AKUT

WIENER DRACHEN

Christian Jandrisits

Hugo und Hartmut hätten die Drachenbrut nicht mit nach Hause nehmen dürfen. Der Abt ist erzürnt. Die Mutter weint tagein, tagaus, der Vater wird geächtet und die Buben sind am Beten … WIENER DRACHEN

Text: Christian Jandrisits

So trug es sich zu in Wien, im Jahre 1452 n.C. …

Der Abt hat ausdrücklich angeordnet, sich keiner Basilisken und Drachenbrut habhaft zu machen. Die Buben taten es trotzdem und versteckten die Brut in einem Holzeimer beim Brunnen. Hildegard die Erstgeborene ward geblendet beim Anblick des Teufelszeugs und klagte ihr Leid der Mutter. In Hoffnung Buße und Sühne zu tun brachte diese den Holzeimer samt Dämonenzeugs zum ehrwürdigen Abt des Stephandoms. Gott, war die Aufregung groß in der Schönlaterngasse –

„Brenna muaß die Bruat, brenna!“

„Droch’n hobn’s gfaungt die Buben!“,

„…augeblich a gaunzes Dutzend Droch’nbruat, wenn ned sogar mehr!“,

„den Teife hobn’s in da Au troff’n!“,

„Brenna muaß die Bruat, brenna!“

Mit Ekel und Abscheu und der Bitte um Vergebung wurde die Brut nach der Sonntagsmesse verbrannt

So, oder ähnlich ward es geschehen in Wien, im Jahre 1452 n.C. …

Wien, Februar 2023 – es wird noch ungefähr ein, zwei Monate dauern, dann sind die Kammmolche wieder unterwegs zu ihren Laichgewässern in den Wiener Donauauen. Circa 6 Monate haben sie in der Winterstarre verbracht, mit der ersten Schneeschmelze (die heutzutage immer früher beginnt) werden sie agil und bereiten sich auf die Paarungszeit vor.

Früher da gab’s mal so kleine Viecherl, die hab’n ausg’schaut wie kleine Drachen!

Eine Mama, in Wien, im Jahre 2053

Die Männchen vom Typ Triturus Cristatus (der gemeine Kammmolch) entwickeln dabei ein prächtiges Hochzeitskleid mit wallendem, zackigen Flossensaum, der sie aussehen lässt wie kleine Minidrachen (mit ihren ca. 15 cm Körperlänge also eindeutig Drachenbabies, siehe Einleitung oben!).

Triturus Cristatus (Männchen) im Hochzeitskleid! WIENER DRACHEN

Ein, zwei Monate werden sie unter Wasser bleiben, sich fortpflanzen, Eier legen und im Anschluss bis zum Herbst ihr Leben an Land verbringen. Dann beginnt der Kreislauf von vorne ….

Der Kammmolch, im speziellen der Donaukammmolch, ist eine der am stärksten vorm Aussterben bedrohten Tierarten in Österreich. Im Mittelalter galten Schwanzlurche als der Inbegriff des Bösen, das Dämonische an sich, zu Scharen wurden sie ins Feuer geworfen. Am Besten gleich zu den Hexen, dort wo sie hingehören – zum Scheiterhaufen, der Bühne sabbernder Priester und besitzgieriger Äbte …. der Population tat dies keinen Abbruch, damals war Wien noch von mächtigen Auwäldern, mit Tümpeln und kleinen stehenden Gewässern umgeben.

1985 – zwei Wiener Drachen am Millennium Tower…………….. (finde die Fehler!)

Heute ist das anders! Mit zunehmender Verbauung und Rodungen verschwinden auch die Laichgewässer der Kammmolche. In der Wiener Lobau gibt es noch kleine Populationen und diese gilt es zu schützen!

Ansonsten …

Wien, Februar 2053, wenn unsere Kinder zu ihren Kindern sagen: „Früher da gab’s mal so kleine Viecherl, die hab’n ausg’schaut wie kleine Drachen!“ – WIENER DRACHEN