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Manfred Rebhandl

Der andere Rebhandl – Seine Rock Rockenschaub Kolumne im WIENER #W449

Manfred Rebhandl

Trans empfinden

Uns war wieder mal das verdammte Geld ausgegangen. Kosten hier, Kosten da. Und dann noch der verdammt hohe Spritpreis, der mir das Sinnlos-in-der-Gegend-Herumfahren in meinem Datsun 280ZX verleidete. Manni, der Tankwart, wußte ein Lied davon zu singen: „Den ganzen Tag kann ich mir das Gejammere von Euch scheiß Autofahrern anhören: Zu teuer! Warum ist das so teuer? Ich sage dann immer: Geh halt mal zu Fuß, du schwabbeliges Bierfaß! Beweg mal deine Knochen, du Osteoporose-Patientin in the making. Tu irgendwas, aber hör auf zu jammern!

Ich sagte: „Ist echt teuer, der verdammte Sprit.“

Bei Kubelka lag einer auf der Couch, der beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der sogenannten Fernsehspielabteilung arbeitete, er war echt fertig mit den Nerven, zitterte und schwitzte und kriegte in der Nacht keine Stunde Schlaf am Stück mehr hin. „Am Stück“, hatte er Kubelka mal gesagt, sagen sie im deutschen Fernsehen ständig, und er muss es jetzt auch sagen. Und seit ein paar Jahren muss er auch …

Wir fragten, als wir bei Jolanda zusammen saßen: „Was?“

„… nicht mehr schauen, dass er eine geile Geschichte ins Fernsehen bringt, also mit gutem Aufbau, gutem Höhepunkt und gutem Schluss … „

Ich hakte ein: „So wie die Jack Schleck Filme?“

„Genau die!“, bestätigte Kubelka. „Gute Filme halt, wo man sich auskannte und mitfiebern konnte.“ Die besten Filme hatte eben immer noch Dirty Willi im Programm. Da wußtest du, was dich erwartete, und du wurdest nie enttäuscht.
„Also, Problem:“, sagte Kubelka. „Der Typ muss jetzt immer schauen, dass möglichst starke Frauenfiguren in den Filmen auftreten … „
„Du meinst wie Immanuela Cunt oder Big Mama Mia?“
„Naja, nur so ungefähr. Wichtig ist auch, dass das Personal in den Filmen möglichst divers ist.“
„Div… was?“, fragten wir alle.
„Divers!“
„Nicht pervers?“

„Nein, verdammt! Es muss divers sein! Es müssen also auch mal Oberösterreicher mitspielen, oder Tiroler. Solche wie Georg Bloeb.“
„Wer?“
„Bloeb! Georg Bloeb! Nie gehört?“
„Wie?“
„Bloeb!“
„Nie gehört!“

„Und dann soll möglichst in jedem Film einer Trans sein.“
„Was?“
„Trans!“
„So eine, von der Dirty Willy sich den Eiter im Schwanz geholt hat, als er in einem Hotel in Thailand mit einer Thailänderin zusammen war, die gleichzeitig auch Thailänder war?“

„Genau! Allerdings kannst du auch Trans sein, wenn du nur trans empfindest! Und das beste ist: Wenn du heute Trans empfindest und eine halbwegs gute Geschichte anbietest, dann schieben sie dir dort draußen beim Sender das Geld praktisch in dem Moment über den Tisch, in dem du ihnen die Geschichte auftischst!“

Wir überlegten, während wir uns jeder zwei Krügerl hineinstellten, eines gegen den Durst, und eines zum Trinken. Wir überlegten: Lemmy mit seinen langen Zottelhaaren und den schmalen Hüften … nicht wenige Kunden hatten ihn schon gefragt, ob er nicht eigentlich Trans empfinde. Die waren natürlich völlig durchgeknallt vom vielen Gras, das sie bei ihm gekauft hatten. Aber auch mir war beim letzten Mal, als ich ihn zur Samenspende gebracht hatte, aufgefallen, wie feminin er sich bewegte. Ein paar Farbkleckse an seinen abgekauten Fingernägeln, ein paar Striche vom geilen Lippenstift, den Jolanda sich drauf schmierte, und selbst ich hätte ihn geil gefunden.

Wir fragten Lemmy also, ob er nicht Trans empfinden würde, und als er nickte, packten wir ihn zusammen und fuhren mit ihm – trotz des hohen Spritpreises! – hinaus zum Sender, wo wir ihn vor den Portier stellten. Dem sagten wir, dass Lemmy Trans empfinden würde und er eine geile Idee für ein Fernsehspiel hätte, und dass wir den Zuständigen sprechen wollten.

„Die Zuständige!“, sagte der Portier, der unter seinem Schreibtisch eine Portierin war, streng, und dann ließ sie (oder Er! Weiß der Teufel!) uns rein, weil es tatsächlich gerade einen Erlass gab, dass alle, die Trans empfanden und eine gute Geschichte zu erzählen hatte, sofort eingelassen werden mussten. Wir klopften also an die Türe der Lady, die für die Sache hier verantwortlich und früher ein Typ war, sie bot uns Kekse und Kaffee an, und dann fragte sie Lemmy: „Sie empfinden also Trans?“

Wir stießen Lemmy in die Seite, und er nickte. Also bat sie ihn, mal loszulegen mit seiner Geschichte, die ihr Sender verfilmen sollte, und er fing an: „Also, da ist dieser Typ, der schon drei Wochen nicht mehr scheißen kann ….“

„Könnte es auch eine Frau sein?“, fragte die Lady hinter ihrem Schreibtisch.

Wir alle kannten keine Frau, die schon drei Wochen nicht mehr scheißen konnte, aber scheiß doch der Hund drauf: „Natürlich!“, sagten wir.
„Dann nehm ich die Geschichte“, sagte die Lady, griff ins Schreibtischfach und schob uns einen Stapel Geld über den Tisch. „Den Vertrag sende ich Ihnen zu.“

Wir nahmen den Schotter und gingen damit hinaus. Ich konnte nun wieder tanken, ohne mir über den Spritpreis Gedanken machen zu müssen. Und das Sinnlos-in-der-Gegend-Herumfahren machte plötzlich wieder richtig Spaß.


Manfred Rebhandl

Autor in Wien. Gerade eben erschien von ihm „Erster Mai: Rockenschaub löst auf alle Fälle alle Fälle“ (Haymon Verlag 2022)