Film & Serie
Nine Perfect Strangers – Psycho-Paradies der Stars
Die Handlung rund um die, sagen wir, ungewöhnlichen Methoden der mysteriösen Retreat-Betreiberin Masha in dem 10-tägigen Psycho-Detox-Center Tranquillum House ist eigentlich nicht wichtig. Der wahre Spaß ist das spielfreudige Star-Ensemble.
Text: Markus Höller, Fotos: Hulu
Die auf dem gleichnamigen Roman der Autorin Liane Moriarty („Big Little Lies“) basierende Serie hat sich aufgrund ihres seltsamen Pacings und der doch recht vorhersehbaren Plot-Twists einiges an Kritik eingefangen. Ob es darob, auch aufgrund der eigentlich abgeschlossenen Handlung, noch eine Fortsetzung in Form einer zweiten Staffel gibt, bleibt fraglich. Muss aber auch nicht sein, denn in den acht Folgen der Miniserie sollte man sich weniger auf den Plot, sondern auf die individuellen und gemeinsamen schauspielerischen Leistungen konzentrieren. Die lohnen sich wirklich.
Da wäre mal die Kidman, die als russischstämmige und elfenhafte, ja fast alienesque Betreiberin eines Luxus-Retreats in ihrem Verhalten immer wieder zwischen undurchschaubarer Verbindlichkeit und diktatorischem Sektenguru oszilliert. Vielleicht nicht ihre beste Schauspielleistung, aber mindestens so schräg bizarr wie als Atlanna in „Aquaman“. Melissa McCarthy polarisiert wie immer in ihrer Paraderolle als laute, übergewichtige und neurotische Nervensäge – hier aber weit nuancierter, als man das gewohnt ist. Das macht sie zwar weder zur Golden Globe-Anwärterin noch für ihre Hater annehmbarer, passt aber für die Rolle der Kitschroman-Autorin in der Krise wie Arsch auf Eimer, salopp gesagt. Bobby Cannavale als abgewrackter Footballstar, ein zynischer und rüpelhafter Schmerzmitteljunkie – da passt einfach alles, nur nicht der unglaubwürdige Handlungsstrang mit ebenjener Autorin. Der in Hollywood noch immer weit unter seinem Wert gehandelte Michael Shannon überzeugt wie eh und je, hier als gebeutelter und spießiger Dad, der sich mit Frau und Tochter dem schlimmsten Unglück stellen muss, das einer Familie widerfahren kann. Intensiv und einfühlsam, speziell im Zusammenspiel mit Serien-Ehefrau Asher Keddie, ein Kammerspiel für sich. Leider etwas zu wenig Screentime bekommen Melvin Gregg als neureicher Lottogewinner und seine vor Selbstoptimierung wie Oberflächlichkeit und Unsicherheit nur so strotzende Influencer-Freundin, gespielt von der bezaubernden Samara Weaving. Komplett nach gängigen Social-Media-Standards aufgepimpt (die Zähne!), ist die australische Schauspielerin neben Michael Shannon die wahrscheinlich beste Besetzung in dem wirklich starken Ensemble. Regina Hall schließlich als enttäuschte Single Mom mit schwerwiegenden Defiziten bei der Impulskontrolle wirkt leider oftmals deplatziert, da kann auch das wirklich facettenreiche Schauspiel am wirren Plot nicht viel richten. Dennoch: ihre Wutausbrüche sind spektakulär und sehenswert für sich. Auf jeden Fall ein schöner Kontrapunkt zum nach außen knallharten und kritischen, in Wahrheit aber nach dem Aus mit seinem Partner an gebrochenen Herzen laborierendem schwulen Undercover-Journalisten, der glaubwürdig von Luke Evans dargestellt wird.
Wie gesagt: lässt man die oft hanebüchenen Story-Elemente, die mitunter halbherzig angerissenen Zeitgeist-Themen wie Microdosing, Catfishing, diverses Shaming, soziale Ungleichheit und dergleichen einfach beiseite und erfreut sich einfach nur an den durch die Bank wirklich hervorragenden Schauspielleistungen, bekommt man gute sechs Stunden Acting-Binge auf höchstem Niveau.
Nine Perfect Strangers by David E. Kelley
Mit Nicole Kidman, Melissa McCarthy, Michael Shannon, Samara Weaving, Bobby Cannavale u.v.m.; 1 Staffel, Amazon Prime