GENUSS

Frühstücken wie Niki Lauda

Im Hotel Imperial zu Wien steht das „Niki Lauda-Frühstück“ auf der Speisekarte – aus aktuellem Anlass genehmigten wir uns selbiges: Am 20. Mai jährt sich der Tod unseres unvergessenen Helden, heuer (2024) bereits zum fünften Mal.

Text: Kurt Molzer

Das Fünf-Sterne-Hotel Imperial am Kärntner Ring in Wien ist seit 1873 eine der feinsten Herbergen des Landes. Gerade gut genug für einen dreifachen Formel-1-Weltmeister. Niki Lauda pflegte hier sein Frühstück einzunehmen – immer wenn er in Wien war und immer das Gleiche: 6-Minuten-Ei im Glas, Schnittlauchbrot, Naturjoghurt mit Himbeeren und gerissenem Apfel, Melange. Er kam meist in einer Mercedes S-Klasse angefahren, von seiner Villa im 19. Bezirk, parkte dann direkt vor dem Eingang, schritt gegenüber der Rezeption ins Café und machte es sich auf einer mit rotem Samt überzogenen Sitzbank bequem. Sobald die erste Mahlzeit des Tages im Magen und die Zeitungslektüre beendet war, fuhr der Niki über den Schwarzenbergplatz und den Rennweg in den Arbeiterbezirk Simmering. Einer der besten Freunde Laudas, der Gastronom und Caterer Attila Dogudan, stellte in seiner Firmenzentrale in der Dampfmühlgasse 5 dem bekennenden Sparmeister angeblich gratis ein Büro zur Verfügung. Aus Dogudans Küche wurden seinerzeit die Fluggäste der „Lauda Air“ verwöhnt. Wehe, die Schnitzel waren nicht goldbraun! Freundschaft hin oder her – der Dogudan hatte dann nix zu lachen.

Jeder kann im Imperial frühstücken wie der Lauda. Wir vom WIENER tun das jetzt auch. Seit 2014, also noch zu seinen Lebzeiten, steht das „Niki Lauda-Frühstück“ auf der Speisekarte. Preis: 21 Euro. Bei jedem Bissen und jedem Schluck werden wir uns an einen Giganten erinnern, wie es ihn kein zweites Mal geben kann.

Aber noch wird das Ei gekocht, blenden wir kurz einige Jahrzehnte zurück.

Der Niki und das Hotel Imperial, das ist eine lange Geschichte. Sein Großvater, ein vermögender Wirtschaftskapitän und Präsident der Industriellenvereinigung, residierte am nahe gelegenen Schubertring in einer 16-Zimmer-Herrschaftswohnung, wo livrierte Diener die Speisen servierten. An jedem 25. Dezember lud der Großvater die ganze Familie zum traditionellen Weihnachtsessen in das Ringstraßenhotel ein. Wenn der kleine Niki nicht artig war oder das Besteck falsch hielt, wurde er kurzerhand an den Nebentisch verbannt. Der strenge Großvater war es auch, der Niki den Geldhahn für die Formel 1 zudrehte. Von der Ersten österreichischen Spar-Casse gab es die Zusage für einen Kredit (Lauda war noch ein Nobody und musste für ein Cockpit zahlen). Großvater Hans rief einen Freund im Aufsichtsrat der Bank an und ließ die Sache platzen. „Ein Lauda“, sagte er stets, „hat auf den Wirtschafts- und nicht auf den Sportseiten der Zeitungen zu stehen.“

Was die wenigsten wissen: Die Laudas waren Adelige. Hätte die Monarchie weiter bestanden, der Name des berühmten rennfahrenden Österreichers wäre Nikolaus Andreas Ritter von Lauda gewesen. Der Urgroßvater, Ernst Ritter von Lauda, war unter Kaiser Franz Joseph als K.-u.-k.-Sektionschef für die Regulierung der Donau verantwortlich, und weil er einen tollen Job machte, erhob ihn der Kaiser in den erblichen Adelsstand.

Auch das Frühstück hat seine ganz besondere Geschichte: Einer der wichtigsten Menschen an der Seite Laudas während dessen Rennfahrerkarriere war Willi Dungl. Der Heilmasseur, Fitness-Guru und Ernährungsexperte sorgte nach dem Feuerunfall 1976 auf dem Nürburgring für die unglaublich schnelle Genesung des Ferrari-Stars. Ab sofort war er dann als „Nikis Wunderheiler“ bei fast allen Rennen dabei. Willi Dungl musste nur seine Jesus-haften Hände auflegen und Niki konnte sogar mit gebrochenen Rippen einen Grand Prix durchstehen, das hatte schon was Mystisches. Zu Laudas 40. Geburtstag schenkte Dungl ihm „Ein Jahr lang Frühstück im Imperial“. Aber eben nicht irgendein Frühstück, sondern dieses spezielle, von ihm zusammengestellte. Statt der Melange war ursprünglich allerdings ein Kräutertee vorgesehen. Da sprach der Niki aber zum Willi: „Danke, wirklich ein super Geschenk. Aber sei mir nicht bös, ich hab längst aufgehört mit der Formel 1, so übertrieben g‘sund muss es nimmer sein, also bitte Kaffee statt Tee.“ Der später zum Professor ernannte Dungl soll zähneknirschend eingewilligt haben (Als er 2002 völlig überraschend an einem Herzinfarkt starb, war das der deutschen Bild-Zeitung eine Schlagzeile wert.)

Ein Ober mit Krawatte, schwarzem Sakko und dunkelgrauer Nadelstreifenhose serviert schließlich das Frühstück. Das Ei im Glas: genau auf den Punkt, wachsweich quillt das Gelbe hervor. Das Schnittlauchbrot, ein Gedicht, diese resche Kruste, und genau die richtige Menge Butter darunter. Das Joghurt: köstlich erfrischend, man schmeckt deutlich den Apfel heraus, und die Himbeeren sind groß und fühlen sich am Gaumen an wie frisch gepflückt. Der Kaffee, herrlich belebend, vielleicht die beste Melange von ganz Wien, so kann der Tag beginnen!

Vom Hotel Imperial zu Niki Laudas letzter Ruhestätte, dem Heiligenstädter Friedhof, sind es keine zehn Kilometer. Er ist nicht mehr unter uns. Und doch unsterblich. Mein Name wird aller Wahrscheinlichkeit nach auf keiner Speisekarte stehen.