Agnès Milewski: “Es geht um den Umbruch”.

Agnés Milewski hat soeben ihr drittes Album „Almost Spring“ veröffentlicht. Dem Wiener Online gab sie dazu ein sehr persönliches Interview.

Agnés Milewski hat auf ihrem neuen Album “Almost Spring” eine Geschichte zu erzählen – eine Geschichte von Umbrüchen und Veränderungen, keine einfachen, angenehmen, leicht von der Hand gehenden Veränderungen wohlgemerkt. Schließlich kommt vor dem Frühling nunmal der Winter, und der zeigte sich der Musikerin gegenüber in seiner ungnädigsten Form. Knebelverträge, Depressionen, finanzielle Probleme: Agnés Milewski hat sich von all dem irgendwie freiboxen können und gibt dem Wiener Online ein sehr persönliches Interview über den Entstehungsprozess zu ihrem neuen Album.

Wiener Online: Erzähl ein wenig über die Entstehung deines neuen Albums „Almost Spring“.

Agnés Milewski: Die Songs für Almost Spring sind in einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren entstanden, teilweise in in Wien, teilweise in Irland – meinem „spirituellen Zuhause“, wie es Leland Bardwell (Eddie’s Mutter , Schriftstellerin) nennt. In dieser Zeit sind die wahrscheinlich größten Umbrüche meines Lebens passiert, eine Zeit in der es galt, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen, was man in diesen Songs auch hören kann. Wir haben die Arrangements zum Teil spärlich angelegt, im Gegensatz zu meinen ersten beiden Alben. Auf Almost Spring stehen die Songs für sich, ohne Bombast, mit Luft zum Atmen, und Menschen, die mir wichtig sind. Ich wollte die Emotion, die hinter dem jeweiligen Song steht, in den Vordergrund bringen, nicht irgendwelche technischen Finessen, denn die Emotion ist am Ende das, was übrig bleibt, wenn die Musik verklungen ist.

Die Jahre, die zum Album führten, waren ja wahrlich keine leichten oder angenehmen. Kannst du
ein wenig darüber erzählen?

Vor einigen Jahren gab es viele so plötzliche Ereignisse, dass ich damals gar nicht wusste, wie mir der Kopf steht. Die langjährige Beziehung, in der ich damals stand, ging plötzlich zu Ende, ich wurde (zum insgesamt dritten Mal in meinem Leben) obdachlos, war pleite und verschuldet, und obendrein stand ich in Verbindung zu Menschen, die alles andere als wohlwollend waren. Ich konnte meine Arbeit als Musikerin nicht mehr fortsetzen, weil ich an Verträge geknebelt war, und ich musste abwarten, bis die Möglichkeit bestand, diese aufzulösen. Das dauerte fast zwei Jahre. Ich musste mir daher, damit ich mir ein Dach über dem Kopf leisten konnte, einen Job suchen, der mit Musik nichts zu tun hatte. Ich wurde schwer depressiv, musste Medikamente nehmen, habe zehn Kilo
abgenommen, weshalb ich ständig krank war, und stellte mehr denn je meine gesamte Existenz in Frage. Den Umstand, dass ich heute hier bin und diese Frage beantworte (was mir alles andere als leicht fällt) habe ich ausschließlich einer handvoll Menschen zu verdanken, die nicht aufgehört haben an mich zu glauben. Mit einigen davon habe ich dieses neues Album aufgenommen.

Bei dir ist ja 2013 vieles neu, auch die Bandbesetzung ist ja deutlich anders als beim letzten Album, oder?

Ganz genau. Ganz nach dem Motto und passend zum Frühling „alles neu macht der Mai“, haben wir Eddie McLachlan (Gitarre, Ukulele), Walter Till (Flöten, Bassflöte), Bernd Bechtloff (Drums, Percussions), Martina Heck (Backing Vocals, Glockenspiel) sowie Stephan ‘Stoney’ Steiner (Violine, Akkordeon, Nyckelharpa). Produziert haben wir gemeinsam mit meinem langjährigen guten Freund Jonas Petersen, der bereits auf den beiden vorigen Alben als Musiker mitgewirkt hat.

„Almost Spring“ – fast schon Frühling: warum nur fast?

Es geht um den Umbruch. Dieser kurze Moment, der Übergang von Winter zu Frühling. Die Sonne, die durch den Nebel durchkommt, aber noch zu schwach ist, um zu wärmen. Die Bäume, die noch nicht mit frischem Hellgrün überzogen sind, sondern mit einem violettem und dunkelroten Schleier, die schwarze Erde, aus der noch nichts wächst, unter der es dennoch zu brodeln scheint, und du weißt, es dauert nicht mehr lange, bis alles ausbricht. Dieser Moment in der Natur ist magisch. Zu wissen, dass nach Monaten ohne Licht wieder etwas kommt, worauf man sich freut. Und auch wenn es nicht so offensichtlich zu sein scheint, beflügelt der Gedanke daran die ganze Welt.

Du hast ja schon quer durch Europa Konzerte gespielt: kannst du dich an eines erinnern, das besonders toll war und an eins, das das genaue Gegenteil davon war?

Schlechte Momente gibt es immer wieder einmal, wenn man auf Tour ist. Man kommt nach 500 km Fahrt am Veranstaltungsort an, und der Kellner von dem Lokal, wo das Konzert stattfindet, weiß von nichts. Oder man bekommt ein Hotel zugesichert, und schläft dann auf Matratzenlagern auf einem Dachboden – alles (und noch vieles mehr) schon gehabt! Ich glaube, einer der besten, wenn nicht DER beste Moment auf der Bühne war ganz am Anfang meiner Karriere, vor mittlerweile fast zehn Jahren, als ich meine ersten Songs zum so ziemlich zum ersten Mal performed habe. Es war ein kleines Festival im Waldviertel, andere Bands hatten gespielt, es war recht laut, die Leute haben gequatscht und viel getrunken. Ich war damals wahnsinnig nervös und schüchtern, aber was dann passiert ist, hat mich fast umgehauen. Während ich gespielt habe, wurde es plötzlich so dermaßen still, man hätte eine Nadel fallen hören können. Die Leute, die draußen gestanden sind, sind reingekommen, um zu sehen, was da gerade passiert, weil sie das nach den vielen lauten Punkbands wohl nicht erwartet hatten. Nie im Leben hätte ich mir das erträumt! In dem Moment habe ich begriffen, dass das hier etwas ist, was für mein Leben eine große Bedeutung haben wird. Am nächsten Tag habe ich meinen damaligen Job im Supermakrt gekündigt und mir ein eigenes Stagepiano zugelegt!

Was steht als nächstes an? Wohin geht’s weiter?

Wir spielen noch einige Konzerte die nächsten Monate, werden im Sommer noch das eine oder andere Video drehen und viel reisen, neue Inspiration sammeln, neue Songs schreiben. Nebenbei bin ich an einigen anderen Projekten beteiligt wie an der irischen Band Ciunas, der italienischen ProgRock Band Mogador, sowie dem Elektronik/Pop Projekt Sunrise 16. Kooperationen dieser Art erweitern den Horizont und geben Inspiration für neue Ideen, die dann hoffentlich irgendwann in einem vierten Agnes Milewski Album resultieren werden!

mehr Infos: www.agnesmilewski.com

Fotos (c) Christoph M. Bieber