Kabarett
Hader on Ice – Das neue Referenzwerk der deutschsprachigen Kleinkunst
Neid, so heißt es stets, muss man sich verdienen, vor allem als Kunst- und Kulturschaffender. Was aber muss man tun, um von der Kollegenschaft gar nicht erst beneidet zu werden, weil es schlichtweg keinen Sinn macht? Vielleicht höchstens alle zehn Jahre ein Kabarettprogramm veröffentlichen. Mit „Hader on Ice“ legt Österreichs Ausnahmekabarettist Josef Hader ein weiteres Mal unerreichbar vor.
Von Franz J. Sauer / Fotos: Lukas Beck
Egal mit welchem Comedien (so heißt das da oben) man im Sprachraum bis Kiel über die Branche im allgemeinen und Kabarett im speziellen spricht: Josef Hader wird als Größe akzeptiert. Er ist eine Etage höher, neidlose Anerkennung, dorthin kommt man sowieso nie. Bei manch einem würde das eventuell Druck erzeugen, fürs nächste Programm.
Es ist ja schließlich nichts anderes zu erwarten, als ein neues Referenzwerk, wenn Herr Hader alle zehn Jahre mal (und da rechnen wir schon salopp von der letzten Überarbeitung des Best Of „Hader spielt Hader“ weg) was neues auf die Bühne bringt. Nicht so der Mann aus Waldhausen, der eigentlich aus Nöchling stammt (OÖ vs NÖ), wie wir seit „Privat“ (1994) wissen. Mit beneidenswerter Nonchalance gibt er im Frischling „Hader on Ice“ ein Abbild der Gegenwart in all ihren widersprüchlichen Facetten, aus der Sicht eines alternden, wohlsituierten Mannes, der sich an der Blüte seiner Jahre festklammert und super-sauteuren, dafür umso nachhaltigeren Zig-Zag-Rum aus Kuba für den geeigneten Klebstoff hält.
Mit der Darstellung eines alternden Wohlhabenden tut sich der 59jährige Hader kaum schwer. Und auch sonst bringt das neue Solo (Regie führte wie schon oft die langjährige Hader-Weggefährtin Petra Dobetsberger) auf den ersten Blick wenig Unerwartetes, keine Überraschungen. Wir kennen die Sprachmelodie, ihren Duktus, und auch einige der Zitate kennen wir schon – Hader spielt Hader, warum auch nicht. Und auch das Setting, das sich seit Josef Haders erstem, sozusagen stilbildenden Kabarett-Monolog „Im Keller“ (1993) kaum verändert hat, kennt man: Eine Sitzgelegenheit, einige unauffällige Requisiten, irgendwo ein Klavier.
Die Magie des Unauffälligen
Ein schwerer Barhocker diesmal, daneben eine stylische Bar-Beistelltisch-Combo eher teurerer Herkunft. Verwirrend bloß: Josef Haders Outfit. Fast könnte man sagen „Slim Fit“: Fantastisch sitzender Anzug, teures Hemd, gute Uhr, poppige Turnschuhe. Nix mehr mit dem Schlabber-Look früherer Programme, etwa als bunter Yuppie im „Keller“, verwahrlost-gescheiterter Einzelgänger in „Privat“ oder dem columbo-esquen Trenchcoat im Kammerspiel „Hader muss weg„, in dem sich der Namensgeber gar auf neun Rollen aufsplitterte. Ist Herr Hader auf seine alten Tage etwa schick geworden? Hat er einen Style-Berater? Und hat der ihm am Ende geraten, mit dem alten Mantra „die neue Bescheidenheit, Sachen, die 20.000 Schilling kosten und ausschaun, als ob’s 2.000 Schilling kosten“ aufzuräumen? Man zeigt heutzutage, was man hat. Hauptsache nachhaltig.
Josef Hader ist also auch sonst im Jetzt angekommen. Meidet die Stadt, liebt die Einsamkeit, setzt sich mit den dunklen Seiten seiner selbst auseinander, freundet sich sogar mit ihnen an und löst quasi im Alleingang die Probleme der Welt unter Zuhilfenahme längst vorhandener Stereotypen, nur halt ein bissl anders miteinander verknüpft als sonst üblich. Oder hätten Sie im Schutz des Eigentums als höchstem Gut unserer Gesellschaft die nachhaltige Lösung der Migrationskrise vermutet?
Akribisch erprobt
Josef Hader hat lange an seinem neuen Solo „Hader on Ice“ gearbeitet, es, so berichten Vertraute, akribisch geprobt. Und sich wie immer mit Detailliebe darauf konzentriert, was er am besten kann, nämlich gesellschaftliche Entwicklungen und ihre gratis mitgelieferten Fatalismen mit seismografischer Sensorik zu erkennen und gleichzeitig zu enttarnen. Wie zeitlos ihm das immer wieder gelingt, ist ebenso verblüffend wie die Tatsache, dass man für alles, was man falsch macht, die richtige Ausrede finden kann, wenn man nur lang genug nach ihr sucht. Ein weiteres Mal verbündet sich Hader mit keiner politischen Ausrichtung, verachtet alle Lager gleichermaßen durch Nichtbeachtung, lässt auch das – gewiss einiges an Vorlagen liefernde – politische Tagesgeschäft links oder rechts (je nachdem) liegen, freilich nicht ohne den einen oder anderen wohldosierten Giftpfeil abzufeuern. Im Visier hat der Mann im schwarzen Anzug sowieso stets ganz wen anderen: Sich selbst. Und er trifft damit uns alle.
Genau genommen ist jeder Satz der knapp zweistündigen Aufführung ein Treffer. Den längst bekannten, Haderschen Lach-Verschlucker, jenen denkwürdigen Moment also, in dem man sich über den vertrottelten Protagonisten auf der Bühne und seine dummen Eigenheiten köstlich amüsiert, exakt so lange, bis man draufkommt, dass man dabei höchstselbst ertappt wurde – jenen zunächst beklemmenden, dann aber auch irgendwie befreienden Moment kann man während „Hader on Ice“ ziemlich oft genießen. Der Künstler hat die Fähigkeit der gezielten Bloßstellung, deren Ursache er einem allerdings – im Gegensatz zu anderen Vertretern seiner Zunft – nicht nachträgt, im aktuellen Programm bis zur Perfektion kultiviert. Auch Haders beeindruckende Schauspiel-Skills kommen wie gewohnt beiläufig, aber doch pointiert und zielgerichtet zum Einsatz. Und dann wären da noch des Künstlers beeindruckende Fähigkeiten als Pianist, seit „Privat“ unbestritten und auch diesmal wieder herrlich zelebriert im Duett mit einem, hm … Wolf. Schauen Sie sich das an!
HADER ON ICE läuft ab sofort im Stadtsaal Wien, ab 13. Juni im Orpheum und ab 12. Juli im Schutzhaus zur Zukunft. Karten gibt es in den jeweiligen Veranstaltungsorten.