Meinung
Sebastian Kurz, Steve McQueen und der Dodge Charger
Heute Nacht hatte ich einen Albtraum. Heute Nacht träumte ich von Sebastian Kurz. Wahrscheinlich nicht die ganze Nacht, aber lang genug, um mich am Morgen so richtig zu schämen. Wir fuhren gemeinsam über die Höhenstraße. Zwei schweigende Männer, die der Melodie der engen Pflastersteine lauschten und dem Fauchen des Motors. Es war also ein inniger Männermoment und keiner von uns wäre auf die Idee gekommen das Radio aufzudrehen, oder gar zu sprechen. Draußen in der Nacht war es völlig dunkel, nur hie und da kam uns ein anderes Auto entgegen und dann schaute ich kurz rüber zu Sebastian Kurz. Im hastigen Licht sah ich, wie gut sein Haar saß. Wirklich eine beneidenswert stabile Frisur. Kein Beben und kein Zittern und mir fiel auf, dass ich Kurz noch nie von der Seite gesehen hatte. Nicht im metaphorischen Sinne von der Seite, sondern mehr so geometrisch meine ich.
Aus dem Wald heraus, an der Fuchs-Villa vorbei und dann am Rapid-Stadion in Richtung Stadt. Bei der ersten Tankstelle blieben wir stehen. Kurz stieg aus und ich blieb vorerst sitzen. Ein ziemlich großer Mann, dachte ich mir. Fast meine Größe und damit so groß, dass ich nichts von ihm sehen konnte bis auf seinen Bauch und seine Hände. Ich sah wie er zum Zapfhahn griff vom teuren Ultimate Diesel und dann hörte ich das Rauschen und das Klacken des Zählwerks.Ich nehme mir nie das teure Zeug. Ultimate ist für die Reichen, oder die mit dem Spesenkonto. Wahrscheinlich war dem Sebastian Kurz das Geld egal. Wie der Tank voll war ging er zahlen und ich stieg aus, weil ich sehen wollte, ob man ihn erkennt und anspricht so wie früher, oder ob er nicht mehr interessant genug dafür war.
Niemand beachtete Sebastian Kurz. Nicht mal der Tankstellenfachverkäufer. Ich wollte nicht beim Gaffen gesehen werden und ging schnell zurück zum Wagen und dann sah ich erst, was wir da fuhren. Einen schwarzen Dodge Charger. Original aus den 70er Jahren, mit amerikanischen Kennzeichen. Sehr verwirrend, aber in einem Traum wundert einen wenig, wenn ich ganz ehrlich bin. Wir alle haben „Bullit“ gesehen, nehme ich an und wenn Sie den Film doch nicht kennen, bitte ich Sie unverzüglich mit dem Weiterzulesen aufzuhören, weil Sie das sonst alles nicht verstehen werden. Natürlich halten wir in dem Film alle zu Steve McQueen.
Die Frauen sowieso, wenn auch aus anderen Motiven. Die Männer, weil, wie sein Biograph schrieb, man sich mit Steve McQueen so wunderbar identifizieren kann, denn ganz egal, wo immer er auch sein mag, man immer den Eindruck haben muss, dass er lieber woanders wäre. Er war also genau so, wie wir sind und immer sein werden. Männliche Menschen, die nicht wissen, wo sie hingehören.
Bei dieser legendären Verfolgungsjagd saß Steve McQueen natürlich im Siegerauto – das war der ebenso legendäre Ford Mustang. Die beiden Killer, die ihn jagten fuhren genau diesen Dodge Charger. Acht Zylinder und eine resche 7,2 Liter Maschine. Auch in der Szene wirkt Stevie McQueen nicht so ganz glücklich.
Vielleicht tun ihm die Killer leid, weil die dann tot sind, oder er ist traurig, weil der Dodge Charger völlig zerstört ist? Man weiß es nicht genau. Aber ich denke Steve hätte dem Kurz was gesagt, obwohl er gar nicht so gern viel gesprochen hat, nur in dem Fall hätte er den Mund aufgemacht, weil er so viel cooler war, als ich je sein werde. Ich habe das schon früher geahnt, aber es schmerzt dann doch, wenn man das so vorgeführt bekommt und sei es auch nur in einem Traum.
Ich hätte wirklich etwas sagen müssen. Ich hätte das nicht zulassen dürfen. Ich hätte Sebastian Kurz warnen müssen. Mir persönlich hat er ja nichts getan und wahrscheinlich war er als Kanzler einfach nicht richtig sozialisiert auf den Tankstellen und eventuell hatte man ihm in der Fahrschule gar nicht erklärt, dass man keinen Diesel tanken darf in einen Benziner. Vielleicht hat mich aber auch dieser Mangel an Respekt so verärgert. Wie in einer dieser vietnamesischen Kokshütten. Einfach das teuerste von der Karte bestellen und hoffen, dass die Kellner beim Servieren ein paar Wunderkerzen dran hängen. Und auf der Tankstelle dann natürlich das teuere Zeug in den Tank stopfen und wenn da „Ultimate“ drauf steht muss es ja gut sein. Trotzdem, ich hätte das einfach nicht zulassen dürfen, weil mir persönlich hat der ehemalige Kanzler nichts getan und das Auto schon gar nicht. Ich habe geschwiegen, weil ich mich ein wenig von all dem Hass habe anstecken lassen und dafür schäme ich mich sehr, weil ich Hassen ja so unfassbar uncool finde. Nicht zu vergessen die schöne Zeit, die wir hatten da schweigend auf der Höhenstraße.
Das letzte an was ich mich erinnere ist, dass ich aus dem Auto gesprungen bin und weggelaufen bin in Richtung Auhofstraße. Genau in dem Moment, wo Kurz den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt hat. Und ich bin dann auch gleich aufgewacht und habe mich geschämt und ehrlich gesagt, schäme ich mich bis heute. Vielleicht wird das jetzt besser, wo ich alles aufgeschrieben habe und so.
Ich weiß, für viele meiner Leser bin ich nicht einfach nur ein Kolumnist. Mehr so ein Mann, an dem man sich orientieren kann in dieser verwirrenden Zeit. Mir ist das unangenehm, dass Sie mich so in einem Moment der Schwäche erleben müssen. Bis zum nächsten Mal habe ich mich wieder gesammelt. Versprochen. Für heute bedanke ich mich ausdrücklich für Ihre Zeit.
PS: Heute Nacht versuche ich zu träumen, dass ich Sebastian Kurz unterschätzt habe und dass es dem Motor gut geht. Träumen kann einem niemand verbieten, auch mir nicht.
Götz Schrage
war bis vor Kurzem exklusiv am Zweirad unterwegs. Nach einem Unfall, bei dem er bewusstlos auf der Gumpendorfer Straße gefunden wurde, hat er als Spätberufener den B-Schein gemacht. Die Ärzte
meinen, es gäbe keinerlei Folgeschäden nach dem Unfall. Wir von der Redaktion sind uns da nicht so sicher.