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Janina Lebiszczak: „Mei Wien is ned deppert.“

Christian Jandrisits

Janina Lebiszczak publiziert seit 25 Jahren im WIENER, war jahre­­lang im Chefteam der WIENERIN verankert und kann schreiberisch einfach alles, von Sex über Lebensphilosophie bis wechselweise.net. Sie lebt und arbeitet in Wien. Hier ihre Kolumne aus der Frühlingsausgabe des WIENER (454).

Mund-Art. Es ist vor allem der Dialekt, der Wien so unfreundlich erscheinen lässt. Ich aber liebe die Umgangssprache – sie ist große Kunst, Coping-Strategie und Seelenhygiene zu gleich. Frühling, du Montag unter den Jahreszeiten. Wenn Du in Wien lebst, lernst du ihn und sein ewiges Auf und Ab zu hassen. Weil: Immer windig, immer noch Wintereinbruch möglich. Gut, man könnte sich ja auf die nahen Berge begeben, da scheint sie verlässlich, die Sonne. Aber ich bin Wienerin, ich hocke nicht auf irgendwelchen Hütten herum und trinke schlechten Kaffee. Da bleib’ ich lieber in der Nebelsuppe und bin ordentlich grantig. Regelmäßig wird Wien zur lebenswertesten, aber auch zur unfreundlichsten Stadt der Welt gewählt. Wobei hier eindeutig Unfreundlichkeit mit Unmut, also mit Grant, verwechselt wird. Der Wiener Dialekt ist es wahrscheinlich, der auf viele Gäste so abschreckend wirkt. Er ist direkt, vulgär, sehr deskriptiv – und ich liebe ihn.

FÜR LEIWAND, GEGEN OASCH.

Unser Schimpfwort-Schatz ist enorm – im Vergleich existiert tatsächlich sehr wenig Umgangssprachliches für positive Emotionen. „Leiwand“ vielleicht, bzw. „Urleiwand“ oder neuerdings auch: „Für Leiwand, gegen Oasch“. Gut und schön, aber mich fesselt der umfassende Katalog der verbalen Aggression mehr. Insbesondere die kreativen Verwünschungen, die häufig nicht sehr ernst gemeint sind – ich war schon Zeuge von Auseinandersetzungen, die damit endeten, dass einer der Kontrahenten zu Lachen begann.

Es gibt wenige Konter, wenn man das Angebot bekommt, „eine Wendeltreppe ins Hirn gehauen zu bekommen, damit der Deppate drinnen auf auf und ab rennen kann.“

Janina Lebiszczak

Es gibt wenige Konter, wenn man das Angebot bekommt, „eine Wendeltreppe ins Hirn gehauen zu bekommen, damit der Deppate drinnen auf auf und ab rennen kann.“ Hinzu kommen die klassischen Direkt-Bezeichnungen wie „Wappler“, „Dilo“ oder „Heisl“, Frauen sind „Funzn“ oder „Bissgurn“, und Plus-Size-Menschen beschreibt man als „G’füde“. Das kommt von „gefüllt“ und ist damit eigentlich gar nicht so negativ. Wollen wir nicht alle voll sein, voll dem guten Leben, das nun mal eben seine Spuren hinterlässt?

GRANTIG, ABER ECHT.

Heute ist das Wienerische keine Alltagssprache mehr, doch es bleibt uns als kreative Ressource, etwa zum Dampf ablassen oder um Situationen zu beschreiben, denen Hochdeutsch nicht gerecht wird. Wenn mich etwas so gar nicht kümmert, dann interessiert es mich nun mal eben wie ein „Schas im Woid“. Flattert dem Selbstständigen die SVS-Abrechnung ins Haus, dann „kracht er wie a Kaisersemmel“. Und „a g’mahte Wiesen“ ist auch emotional leichter zu durchschreiten als ein Hindernisparcours. Und siehe da – jetzt habe ich mich nur mit einem Bruchteil der unzähligen Redewendungen der einstigen Vielsprachenstadt beschäftigt, und schon geht es mir wieder „tulli“ – also großartig. Wir sind nicht unfreundlich, wir haben einfach nur sehr viele, sehr intensive Gefühle, die wir mit Sprache zu zähmen versuchen. Die müssen alle raus, man muss „ois ausse lassen“, sonst verdreckt das Gemüt. Lieber grantig als „a foische Sau“. In diesem Sinne: Baba – und fallts net.