AKUT

Weltramschrot über der Erde

Weltraummüll: Das Ende der Sternennacht

Manfred Sax

In wenigen Jahren werden über 60.000 kommerzielle Satelliten auf niedriger ­Umlaufbahn um die Erde schwirren. Maschinen werden unseren Planeten eingehüllt haben  und der Weltraummüll wird die Sicht auf den ­Sternenhimmel mittelfingern. Zeit für Weltraumaktivismus.

Text: Manferd Sax / Foto Header: Adobe Stock

Ein Nachthimmel voller Sterne. Den lieben alle. Lovers lieben ihn, irgendwo da droben ist ja auch die Venus. Kinder lieben ihn, keine Sternschnuppe ohne verwegene Wünsche. Vincent van Gogh liebte ihn, seine „Sternennacht“ ist eines der bekanntesten Gemälde der Welt. Der dunkle Nachthimmel mit seinem sichtbaren Sternenlicht ist ein Menschenrecht. Das menschliche Bewusstsein braucht ihn, so ein Himmel lehrt Demut, er zeigt uns, dass das Universum sich weder um uns dreht, noch um uns schert.

Astronomie. Soll heißen, Astronomen haben es gezeigt. Sie wussten schon anno Babylon, dass sich eine um die Erde drehende Sonne mathematisch nicht rechnet. Seit Nikolaus Kopernikus (16. Jh.) kennen alle das heliozentrische Weltbild. Heute schaffen Astronomen das unmöglich Scheinende: den Blick nach vor in die Zukunft ebenso, wie der Blick zurück in die Vergangenheit.

Technologie. Teil der Aufgaben ist auch das Verhindern von bzw. der Hinweis auf potenzielle Katastrophen. Berühmt die Pan-Starrs-­Teleskope auf der Insel Maui ­(Hawaii), seit Pan-Starrs-1 den ­Asteroiden Oumuamua, einen inter­stellaren Besucher unseres Sonnensystems, entdeckte. Spitzname des Teleskops seither: Asteroiden-Jäger.

Elon Musk
Elon Musk: Demnächst sollen 42.000 seiner Starlink-Satelliten in niedriger Umlaufbahn um die Erde kreisen. Das stempelt ihn zum führenden Verschmutzer des Weltalls. Foto: Getty Images

Satelliten. Obwohl die Abenddämmerung die beste „Screentime“ ist, arbeitet Pan-Starrs-1 nur noch nachts. Warum? Weil abends auch Satelliten im Sonnenlicht gleißen, deren Bewegung astronomische Bilder verwischt. In den vergangenen zwei Jahren wurden 1.000+ kommerzielle Satelliten in die niedrige Erdumlaufbahn geschossen. Bald sollen 60.000 dieser mechanischen Schwärmer um die Erde tingeln. Elon Musks SpaceX plant den Abschuss von 42.000 Starlink-Satelliten, dazu sollen sich 8.000 All-Bummler von Amazon gesellen. Dann sind da noch die Britisch-Indische Cooperation OneWeb (6.300+ geplante Satelliten), sowie Russland und China. Im Orbit ist demnächst die Hölle los. Die fliegenden Metallblöcke, sagen Astronomen, erhellen den Nachthimmel und werden den Glanz ­ferner Sterne und Galaxien „ertränken“, und mit ihnen die Astronomie. Daher sehen sich immer mehr Astronomen und Ingenieure als Weltraumaktivisten.(2)

Weltraumaktivismus. Die Bahnen der Starlink-Satelliten, sagen sie, beschreiben „Dutzende von Orbits, die sich wie Hula-Hoop-Reifen um die Erde legen“. (1) Es gibt bereits eine „Friedhofsumlaufbahn“, eine Abfalldeponie im Weltraum, die bald so aussehen wird wie der Plastikmüll im Meer. Soviel zu Stimmen, die sich gegen die Aktivisten wenden, sie mögen doch am Boden bleiben, von wegen Klimawandel. „Der Weltraummüll ist wie der Abfall im Ozean, der mit der Strömung treibt“, sagt Raumfahrttechniker und -Aktivist Moriba Jah.(1)

Wem gehört das All? 1967 wurde der UNO-Weltraumvertrag beschlossen und von ­allen raumfahrenden Nationen unterzeichnet. Demnach „gehört“ der Weltraum der gesamten Menschheit und darf nur für friedliche Zwecke ­genutzt werden. Allerdings hat ­Barack Obama 2015 ein Gesetz unterzeichnet, das US-Unternehmern gestattet, Bergbau im All zu betreiben. Und wie friedlich ist Kommerz, wenn sich Musk, Bezos & Co wie seinerzeit im Wilden Westen um die besten Satellitenplätze raufen? Aktivisten wollen der Natur „Rechte“ geben. Ein netter Gedanke. Es geht nicht um Musk, der am Mars begraben werden will. Es geht auch nicht um Beyonce, die ihre paar Minuten im Weltraum gebucht hat, damit sie ein Selfie mit unserem Planeten posten kann. Es geht um den nächtlichen Spaziergang am Meeresstrand für alle, mit einem Sternenhimmel darüber, dessen Anblick dich kurz mal andächtig erschauern lässt. Aus Gründen. Letztlich ist es Sternenstaub, aus dem wir entstanden sind.


(1) Ceridwen Dovey: Das Ende der Nacht – wem gehört das Weltall?, in Reportagen #60, September 2021.
(2) The Register, https://www.theregister.com/ 2021/11/06/ai_algorithms_satellites/