist es ja so, dass der Mann fürs Haushaltsmanagement wesentlich talentierter ist. Er hat mehr Liebe zum Detail, er kann Kochen zur Wissenschaft ­erhöhen. Möglich, dass Frauen im Lauf der Jahrzehnte frustrierter Hausfrauenschaft auf passiven Streik gingen, der Kochlöffel für sie ein Symbol für Ungleichheit ist. Aber es ist nicht so, dass der Haushalt den Mann verweiblicht, das mag für Frauenversteher gelten, die sich einen Fiat 500 zulegen, oder für Typen, die nun hobbystricken (2). Aber Haushalt bringt die Talente des Mannes simply besser zur Geltung.

Ich hab es schon mal skizziert: Es gibt männlich geladene und weiblich geladene Gehirne. Männer haben ein besseres Raumbewusstsein.(3) Das hilft auch der Systematik. Man nehme den Küchenraum, der hat beim Mann System, da hat alles vom Teller bis zum Pfefferstreuer seinen designierten Platz, er findet die Dinge blind. Das ist wichtig, es macht das Kochen geil. Wenn du Kinder hast und der Tisch beim Dinner voll besetzt ist, bedienst du drei Kochringe gleichzeitig und dazu noch ein Rohr. So ist das heute, jeder Mensch hat eine Macke, die Gnädigste ist neuerdings Vegetarierin, der Jüngste mag weder Spinat noch Muscheln, der andere muss Fleisch. Ich hab ­sogar eine Schwiegertochter, die Veganerin ist, aber außerdem an Gemüseallergie leidet. Darüber könnte man sich nun ärgern, oder man kocht auf Speed. Nur muss da jedes Ding auf seinem Platz sein. Ich lass die Gnädigste nicht einmal zum Abräumen in die ­Küche, sie stellt die Sachen immer anderswo hin. Das schafft logistische Konflikte; das System, wie gesagt. Apropos System. Unlängst lächelte sie den ganzen Abend, und ich wollte wissen, warum. Weil Boris auf BBC verlautete, sagte sie, dass eine gewisse Corona-Sache nun auf neuem System laufen werde. Ihrem System. ­Allerhand. Bin neugierig.

Überhaupt hat Corona unser Haus verdammt dynamisiert, jeder hat sein Büro. Das Büro der Gnädigsten liegt neben dem Badezimmer, die Wand dazwischen ist dünn, so krieg ich gelegentlich mit, was ein weiblich geladenes Gehirn leisten kann. Bekanntlich packen Frauen wesentlich mehr Wörter in einen Tag als Männer, laut Wissenschaft bis zu 24.000 kommunikative Signale. Viel zu tief angesetzt, meine ich. Wenn ich morgens im Bad liege, und nebenan wird mit Westminster gezoomt, ist die Hölle los. Beeindruckend. Derzeit ist in meinem Haus jede Person am richtigen Platz, die Gnädigste am Brennpunkt und ich in der Küche, dort ist gut schweigen. Ich könnte einiges erzählen, aber ich bin nicht lebensmüde.
Seit einem Vierteljahrhundert ist das so, von meiner Seite her ­logisch kalkuliert. Verdiente ich wenig, war ich verschuldet, verdiente ich viel, war ich hoch verschuldet. Was ich brauchte, war offenbar ein Job ohne Einkommen, zum Beispiel Hausmann. Der Rest ergab sich von selbst. Zuerst der Sprung vom guten Monatsgehalt zum freien Schreiberling. Dann der Umzug als Korrespondent in eine Gegend, wo nichts los ist. Aus Winchester gibt es nichts zu berichten, da wird sogar ein auf der Straße umgefahrenes Huhn zur Coverstory („Clarabella has gone!“). Perfekt.

Bei der Gnädigsten lief es umgekehrt. Früher, in Wien, war sie häuslich und brachte die ersten Kinder durch die Karenzjahre und dominierte die Küche, letzteres nicht ihre Stärke. Heute ist sie ein Big Cheese. War von Anfang an immer im Stress, was ihr kurioserweise blendend stand, von Tag zu Tag wurde sie jünger, was auch mit ihrer Schale zu tun hatte. Jeans und Schwabbelpulli hatten ausgedient wie überhaupt alles Bequeme und Figurversteckende, das sie früher immer trug, weil in einer Ehe ja ganz andere Werte zählen. Okay, das führte auch zu gewissen Alpha-Attitüden, im Auto mauserte ich zum Beifahrer, und wenn mal ein Pfosten den Blinker rammte (Raumbewusstsein!), dann war es nie ein Pfosten sondern immer ein „blöder Pfosten“. Nichtigkeiten, in Wahrheit.

Mein sozialer Lebensraum ­wurde bald ein beschränkter, im wesentlichen Supermärkte, und anfangs war auch mein Haushaltsbewusstsein etwas locker, wenn da im Supermarkt ein netter Minirock an der Tiefkühltruhe stand, gab es abends Fischstäbchen. Aber das änderte sich, mit der Zeit erkennt jeder Mann, dass Food der bessere Porno ist. Und wichtig wurde vor allem die Erziehung. Im Lauf der Jahre schwoll der Nachwuchs auf vier Söhne an. Ich kann offenbar nur Söhne. Ich hab zwar Theorien, wie man Töchter zeugt, einmal hab ich es sogar recherchiert, aber das zu posten, ist hier nicht der richtige Ort, der Chefredakteur hat nämlich zwei Töchter. Anyway, Söhne: Wahr ist auch, dass der Vater der bessere Erzieher von Söhnen ist, Muttersöhne gibt es schließlich mehr als genug. Und Hausmänner haben Zeit. Kurz: Ich machte den Fußballtrainer-Schein. Ich möchte mich hier nicht übermäßig brüsten, you know, aber bei allen Boys stehen heute Siegerpokale am ­Kaminsims. Just saying.

Bliebe der Sex. Zum Unterschied der Geschlechter existieren da ebenfalls ein paar Wahrheiten. Die Frau, zum Beispiel, wird niemals von ihrem Lifestyle runtergehen. Wenn sie einmal ein Haus gesehen hat und dachte, „na hallo, in diesem Haus würde ich mich ­gerne bumsen lassen“ (4), wird sie nie mehr freiwillig in einer mieseren Hütte Sex haben. Ein Mann wiederum geht vom Sex seiner Wahl nicht runter. Wer seine Kicks kennt, bleibt dabei. Zweitens aber verliert der Hausmann seinen Appeal. Er hat nichts zu erzählen; von gelegentlichen Tellerscherben abgesehen, passiert in der Küche nichts, das sie heiß machen könnte. Außerdem nimmt dank permanenter Kinderpräsenz auch sein Testosteronspiegel ab. Bei der Karrierefrau ist das Gegenteil der Fall, sie hätte viel zu erzählen, nur wird sie das unterlassen, sie ist ja nicht blöd. Allerdings hat der Mann im Schnitt einen 20-mal so hohen Testosteronpegel wie die Frau, im Idealfall könnte in Sachen Bedürfnis Harmonie entstehen. Und dem Hausmann möge auch im Sex immer bewusst sein, dass seine Rolle immer jene ist, die bedient. Dass ihr Schoß die Zunge liebt. Sie, die im Stress steht, hat es verdient.

Trotz Lockdowns sind die gemeinsamen Zeiten hier rar. Der Dresscode der Gnädigsten hat sich geändert – oben Mörderschale, unten Schwabbelhose, weil: Zoom. Gelegentlich trifft man sich, die Konversation dreht sich dann um die Zukunft, irgendwann werden die Zeiten ja wohl wieder sozial. Thema können etwa Fragen der Wartung sein, was gelegentlich für Konflikte sorgt. „Ich brauche einen Zahnarzt für neue Implantate“, sag ich etwa, darauf sie: „Ich brauche einen Schönheitschirurgen für neue Titten“ – „Gibts dafür nicht den Wonderbra?“ – „Für Zähne gibt es auch ein Gebiss. – und so weiter. Geldfragen also. Nicht die Stärke des Hausmanns. Aber ein vorbildlicher Küchen­könig kann darauf vertrauen, dass die Alphafrau kompromissbereit ist. Dass etwa das Thema Wartung erweitert wird und die Erkenntnis reift, dass auch das Haus reparaturbedürftig ist. Dann gibt es weder Boob Job noch Implantate. Stattdessen kommt ein Klempner ins Haus. Irgendwann, wenn die Zeiten wieder normal sind.

(1) Judith Treas, Tsuio Tai: Gender Inequality in Housework Across 20 European Nations, Manchester University Press 2016.
(2) www.theguardian.com/fashion/2021/feb/04/when-i-tell-people-they-might-laugh-george-clooney-and-the-men-who-sew
(3) W429. Die nackte Wahrheit: wiener-online.at/2018/06/26/die-nackte-wahrheit-warum-frau-und-mann-einander-nie-verstehen-werden
(4) Copyright: Chris Rock