Stermann: 2 deutsche Städte

WIENER-Kolumnist Dirk Stermann über das wunderbare Wien, den einstigen Campingplatz Stuttgart und das traurige Hannover, wo hungrige Menschen mit Vergnügen tote Tiere essen.

Immer wieder wird Wien zur schönsten und liebenswertesten Stadt der Welt gewählt. Dass diese Einschätzung stimmt, wird vor allem deutlich, wenn man Wien mit deutschen Städten vergleicht. Zum Beispiel: Stuttgart galt bis in die frühen 1980er Jahre gar nicht als Stadt, sondern als Campingplatz. Als einzige deutsche Stadt ohne fließendes Wasser lockt Stuttgart vor allem Abenteurer und Rucksacktouristen an, die sich auch nicht von der verblüffend hohen Kriminalitätsrate abschrecken lassen. Pro Tag passieren in Stuttgart etwa 190.000 Gewaltverbrechen und 30 bis 40 leichtere Straftaten wie Erpressung und Scheckbetrug. Stuttgart hat zurzeit 200.000 Einwohner, die Zahl variiert ständig, vor allem auf Grund der Gewaltverbrechen.

Neben der Kriminalität sind die Haupteinnahme­quellen der Stuttgarter der Zeltverleih und das Aufpumpen von Luftmatratzen mit dem Mund. Wie in Baden Württemberg nicht anders zu erwarten, sind schwäbische Spätzle das beliebteste Essen. Allerdings kennt die Stuttgarter Küche nur rohe Lebensmittel. Wahrscheinlich aufgrund des fehlenden, fließenden Wassers. Das klassische Menü besteht aus rohen Teigwaren, einem rohen, falschen Hasen und einer Suppe, die nur aus Rohkost ohne Flüssigkeit besteht. Als Dessert liebt der Stuttgarter steinhartes Brot ohne alles.

Die Staatsform Stuttgarts ist eine sogenannte Technokratie, an der Spitze der Stadt steht der Technokrat, in der Regel ein Handwerksmeister. Seit 1992 ist Franz Hadamowsky das Stadtoberhaupt, ein magenkranker Feinmechaniker, der seine Mitbürger allesamt wie Lehrlinge behandelt. Hadamowsky wird gehasst, ist aber in der Technokratie nicht abwählbar. In Stuttgart leben nur 0,14% Christen, die meisten Stuttgarter sind sogenannte „Experten“, eine Art Sekte, deren einziges Ziel es ist, anderen etwas wegzunehmen.

Im nächsten Jahr feiert Hannover 25. Geburtstag. Ursprünglich als Kläranlage angelegt, zogen doch immer mehr Globalisierungsverlierer und Ostdeutsche nach Hannover, so dass die Kläranlage irgendwann eine Schule brauchte und einen Getränkediskont. Heute gilt Hannover als eine der liebenswertesten Städte unter den 10 hässlichsten Städten der Welt. Hannover hat neun Millionen Einwohner und drei Atomkraftwerke und statt eines Stadtzentrums einen Truppenübungsplatz der Bundeswehr rings um die alte Kläranlage, die natürlich das Wahrzeichen Hannovers ist, neben den unzähligen Tierkadavern, für die Hannover so berühmt ist.

In der ganzen Stadt liegen tote Tiere herum, wahrscheinlich, weil Hannover für Tiere ein ungeeigneter Lebensraum ist. Berühmtester Sohn der Stadt ist Hubert Geiselstrick, der Erfinder des Selbstmords. Seit dem frühen Mittelalter hängt ein Azorentief mitten über der Stadt, so dass man immerzu fröstelt. Zusätzlich ist die letzte Sonnenfinsternis in Hannover geblieben, das gibt der Stadt etwas sehr Geheimnisvolles. Überall liegen schlafende Kühe herum. Die Hannoveranerinnen und Hannoveraner arbeiten entweder in der Kläranlage oder in den Atomkraftwerken oder im einzigen Getränkediskont. Es gibt nur diese drei Arbeitgeber, denn die Schule wurde vor schon bald 24 Jahren wieder geschlossen, weil sie in Hannover als extremer Fremdkörper empfunden wurde. Deshalb gibt es auch keine Straßenschilder in Hannover, sie könnten von den Einheimischen nicht gelesen werden.

Höchster Feiertag ist das Fest des Schlamms am 24. November. Da sitzen bei strömendem Regen alle Einwohner acht Stunden lang regungslos in einer riesigen Sickergrube. In Hannover gibt es keine Restaurants oder Gastwirtschaften, wer hungrig ist, nimmt sich ein totes Tier von der Straße und isst es.

Erschienen im WIENER Nr.343 / März 2010