Motor

Zurück im Spiel

Gregor Josel

Mit der neuen Speed Triple RS hat Triumph seine Ober-Individualistin nun gründlich nachgeschärft, auf dass man mit der reschen Britin künftig wieder den diversen Naked-Bikes aus Fernost und sonstwo auf den Pelz rücken kann. Zeit wurde es.

Text: Gregor Josel / Fotos: Werk

Die erste Speed Triple erschien 1994. Ihr Name wurde in Anlehnung an die Speed Twin von 1938 gewählt, technisch basierte sie auf der Daytona 900, hatte jedoch keine Front- und Seitenverkleidung und anstatt des Doppel- einen einzelnen, runden Frontscheinwerfer. Ihren 885 cm³ großen Dreizylinder-Vergasermotor teilte sie sich mit Modellen wie Trident, Thunderbird und Daytona. 1997 erschien die zweite Generation der Speed Triple, die T509. Sie war die erste Speed Triple mit dem charakteristischen zweiten Frontscheinwerfer, der das Modell bis heute prägt und unverwechselbar macht. Speed Triples waren und sind etwas für Individualisten, für Menschen, die jene ganz besondere Art brachialen Understatements mögen. Die zwar gerne im Mittelpunkt stehen, aber auf keinen Fall mit der Masse schwimmen wollen. Dies gelang mit der Speedy auch schon bislang eindrucksvoll, doch speziell in den letzten Jahren hat die Konkurrenz, sofern es eine für die Speed Triple gibt, nicht geschlafen und die Naked Bike-Klasse mit zahlreichen Hyper-Naked-Versionen aufgeladen, die in Performance, Leistung und Design durchaus mitspielten. Zwar war die Speed Triple bislang mit ihren 150PS aus dem 1050ccm großen Dreizylinder auch nicht grade untermotorisiert, doch für 2021 wurde es wohl Zeit, der Speedy ein umfangreiches Update zu verpassen und sie fit für den Konkurrenzkampf jenseits der 150PS Klasse zu machen.

Triumph lässt bei der neuen Speed Triple 1200 RS wahrlich keinen Stein auf dem anderen. Der neue Motor hat bis auf die Zylinderzahl nichts mit dem bekannten und bewährten 1050er gemeinsam. Aus den nunmehr 1160 Kubik saugt der Antriebsstrang jetzt brachiale 180 PS und 125 Nm Drehmoment. Dank Dreizylinder-Motor wirkt diese Leistungssteigerung gleich umfangreicher, als bei einem Vierzylinder und so spielt die neue Speedy nicht bloß den Nebendarsteller in der Liga der außergewöhnlichen Hyper-Naked Bikes, sie will ganz nach vorne in die erste Reihe, was ihr auch auf Anhieb gelingt. Dank neuer Motorstruktur und den nun tiefer verlaufenden Endtöpfen verlagert sich auch der Schwerpunkt weiter nach vorne und unten, was wiederum dem Handling zuträglich ist. In Kombination mit einem ebenfalls satten Gewichtsverlust von 10 kg auf fahrfertige 197 bringt die neue Speed Triple RS die Fahrdynamik auf ein neues Niveau, das sich ganz deutlich von der bisherigen Speed Triple unterscheidet. Sie ist wesentlich stabiler, laufruhiger und letztlich auch etwas kurvenfreudiger als zuletzt, das leicht hecklastige Gefühl der 1050er hat sie ebenfalls abgestreift und wildert dank dieser Verbesserungen nun deutlich agiler über Berg und durch Tal. Dank des massiven Anreissens des bärenstarken Dreizylinders macht man nun auch am Kurvenausgang keine Verluste mehr.

Die bereits seit 2010 immer gefälliger und aggressiver wirkenden Doppelscheinwerfer sind in der neuen Speed Triple 1200 RS endgültig zu messerscharfen LED-Augen mit dominanten Tagfahrlichtern geworden. Der neue, leichtere Rahmen und die neue, schmalere Heckpartie aus Aluguss mit sehr schlankem Höcker bedingen auch eine neue Tankform, die nun zum Sitz hin etwas länger und schlanker ausläuft. Die starke Taillierung der alten RS fällt also gänzlich weg, die Zeiten des etwas pummelig ausgefallenen Hecks sind vorbei. Natürlich hat Triumph die neue Speedy auch mit zahlreichen elektronischen Neuerungen ausgestattet. Zentraler Bestandteil der elektronischen Neugestaltung ist natürlich das ultrafeine neue TFT Display, das zwei verschiedene Grundanzeigen bietet. Eine umfangreiche für den Alltag und den Ausflug und eine reduzierte Anzeige, für die Rennstrecke oder um auch auf der Landstraße aufs Wesentlichste fokussieren zu können. Laptimer ist Serie, ebenso wie die fünf Fahrmodi, wovon einer frei konfigurierbar ist.

An diese Modi in ihrer Regelschwelle angepasst ist das volle Programm an fahraktiven, schräglagenabhängigen Sicherheitssystemen. Das neue MIB Evo-System von Continental umfasst ein Kurven-ABS, schräglagensensible Traktionskontrolle, Wheelie-Control und eine den Mappings angepasste gesteuerte Motorbremse. Weiterhin ist ein Quickshifter mit Blipper an Bord. Auch das My-Triumph-Connectivity-System ist ab Werk fix verbaut. Über dieses kann mittels App das Smartphone gekoppelt werden, womit das Bike als Bluetooth-Hub für Kommunikationssysteme oder als geklonte Anzeige für das Navi genutzt werden kann. Wobei mir persönlich es ja auf immer und ewig rätselhaft oder gar obsolet erscheint, auf einem sportlichen Motorrad unbedingt auch noch ein Liedchen im Ohr haben zu müssen. Wo doch letztlich schon der sonore Dreizylinder Sound der Triumph Speed Triple RS fast so herrlich gegen das Trommelfell drückt, wie die Kontrabass-Sektion des Orchesters im 2/4 Takt der Toreador-Arie in Bizets Carmen, wenn der Chor „Auf in den Kampf Torrehehehero“ anstimmt. Aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und so wird die Speed Triple RS wohl Klassik-, wie auch Schlager- oder Folk-Fans gleichermaßen ansprechen sollen. Was ihr nebst aller technischer Raffinesse ebenfalls bleibt, ist ihre englische Untouchable-Attitüde. Einzig muss der Lord sich morgens vor der Abfahrt fragen, ob er heute lieber im Freizeit-Tweed oder im Rennleder dem gepflegten Ausritt fröhnt, denn die Speedy kann beides.

Dass es all das nicht geschenkt gibt, ist auch klar, allerdings ist der Einstiegspreis in die Speed Triple RS-Welt mit 20.500 Euro angesichts der Ausstattung und Performance gar nicht unverschämt, sondern eigentlich sogar recht konkurrenzfähig. Well done, auch die Queen wäre in diesem Fall very amused, würde sie (noch) Motorrad fahren.

Triumph Speed Triple 1200 RS
Leistung: 132,4 kW/180 PS bei 10.750 U/min
Hubraum: 1160 ccm
Motor: Reihendreizylinder, DOHC 12V
Getriebe: 6-Gang Kette, Antihoppingkupplung
Sitzhöhe: 830 mm
Gewicht (vollgetankt): 198 kg
Verbrauch (WMTC): 6,3l/100 km
Preis: ab 20.500 Euro