Chuck Berry: Eine Legende stirbt live on stage

Gottlob ist Chuck Berry am Leben und auch bei guter Gesundheit. Aber man sollte die mittlerweile 87jährige Ikone des Rock’n’Roll, die für fast alle Vertreter des Genres als Idol und Vorbild gilt, in Würde altern lassen.

Die Videos, am 12. April von einem Zuschauer beim Start der aktuellen Chuck Berry-Welttournee im Vaerket Klub, Randers, Dänemark aufgenommen, verstören. Sie zeigen einen alten Mann mit Kapitänsmütze und Gitarre, der nicht recht weiss, was er mit dem Instrument um seinen Hals anfangen soll. Von einer druckvollen wie cleanen Backing-Band angetrieben findet er weder in den Song, noch die richtigen Akkorde. Aufs Singen verzichtet er komplett, sein Solo endet im Desaster. Das Publikum verlässt teilweise den Saal, jene die bleiben applaudieren nicht der aktuellen Darbietung, sondern fast mitleidig der Legende Chuck Berry. Von der allerdings an diesem Abend wenig übrig bleibt.

Cashcow

Die Rock’n’Roll-Legende gilt als Idol für Generationen, machte alle Höhen und Tiefen des Business durch, steht aber längst unbestritten als Superstar fest, ist nicht allein durch zahlreiche Neuinterpretationen seiner Titel aus der Welt der Musik nicht mehr wegzudenken. Aber Chuck Berry ist 87 Jahre alt. Und wird von fragwürdigen Managern und Musik-Industriellen nach wie vor als Cash-Cow ausgepresst, also von Bühne zu Bühne geschleppt. So tritt er etwa für fette Gage in Moskau auf, spielt pro Monat mindestens ein Konzert, umfangreiche Reisetätigkeit inklusive. Dass der Meister dem grundsätzlich zustimmt, mag sein. Ob es seiner Marke, seiner Legende und letztlich auch ihm selbst rein gesundheitlich betrachtet gut tut, bleibt fraglich.

Auch in Wien 2009 schon seltsam

Schon das letzte Gastspiel des Meisters vor fünf Jahren in Wien zeigte deutliche Ermüdungserscheinungen des damals 82jährigen. So ging er im Wiener Konzerthaus bereits nach 45 Minuten Live-Action von der Bühne, ein von seinen Agenten damals offensichtlich ohne sein Einverständnis ausgemachter, aber gut dotierter Kurz-Auftritt bei einem Blues-Gig im Wiener Reigen endete in einer Farce, als Chuck Berry sichtlich genervt bloß für etwa zehn Sekunden die Bühne betrat, ein „hello, hello, hello“ in die enttäuschte Menge rief und wieder abging. Die jämmerliche Performance des Agenten, der den Altmeister wieder zurück auf die Bühne drängen wollte, generierte unfreiwillige Lacher wie Bestürzung en masse.

In Würde altern

Nicht nur der Respekt vor der Legende, auch der Respekt vor dem Menschen Chuck Berry würde es gebieten, Live-Gigs wie jene traurige Show in Dänemark nicht mehr stattfinden zu lassen. Und einen Mann, der das Musikgeschehen so weitreichend beeinflußte, in Würde altern zu lassen.