ACTION

Wider die Kälte

Baden im Eiswasser: eines der Dinge, die man zumindest einmal im Leben probiert haben sollte.

Text: Thomas Bruckner / Fotos: Josef Chr. Mader

Eisbaden liegt voll im Trend. Allerorts stürzen sich mittlerweile Menschen in eiskalte Gewässer, und das im Winter. Der Niederländer Wim Hof hat diesen Trend maßgeblich befeuert. Mittels spezieller Atemtechnik schafft er knapp zwei Stunden sitzend in ­einem Eisbad – Weltrekord. Studien belegen, dass regelmäßige Konfrontation mit Kälte den Organismus stimuliert. Der Stoffwechsel wird aktiviert, der Kreislauf trainiert, die Durchblutung gefördert.

Der Test
Nachdem ich weder an Herz-Kreislauf- noch an Gefäßerkrankungen leide, spricht nichts gegen ein Bad bei Minustemperaturen. Zwei Minuten im Eiswasser verharren lautet mein Ziel. Ich will es versuchen, ohne spezielle Atemtechnik, ohne Instruktionen, einfach so, letztlich geht’s ja schlicht um Überwindung. Der See ruht vor mir. Eine dünne Eisschicht überzieht ihn. „Rein mit dir“, sagt der Fotograf, und dass Zeit Geld ist. Ich stecke also mal meine Zehen ins Wasser und verfluche sogleich mein Vorhaben. Zaudern bringt nichts, weiß ich sogleich, zügig rein ohne viel denken, das ist der Plan. „Ich bin ein Roboter“, denke ich also. „Ein Terminator.“ Und steige in den See hinein. Knie unter Wasser, Hüfte, Bauch, Brust, Schultern – bis auf den Kopf stecke ich jetzt im eiskalten Nass. Mein Körper zieht sich zusammen. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Ich spüre meine Hände nicht mehr, dann die Arme, jetzt haben sich auch noch meine Unterschenkel abgemeldet. Und meine Haut, mein Gott, wie sieht die denn aus? Blutleer und weiß, wie die einer Leiche. „Halbzeit, eine Minute geschafft“, sagt da der Fotograf. Und siehe da, mein Körper beginnt, sich plötzlich freier anzufühlen. Ich schwebe im Wasser. Mir wird warm ums Herz. „Geht ja“, denke ich, „gar nicht so schlimm. Alles gut, auch mit fahlem Hautteint und ohne Gefühl in Armen und Beinen.“ Nach zwei Minuten bin ich trotzdem wieder draußen. Eiskristalle auf meiner Haut, meine Extremitäten spüre ich noch länger nicht. Während ich Tee trinke, schüttelt es mich wie Espenlaub. Nach einer Stunde fühle ich mich aber frisch, aktiv und happy. Ob ich es wieder tun werde? Aus heutiger Sicht: ja, aber mal schauen, wann mich der innere Schweinehund wieder von der Leine lässt. Denn Kaltbaden verlangt Überwindung, nicht nur beim ersten, sondern jedes einzelne Mal. Vielleicht liegt genau darin der Reiz.

Fakten
Aufgrund der Kälte konzentriert sich der Körper anfangs auf die lebenswichtigen Organe wie Herz, Leber, Lunge, Nieren und Gehirn und reduziert den Blutfluss zu den weniger wichtigen Körperteilen wie den Armen, Beinen und Haut. Nach etwa einer Minute setzt der Körper
aufgrund des kalten Wassers Adrenalin und Endorphine frei, Hormone, die für unsere Glücksgefühle zuständig sind. Kopf bleibt über Wasser. Luft nicht anhalten.

Bewertung
Schwierigkeitsstufe: 3
Passt für: jeden, der sich mal wieder richtig spüren will
Hände weg: Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Gefäßerkrankungen

Thomas Bruckner
Der gebürtige Niederösterreicher war in den 90ern Snowboard-Pro und erreichte im Weltcup Topplatzierungen. Nach dem Karriereende verlegte er sich auf das Testen von alternativen Sportgeräten.