Meinung
Black Mirror
Immer mehr Funktionen im Auto werden in den Tiefen des Infotainmentsystems untergebracht. Und das lässt sich wiederum immer häufiger nur noch über Touchbefehle bedienen. Tesla etwa treibt das bereits seit Jahren auf die Spitze, in Model 3 und Y gibt es nicht einmal einen Tacho. Nicht minder radikal der neuerdings präsentierte „Hyperscreen“ von Mercedes, der in der elektrischen Luxuslimousine EQS zum Einsatz kommen wird: eine 141 Zentimeter breite Armatur, auf der drei Screens mit einer Gesamtfläche von 2.432,11 cm² optisch nahtlos zu einer Einheit verschmelzen. Das sind satte 0,000034 Fußballfelder, um es zu veranschaulichen.
Auf emotionaler Ebene kann man das Verschwinden von externen Bedienelementen und den Wachstumsschub der Bildschirme diskutieren. Darüber, ob ein Display von der Größe einer IMAX-Leinwand im Auto voll fancy, on fleek und selbstverständlich mega nice ist, oder vielleicht doch seelenlos. Rational spricht hingegen fast alles dagegen. Etwa die Verkehrssicherheit: Wer einen Anruf direkt am Smartphone ablehnt, macht sich strafbar. Wer in die Aristides-de-Sousa-Mendes-Promenade in Transdanubien möchte, darf das de jure ins Navigationssystem eintippen. Die Sprachsteuerung wird da eher wenig Abhilfe schaffen.
Auch nicht so amüsant: ein Totalabsturz der Software. Erst letztens geschehen. Ins Auto gestiegen, Motor gestartet, mehr ist dann aber nicht hochgefahren. Parkassistenz samt Kamera, Navigation, Radio: rien ne va plus, nichts ging mehr. Fair enough, ein Dreh-Drück-Regler hätte da wenig weitergeholfen. Ein eigenes Modul zur Bedienung der – grundsätzlich voll funktionsfähigen – Klimaanlage und der Sitzheizung aber schon. Weil aber selbst das im konkreten Fahrzeug nur noch über den Touchscreen erreicht werden konnte, wartete das Temperieren des Innenraums mit der Willkür einer Roulettekugel auf, und der Popsch der Freundin blieb eisig – und mit ihm ihre Stimmung. Da ist dann der lässige Blick durch die Heckscheibe samt fachgerecht an der Kopfstütze der Beifahrerin platzierter Hand nur ein schwacher Trost. Und für sie sowieso: gar keiner.
Maximilian Barcelli
ist Testchef bei motorblock.at und der vielleicht einzige Bewohner Wien Neubaus, der sich an einem durch die Begegnungszone schleichenden Sportwagen erfreuen kann.