GENUSS

Enthaltsamkeit

Roland Graf

Dies ist zwar kein beinhartes Protestlied, wie der selige Arik Brauer getitelt hatte. Aber immerhin die erste Kolumne, die garantiert ohne „C“ (okay, abgesehen von diesem) auskommt. Weil abgesehen von einer weltweiten Krankheit mit diesem Initial – ob man sie jetzt mit angehängtem „-19“ oder so wie ein Bier benennt – kann dieser Lette, um es Vorgaben-konform mit fremder Zunge zu sagen, eh nix. Ohne „H“ oder „K“ dazu benötigten wir ihn bislang kaum. Und die wenigen Wörter, wo er am Anfang steht, könnten wir ebenso mit „K“ tippen: die Kremtorte etwa, den gewöhnungsbedürftigen Kaffee Latte, aber ebenso den Kouskous. Kakao und Kokosstangerl sind sowieso problemlos, reell jetzt!

Was für Sie eventuell wie eine infantile Ra…, äh: Vergeltung aussieht, hat aber einen tieferen Sinn. Es ist ein Symbol dafür, was uns die viel zu langen letzten Monate gelehrt haben: Dass wir mit wenig auskommen können. Hätte kaum jemand geglaubt, aber selbst die Lebensmittelläden kann man tageweise komplett zusperren, ohne dass eine kollektive Hungersnot entsteht. Dafür sind neue Formen des privaten Konsums entstanden. Fast zum Sport ist es bei uns geworden, mit Gourmandisen zu punkten, die aus der direkten Umgebung stammen und bislang eher wenig genutzt wurden.

Bei den mittlerweile gut eingespielten Zaun-Treffen (streng nur mit zwei Haushalten!) gab es neben einer safransatten Seebewohnersuppe im Glas ein anderes Mal wunderbar inszenierte Antipasti-Platten, die über die Latten hinweg geteilt und kommentiert wurden.

Von der großen Stadt erwähnt der Verfasser jetzt gar keine Silbe (ab und an klingt es ohne den bewussten Letter wahrhaft gestelzt!). Denn da konnte man die wunderbarsten Dinge auf einmal in zugestellter Form genießen. Über die viel zitierte „Krise als Potenzial“ können wir hier allein aufgrund des selbst auferlegten Verbots nix zu Papier bringen. Wollten wir aber sowieso keinesfalls tun. Sondern nur hoffen, dass z. B. weiterhin diese geilen Maismehlfladen, die mit TA beginnen und O enden, weiter ins Haus geliefert werden. Zumal, wenn die mit diesen pikanten roten Kleinstpaprikas gefüllt sind. Sie wissen eh, was gemeint ist. Und mögen wir uns alle von der Pandemie erholen wie jetzt diese eine Taste am Kolumnisten-Keyboard!


Roland Graf
Der bekennende (und in der heimischen Gastroszene Bunthund-bekannte) Genussmensch ist unermüdlich auf der Suche nach dem guten ­Geschmack.