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Life is strange: True ­Colors: Teenager­drama, vollinklusiv

Markus Höller

Mit dem neuesten Teil der Teenager-Saga „Life is Strange“ mausert sich die Reihe im sechsten Jahr ­ihres Bestehens weiter. Der para­normale Faktor rückt noch mehr in den Vordergrund, die Charaktere werden noch diverser.

Text: Markus Höller / Fotos: Hersteller

Eine wichtige Information vorab: wiewohl „Life Is Strange: True Colors“ auch solitär gut spielbar ist und keine zwingenden Vorkenntnisse der vorangegangenen Teile „Life is Strange“, „Life is Strange: Before the Storm“ und „Life is Strange 2“ erfordert, lohnt sich das Durchspielen in genau dieser Reihenfolge. Warum? Weil sich immer wieder Personen und Elemente der grundsätzlich zusammenhängenden Handlung finden und so ein noch tieferes Eintauchen in die Köpfe der Protagonisten ermöglicht. Praktischerweise erscheint zeitgleich mit dem plattformübergreifenden Release von „True Colors“ auch die lange erwartete Remastered Collection mit den ersten beiden Teilen, somit ist ein zeitgemäßes komplettes Durchspielen aller Teile möglich und auch ratsam. Ende der Durchsage.

„Life Is Strange: True Colors“ setzt sich mit dem Erwachsenwerden der jungen asiatisch-amerikanischen Alex Chen auseinander. Die Backstory ist eher trüb: Pflegefamilie, schwierige Kindheit, von ihrem Bruder getrennt. Mit diesem feiert sie nach acht Jahren ein Wiedersehen, dieses ist jedoch nur von kurzer Dauer. Alex‘ übersinnliche Empathie-Kräfte helfen ihr fortan dabei, die Geheimnisse um ihre Familie und ihre eigene Superkraft zu lüften. Ein nicht ganz neuer Ansatz, da er den Faden in etwa da aufnimmt, wo „Life is Strange 2“ schon mit dem jüngeren Protagonisten Daniel im parapsychologischen Teich fischte. Die Weiterentwicklung von rohen telekinetischen Kräften eines Jungen zu den empathischen Aura-Empfindungen einer jungen Frau zeigt aber, dass die Spielserie versucht, erwachsen zu werden. Und mit dem beim Release des ersten Teils vielleicht noch in der Pflichtschule befindlichen Publikum mitwächst, schlag‘ nach bei Harry Potter. Und vor allem: inklusiv wird. Waren in den vorigen Teilen noch weiße Girlies und halb-hispanische Jungs in der Hauptrolle, wendet man sich nun der asiatischen Gemeinde zu. Eh gut gemeint, auch wenn immer ein wenig Queerness in der Luft hängt, aber nach sechs Jahren und vier Spielen hätte sich der Dontnod Entertainment nachfolgende neue Entwickler Deck Nine oder Publisher Square Enix auch ruhig über eine schwarze Hauptrolle drübertrauen können, just my 2 cent.

Jedenfalls bringt dieser neueste Teil nicht nur das bekannte System aus zu treffenden sozialen Entscheidungen, die den restlichen Spielverlauf beeinflussen, auf ein neues Niveau. Auch das schon lange überfällige Aufmotzen der Grafik auf eine akzeptable, wenn auch bewusst simple Optik verbessert die Spielerfahrung im Vergleich zu den Vorgängern erheblich. Auf gleichbleibend extrem hohem Niveau ist weiterhin der Soundtrack, der wieder sehr sorgsam kuratiert wurde und die unterschiedlichen Spielabschnitte perfekt untermalt. Sogar eine Coverversion des Dauerbrenners „Creep“ von Radiohead, gesungen von der Youtuberin mxmtoon aka Maia, die auch die Singstimme der Titelheldin gibt, findet sich in der Tracklist.

Alles in Allem ist der neueste Teil von „Life is Strange“ also ein wenig von den ewigen Teenagerproblemen (was auch für ältere Zocker oder Eltern interessante Perspektiven eröffnete) abgerückt. Dafür sind jetzt wesentlich erwachsenere, schwerwiegendere Themen im Vordergrund, die Grundmotive – Verlustangst, Zukunftssorgen, seelischer Ballast – bleiben die gleichen. Mit einer Gameplay-Dauer von 14-20 Stunden, je nach Ehrgeiz, bietet „Life Is Strange: True Colors“ ungefähr den gleichen Umfang wie seine Vorgänger, die aber zusammen auf gut 50 Stunden kommen. Wer also die eingangs erwähnte Remastered Collection plus „Life is Strange 2“ noch vorher einschieben möchte, sollte sich ab 10. September nicht viel anderes vornehmen…

Life is Strange: True Colors
Entwickler: Deck Nine
Publisher: Square Enix
Erscheint für: PC, Xbox One, Xbox Series X/S, PS4, PS5, Stadia, Switch
Engine: Unreal Engine 4
Spieler: Singleplayer