GENUSS

Keine Rübe mehr

Jakob Stantejsky

Wenn man glaubt, nicht der Neigungsgruppe „Früher war alles besser“ anzugehören, dann ist man ziemlich angepisst, wenn man eines Tages in Gottes Sockenlade mit der Aufschrift „Nostalgiker“ erwacht. Dieses sonderbare Behältnis hat die Eigenschaft, vom Durchschnittsalter der Insassen her ein gutes Pensi-Heim darzustellen. Klar, Unsterblichen sind solche Details wurscht, zu Unrecht Einsortierten fällt das Schnittalter der Mitinsassen in der Denkschublade aber auf. Im konkreten Fall hatte der Ort der Epiphanie in Sachen Rückwärtsgewandtheit aber ziemliche Ähnlichkeit mit einem weinroten Fiat (hey, Gott kann offenbar ­seine Sortier-Laden gestalten, wie er will!).

Und in diesem Fahrzeug gingen wir auf Odyssee. Drei Ortschaften hatten wir bereits hinter uns, angesichts des Nebels war auch der Fliegerwitz mit Attnang-Puchheim drin („Ui, da samma weit weg, I kann nur „Nang-Pu“ lesen“) schon aus­erzählt. Die kulinarische Herbergssuche ging weiter: Es war Winter, und nirgends (!) gab es saure Rüben. Da hat’s doch was! In der Tat – das war früher auch besser – hätte man es in einem anderen Jahrzehnt einfach gerochen, wenn wo gerade Rüben oder Köch („Kohl“ für meinen bundesdeutschen Leser M.) ­zubereitet worden wären. Sogar einen Song dazu gäbe es mit Arik Brauers „In da Zinskasern“, wo er sich an die Kindheit ­erinnert: „Der Köch von der Frau Navratil verstinkt das ganze Haus.“ Schublade mit Soundtrack! Eh super, aber immer noch keine Rüben in Sicht.

Ihre letzten Fans haben uns im Februar ja auch verlassen. „Turnips“ müssen in England einfach sein im Winter. Ob zum Roastbeef oder in diesem gern in Pubs gereichten Wurzelge­müsegulasch, das sicher einen tolleren Namen hat, der mir aber nicht einfällt. Da gibt es sie noch, die Knollen aus dem Ofen mit dem weich-süßen Innenleben, doch die Insel der geschmorten „Turnips“ und „Parsnips“ driftet einfach weg. Dafür reicht man winters bei uns jetzt gerne Pasta. Auch dort, wo kein Italiener in der Küche steht (tut er bei vielen „Italienern“ ja auch nicht). Warum nicht geröstete Knödel? Warum nicht Ritschert? Auch im Bürohengst steckt ein Holzknecht, der gern was mag, das auch die Oma als Essen erkannt hätte. Muss er deshalb gleich in Gottes Sockenlade? Die hat doch nicht mal WLAN.


Roland Graf
Der bekennende (und in der heimischen Gastroszene Bunthund-bekannte) Genussmensch ist unermüdlich auf der Suche nach dem guten ­Geschmack.


Ding des Monats
Glasplanet

In der Regel erkennt man die Gläser des ­dänisch-tschechischen Designers Martin Jakobsen sofort: Sie stehen nur in den besten Bars und sehen – gemessen am klassischen Tumbler – komplett verrückt aus. Schwäne und ­Weltkugeln, aus denen ­man Cocktails (oder ­Leitungswasser) süffelt, hat er schon gestaltet, bei „Galileo“ steckt ein Stern im Glasinneren. Voll abgespacet!

Foto: Hersteller


Martin Jakobsen, „Galileo“, um 69,90 Euro bei jakobsendesign.com