Interview

CAROLIN KEBEKUS: Ich liebe Furzwitze!

Christian Jandrisits

Ihre Bühnenprogramme hießen „PussyTerror“ und „PussyNation“, Feminismus ist ihr weit mehr als ein Anliegen, selten nimmt sich Comedy-Star Carolin Kebekus ein Blatt vor den Mund. Am 13. und 14. September kommt sie mit „Funny Bones – Die Stand Up MixShow“ ins Wiener Theater im Park, Grund genug für ein kurzes Interview vorab.

Interview: Nunu Kaller Fotos: Marvin Ruppert

WIENER: Wie sieht aus feministischer Sicht die perfekte Welt aus? Wann sind wir am Ziel?
CAROLIN KEBEKUS: Wenn es eine Chancengleichheit gibt, glaube ich. .

WIENER: Was heißt das?
KEBEKUS: Wenn jeder das erreichen und sein Leben so gestalten kann, wie er oder sie möchte, ohne dass irgendwelche finanziellen oder gesellschaftlichen Dinge das blockieren.

WIENER: Und wie glauben Sie entwickeln sich die kommenden Jahre aus feministischer Sicht wirklich?
KEBEKUS: Also ich glaube, wenn man die Gesellschaft jetzt einfach so machen lassen würde, ohne Frauenquote, puh! Irgendjemand hat ausgerechnet, es würde noch 130 Jahre dauern, bis eine komplette Geschlechtergerechtigkeit herrscht, wenn man die Gesellschaft sich einfach entwickeln lässt. Aber wenn man jetzt kuckt, was in Europa passiert, was an Rechtsruck passiert, wo die AFD in Umfragen in Deutschland gerade liegt – rechte Parteien kriegen immer mehr Zuspruch und das bedeutet immer einen Rückschritt auch für die Rechte der Frauen. Deswegen ist es umso wichtiger, ständig darauf hinzu­weisen, wie wichtig es ist, sich auch dieser Rechte, die wir ja schon ­haben, bewusst zu sein und sie auch zu schützen.

WIENER: Können Männer ­Feministen sein?
KEBEKUS: Ja, ich glaube, das kann jeder Mensch mit Kopf und Herz. Es bedeutet ja eigentlich nur, dass man alle Menschen gleichbehandelt wissen möchte, dass alle Menschen gleich viel wert sind, egal welches Geschlecht sie haben. Ich kenne auch viele Männer, von denen ich sagen würde, dass sie Feministen sind und sich auch wirklich kümmern und an Stellen sind, wo sie das machen können.

WIENER: Sie machen sich wahnsinnig gern über den Alltags­sexismus lustig und ich liege jedes Mal am Boden vor Lachen bei den Videos, weil sie so ins Schwarze treffen. Wo begegnet dieser Alltags­seximus Ihnen persönlich, gerade als Frau in der Öffentlichkeit?
KEBEKUS: Es ist nicht ganz gleich, aber es sind ähnliche Situationen zu dem, was alle anderen Frauen erleben – mit mächtigen Leuten, die jetzt in irgendeiner Firma eine hohe Position haben zum Beispiel. Oder in Interviews! Ich habe schon sehr viele Interviews mit Männern gehabt, die echt grenzwertig waren. Da wurde ich Sachen gefragt wie „Du bist ja gegen Sexismus, aber du bist ja selbst sehr aufreizend angezogen!“. Da muss man ja fast lachen, dass einem wirklich so eine Frage noch gestellt wird – aber man muss halt auch ernsthaft drauf antworten! Letztens hatte ich ein Interview, da hab ich in der Antwort gegendert. „Ich sitze dann mit den Autor:innen zusammen“ sagte ich – und er fing plötzlich zu lachen an. Ich war überrascht und fragte, ob ich einen Witz gemacht hab, und er meinte nur, nee nee, ich lache, weil Sie gegendert haben! Als ich dann fragte, ob das ein Problem sei, meinte er nur (macht seine aufgebrachte Stimme nach): „Nein, nein, gar kein Problem, und ich kenne auch viele Frauen und ich mag Frauen und ich arbeite mit vielen Frauen und ich habe sogar mal eine Frau als Chefin gehabt!“ – Der redete sich um Kopf und Kragen! Ich sagte dann einfach nichts mehr und es kam immer mehr. Der hat sich so in Rage geredet, unglaublich. Es endete dabei, dass er ja auch eine Tochter habe und diese Kampfsport mache. Ich stellte dann fest: „Aha, du findest Gendern also total scheiße“, was er bejahte. Naja, dann soll ers halt einfach lassen!

WIENER: Ich habe so ein bisschen eine Doppelrolle, ich gebe Interviews und ich führe Interviews. Mein Rekord ist, ich wurde gefragt, ob ich es gut finde, wenn ich DickPics bekomme.
KEBEKUS: (lacht laut auf) Also das ist wirklich einfach nur wow.

WIENER: Mir fällt oft auf, dass wir in einem System leben, in dem es sehr viel schwieriger ist, Frauen zu empowern. Beispiel: Für eine Konferenz, an der ich mitorganisiere, müssen 50 Prozent Frauen auf den Panels sitzen. Finde ich super, aber es ist wirklich schwer, diese Quote zu erfüllen, weil so viele Frauen sich nicht trauen, der Meinung sind, sie hätten ja eh nichts zu sagen und die anderen sind viel schlauer. Wie könnte gutes Empowerment für Frauen aussehen?
KEBEKUS: Ich glaube, auch da hilft eine Quote. Manchmal muss man dann einfach Frauen in solche Positionen mehr oder weniger zu ihrem Glück zwingen, damit andere nachkommen! Es gibt ja auch viele Studien, wonach Frauen sagen, sie wollen gar nicht in den Vorstandsposten – aber dahinter liegt natürlich, dass man vielleicht noch nicht gesehen hat, wie es funktioniert bei einer anderen Frau. Ich glaube, es gibt auch viel mehr Frauen, die das Imposter-Syndrom haben (Anm: Die eigenen Fähigkeiten unterschätzen). Das haben auch Männer, aber ich bin mir sicher, dass das mehr Frauen als Männer haben. Da hilft wohl nur, weiter zu bohren und wirklich die Frauen zu ermutigen, mitzumachen. Je öfter man sowas macht, desto mehr kommen dann auch dazu! Und Männer sollten übrigens auch einfordern, dass sie nicht nur auf reinen Männer-Panels sitzen.

„Es gibt ja auch solche Momente, wo man sich denkt, puh, jetzt hier Kritik anzubringen ist doof, weils ja um die Sache geht und man sich nicht im Kleinen streiten ­sollte – aber grundsätzlich ist es halt einfach so, dass es viele verschiedene Ansichten gibt“.

CAROLIN KEBEKUS

WIENER: Stichwort Empowerment: Sie bekommen sicher viele Rückmeldungen von Frauen, die sagen, ihre Jokes, ihre Videos helfen ihnen, oder?
KEBEKUS: Auf jeden Fall. Bei Instagram fast täglich! Ich les mir nicht immer alles durch, weil Nachrichten allgemein mich schlecht drauf bringen, aber allgemein sagen schon viele, dass sie sich da gesehen fühlen.

WIENER: Wie fühlt sich das an?
KEBEKUS: Ich bin jetzt keine, die sich dann drin badet, sondern ich les das, freue mich und dann ist‘s auch wieder gut! Ich les das nicht 30mal durch und speichere es ab, weil ich irgendwie immer noch will, dass es mein Beruf ist und mir der Spaß macht. Obwohl ich weiß, dass ich Wirkung habe, ist es eben immer noch ein Beruf. Ich mache meine Arbeit und bin kein Übermensch. Alles, was mich in diese Richtung hinstilisiert, lässt mich drei Schritte zurückgehen. Ich kann auch nicht gut damit umgehen, wenn ich Fans treffe und die weinen.

WIENER: Sie sagen, Nachrichten ziehen Sie runter, drum lesen sie sie nicht. Es gibt aber derzeit immer wieder ein Thema in den Nachrichten, über das ich sprechen möchte: Rammstein. Was ist Ihre Position zu dieser Causa?
KEBEKUS: Zunächst Mal: Es gibt scheinbar so viele Frauen, denen Dinge passiert sind, die über einvernehmlichen Sex hinausgehen. Ich glaube daher, dass die Ermittlungen dringend notwendig sind. Außerdem kenne ich ja selbst diese ganze Bühnenwelt bei Musik und Comedy. Tatsache ist, dass es Künstler und Künstlerinnen gibt, die sich fragwürdige Strukturen aufgebaut haben. Gerade diese Groupie-Geschichte, dass da der Künstler auf der Bühne steht und sagt, die drei in der ersten Reihe gefallen mir und das Management die dann backstage holt. Das gab es schon immer und ist auch heute noch Realität. Wenn die Mädels dann sagen: Geil, da geh ich voll gerne mit, hey, dann sollen alle machen, was sie wollen. Aber was bei Rammstein angeblich passiert, das sind ja hochkriminelle Strukturen! Da geht es darum, dass Menschen sediert wurden, willenlos gemacht wurden, nicht mehr Frau ihrer Sinne waren! Das ist einfach ein anderes Level, da geht es ja um was ganz anderes. Und in dem Moment ist es dann unfair, wenn jemand mit so viel Reichweite und Geld (Anm: wie Till Lindemann) erklärt, natürlich könnten alle ihre Ansichten haben und dann gleichzeitig mit wahnsinnig teuren Anwälten alles abmahnt und Unterlassungsklagen raushaut! Deshalb haben wir gesagt, es muss eine Chancengleichheit geben. Die Frauen müssen sich verteidigen können und müssen vor allem ihre Sicht der Dinge juristisch vertreten können. Erst wenn die das finanziell können, dann gibt es eine Chancengleichheit – und auch erst dann kann man sinnvoll ermitteln.

WIENER: Wo kam die Idee mit der Ein-Euro-Spendenaktion her? (Anm: Kebekus startete mit einigen anderen bekannten Frauen ein Crowdfunding, um den mutmaßlichen Opfern Rechtsbeistand zu ­finanzieren)
KEBEKUS: Mich rief Jasmina Kuhnke, das ist ja auch eine alte Freundin von mir, die sehr engagiert ist, an und fragte, ob ich bei der Aktion mitmache würde, auch Nora Tschirner und andere würden dabei sein. Ich habe sofort gesagt, ich mach mit – und dann war ich Teil einer gigantischen Whatsappgruppe, in der alle Ideen zusammengeworfen wurden. Wir machten sehr bald diese Videos und dann gings auch schon los. Wir haben schon wahnsinnig viel Geld gesammelt, was phänomenal ist! Da sieht man dann, dass sich die Gesellschaft dann doch auch für ausgeglichene Machtverhältnisse einsetzt, was ja wirklich schön ist!

WIENER: Wieviel kam da zusammen?
KEBEKUS: Iinzwischen sind wir bei über 600.000 Euro. (Das Interview wurde Ende Juni geführt, ein aktueller Spendenstand ist nicht bekannt)

„Ich finde sehr viele Sachen lustig, die unter der Gürtellinie sind, die in der Hose passieren.“

CAROLIN KEBEKUS

WIENER: Wer sich in feministischen Kreisen bewegt, weiß, es gibt viele Arten von Feminismus, die auch mal gerne aufeinander herumhacken. Ich halte das für ein Grundübel, dass Frauen sich aufgrund ihres Feminismus gegeneinanderstellen, weil Solidarität ver­lorengeht. Sind Sie mit Ihrer Form des Feminismus schon mal auf ­Kritik gestoßen?
KEBEKUS: Ja. Teilweise wars konstruktiv – ich bin auch schon von Frauen kritisiert worden, wo ich die Kritik dann aber voll annehmen konnte und ihnen zustimmte. Aber auch anders – mir fällt zwar kein konkretes Beispiel ein, aber ja, ist auch schon passiert. Es gibt ja auch solche Momente, wo man sich denkt, puh, jetzt hier Kritik anzubringen ist doof, weils ja um die Sache geht und man sich nicht im Kleinen streiten sollte – aber grundsätzlich ist es halt einfach so, dass es viele verschiedene Ansichten gibt. Es gibt viele, die sagen, sie sind feministisch unterwegs, haben dann aber ein Problem mit Künstlerinnen, die sich freizügig präsentieren und nennen es Objektivierung des weiblichen Körpers. Das andere Lager sagt dann, das ist Empowerment – und da gibt es große Gräben.

WIENER: Bei meiner Recherche habe ich Sie mehr als Feministin denn als Comedystar wahrgenommen, weil sich dieses Thema bei ­Ihnen so durchzieht. Empfinden Sie das selbst auch so?
KEBEKUS: Wenn ich mein letztes Bühnenprogramm anschaue, dann würde ich sagen, das hält sich die Waage mit „ganz normalen“ Witzen. (beide lachen) Durch „Die Carolin Kebekus Show“ist es in der Wahrnehmung sicher sehr stark, aber ich sitze gerade an neuem Material, und da ist viel Witz vorhanden, der mit Feminismus gar nichts zu tun hat. Feminismus zieht sich sicherlich wie ein roter Faden durch meine Programme, aber ich stehe sicherlich nicht durchgehend mit dem erhobenen Zeigefinger da und prangere an, was alles schlimm läuft.

WIENER: Ganz persönliche Frage zum Comedybereich: Bitte wie überlebt man LOL (Anm: Sendung, in der Comedystars sich Sketches vorspielen, die zuschauenden Stars dürfen aber nicht lachen)? Ich ­würde da drinnen sterben!
KEBEKUS: Also… äh… man stirbt. Man stirbt tatsächlich innerlich ein bisschen. Es ist wahnsinnig anstrengend und man hat wirklich danach das Gefühl, man hat irgendwelche Organschäden. Ich weiß noch, dass wir alle nach der ersten Staffel das Gefühl hatten, wir hätten einen ganz schlimmen Unfall gehabt. Mit allen zusammen. Man musste mit allen danach ganz viel drüber sprechen, wie schlimm das war.

WIENER: Wenn ich euch sehe, wie ihr euch bemüht, nicht zu lachen… allein schon diese Gesichter sind die Sendung wert. Wie kommt man bitte auf die Themen und Sketches bei LOL?
KEBEKUS: Bei LOL ist es was ganz anderes, als wenn ich einfach bei einer anderen Show auf die Bühne gehe und ein Standup mache. Mit einfachem Standup brauch ich da gar nicht anfangen. Man muss viel mehr im Kleinen überlegen, zum Beispiel, worüber Kinder lachen würden. Aber oft ist es ja dann auch so, dass man selbst die Sachen, die man dann macht, so auswählen muss, dass man selbst dabei nicht lacht. Wenn man bei den eigenen Nummern über die eigenen Witze lachen muss, ist das natürlich ein Problem.
WIENER: Sie gastieren im September mit ihrer neuen Show in Wien – worauf dürfen wir uns
freuen?
KEBEKUS: Ich komme nicht nur mit brandneuem Material nach Wien, das ich noch nirgendwo gespielt habe, sondern ich habe auch noch vier Comedy Ausnahme­talente dabei. Ich freue mich sehr auf dieses außergewöhnliche Line up in Wien. Tereza Hossa hat hier die kürzeste Anreise, denn sie kommt aus Wien und hat schon in den letzten Staffeln der „Carolin Kebekus Show“ als Autorin für mich gearbeitet. Eva Karl Faltermeier kommt aus Bayern, ist wirklich urkomisch und wurde schon mit zahlreichen Kabarettpreisen ausgezeichnet. Filiz Tasdan war schon viel mit Felix Lobrecht auf Tour, aber ich bin mir sicher, sie wird schon sehr bald selbst ihre Hallen füllen. Miss Allie war schon im letzten Jahr mit mir auf Tour und hat die Leute mit ihren Songs von den Stühlen gerissen. Also alles in allem wirklich eine richtig tolle Runde!
WIENER: Und worauf freuen Sie sich in Wien?
KEBEKUS: Das Theater im Park am Belvedere ist meine absolute Lieblingslocation, wenn es um Outdoor geht. Ich habe noch nie eine schönere Bühne im Freien bespielt! Außerdem freue ich mich auf meine vielen Freund*innen in Wien und die Stadt an sich reicht ja auch schon zum Glücklichsein.

WIENER: Gibt es Dinge, über die Sie sich seit Jahren kaputtlachen können?
KEBEKUS: Ich finde sehr viele ­Sachen lustig, die unter der Gürtel­­linie sind, die in der Hose passieren. Ich liebe Furzwitze. Die werde ich nie nicht lustig finden. Ein Furz ist Luft, die aus dem Arsch kommt, das ist einfach … lustig!
WIENER: Guter Übergang, ich wollte nämlich fragen, was Ihr liebster Furz-Witz ist – aber nachdem dieses Interview für ein Print-Magazin stattfindet, kann man das dann wohl schlecht transkribieren. Daher: Was ist Ihr liebster Dad-Joke?
KEBEKUS: (zögert kurz) Mein liebster Dad Joke ist dieser typische: Wenn Freunde an der Tür klingeln und der Vater macht die Tür mit den Worten „Wir kaufen nix!“ auf. Hahaha.

Carolin Kebekus geboren 1980 in Bergisch-Gladbach, begann ihre Karriere als Comedian bei RTL Freitag Nacht. Ihre Parodien auf die Band Tokio Hotel brachten den Durchbruch und gleichzeitig Drohungen durch Fans der Band. 2009 hatte sie ihre erste eigene Show bei Pro7, wurde regelmäßiger Gast der ZDF heute Show. 2011 erschien ihr erstes Soloprogramm „Pussy Terror“. Damit und mit dem Nachfolger „Pussy Nation“ ­tourte sie erfolgreich durch ganz Deutschland, aktuell läuft ab Herbst 2023 die neue Staffel ihrer „Carolin Kebekus Show“ auf ARD.
Kebekus engagiert sich regelmäßig für Geschlechter­gerechtigkeit und gegen rechte Politik. Zusätzlich ist Kebekus großer Fußballfan und liefert für die kommende Frauenfußball-WM mit „Wir Ihr Alle Eins“ für die ARD den offiziellen Song dafür. Am 13. und 14. September kommt sie mit „Funny Bones – Die Stand Up MixShow“ ins Wiener Theater im Park, Tickets siehe
theaterimpark.at