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Rock Rockenschaubs Kolumne im WIENER #W433 – „Gelb steht dir!“

Aus dem Leben eines Superschnüfflers: Rock Rockenschaubs und Guttmanns modische Abenteuer am Weg zum Klub Skandalös. Manfred Rebhandls Kolumne im WIENER.

Guttmann, der Bulle, wollte, dass ich ihn in ein Outlet bringe, und oben im Norden, gleich an der Grenze, wusste ich eines, das ich von früher kannte. Kein Designer-Outlet, sondern eher etwas für Fernfahrer, die dort den Straßenstrich frequentierten. Oder für Bauern, die ihre Gülle auf den umliegenden Feldern ausbrachten und dann schnell zur Nutte gingen, bevor sie wieder zur niederösterreichischen Bäuerin in die warme Stube mussten.

Ich fragte: „Was steht denn auf dem Einkaufszettel?“
Und er sagte: „Zwei bequeme Frühlingsblousons zum Preis von einem.“
Da er schon über sechzig war, war es eigentlich überflüssig, ihn das zu fragen, aber ich tat es dann trotzdem: „Braune?“
„Ja, warum denn nicht braue? Und zwei Cordhosen nehme ich auch gleich mit dazu.“
„Zum Preis von einer?
„Natürlich.“
„Braune?“
„Ja, warum denn nicht? Hauptsache robust und strapazierfähig.“
Ich sagte: „Kauf dir doch mal was Gelbes! Gelb steht dir!“

Braun aber machte mich trübsinnig, und Cordhosen erst recht. Ich wollte ihn daher eigent­lich gar nicht dorthin bringen. Aber ich hatte einen langen Winter hinter mir, während dem ich wirklich viel geschlafen hatte, und die Frühjahrsmüdigkeit steckte mir noch tief in den Knochen, ich fühlte mich wie ein Braunbär, der nicht richtig in die Gänge kam. Da war es vielleicht ganz gut, wieder mal etwas zu unternehmen, das Knochenzeug zu bewegen. Außerdem lag dort oben an der Grenze auch der Klub Skandalös. Und für den hatte ich noch einen Konsumations-Gutschein von Dirty Willi in wirklich ansehnlicher Höhe übrig, den er mir mal zu einem früheren Geburtstag geschenkt hatte und den ich nun dringend einlösen musste, sonst würde er verfallen. Kann sein, dass die Ladys noch behaart waren, als er mir den geschenkt hatte! Aber ich kam einfach nicht dazu, ihn zu konsumieren.

Wir fuhren also in meinem Datsun 280ZX gemütlich dort hinauf, und aus dem Oldies-­but-Goldies-Sender hörten wir „In a gadda da vida“, als das frühlingshafte Sonnenlicht bei der Beifahrerseite hereinfiel – gerade, als ich mir Guttmann in seinem braunen Blouson und seiner braunen Cordhose noch mal etwas genauer anschaute, aus den Augenwinkeln heraus. Sein Kopf fiel dabei während der Fahrt immer wieder nach vorne, weil er selbst noch von der Frühjahrsmüdigkeit geplagt wurde und dauernd am Einschlafen war.

Dabei verrutschte sein Schal, den er im Frühling trug wie die Ladys ihre umgehängten Jäckchen, und ich sah eine dicke, rote, fette und wirklich ekelerregende Beule an seinem Nacken, zum Glänzen gebracht eben vom frühlingshaften Licht. Ich schlug hart gegen seine Schulter und sagte: „Verdammt, Gutti, was ist denn das für eine scheiß Beule da an deinem Nacken? Ist das Krebs?“ Ich wollte schon hinfassen und daran herumdrücken, aber da erschrak er und schrie mich an: „Finger weg!“, in einer Mischung aus Verzweiflung und Scham. Plötzlich machte ich mir echt Sorgen und sagte: „Was, wenn diese Beule platzt? Dann ist mein Wageninneres ganz versaut!

Oben an der Grenze angekommen, parkte ich vor dem Klub Skandalös und drehte den Motor ab. Gutti fragte, warum wir hier parkten und wo denn nun dieses Outlet sei, in dem er sich braunes Zeug kaufen wollte. Ich aber holte den Gutschein heraus und deutete auf das Neonschild mit der tanzenden Lady darauf, dabei sagte ich: „Scheiß jetzt mal auf das Outlet, Gutti. Ich hab da noch diesen Gutschein und lade dich auf die da oben ein. Kann ja sein, dass dir die Zeit davonläuft, das Teil da hinten an deinem Nacken sieht wirklich nicht gut aus.“ Er war gerührt und sagte: „Danke.“ Und nachdem wir ausgestiegen waren, fragte er noch: „Glaubst du wirklich, dass mir Gelb stehen könnte?“
„Und ob dir Gelb steht!“, sagte ich.