„Putin isst halt gerne Fleisch“

Statt Wladimir Putin versorgt Jerôme Rigaud heute Touristen mit Speis und Trank. Von Banketten mit 2.000 Gästen und Jacques Chiracs Kalbskopf erzählte der ehemalige Kreml-Koch dem WIENER.

Angekommen. Es gibt hässlichere Arbeitsplätze. Wenn Jerôme Rigaud aus seinem Küchenfenster schaut, fällt sein Blick auf Palmen, dahinter rollen die Wellen des Indischen Ozeans auf ihn zu. Seit anderthalb Jahren kocht der Franzose in Flic en Flac, einem der beliebtesten Badeorte in Mauritius. Zuvor servierte er den Kreml-Bewohnern seine Drei-Sterne-Küche. Dass sich auf der Insel immer mehr Russen erholen, kommt dem ehemaligen Putin-Koch zugute, wie er relaxed bei einem Stück New York-Cheesecake („den macht mein einheimischer Patissier sensationell“) erzählt.

Monsieur Rigaud, wie wird ein Franzose eigentlich Chefkoch im Kreml?

Ich habe vorher schon einige Jahre in Moskau gekocht. Und wir Franzosen werden generell recht gut aufgenommen in Russland. Ich habe mich immer recht wohl gefühlt und spreche auch Russisch. Am Telefon hat mir meine Mutter nicht einmal sagen müssen, „Jerôme, du redest mit mir“, weil ich gerne russische Wörter einstreute.

Angeblich hat der russische Staatschef ja auch noch Vorkoster?

Hier muss ich Sie enttäuschen, die gibt es nicht mehr. Allerdings wandern alle Zutaten zunächst ins Labor und werden dort untersucht.

Was war das Lieblingsgericht von Präsident Putin?

Das kann ich leider nicht verraten. Und zwar nicht aus Bösartigkeit, sondern weil die Staatsoberhäupter wie Medwedew und Putin sehr oft eingeladen werden. Kennen Sie die Geschichte von Jacques Chirac und dem Kalbskopf…?

….der ihm immer serviert wurde, egal, wo er hinkam?

Genau, weil er ihn einmal als Lieblingsessen genannt hatte, und dann bekommen sie immer nur das eine Gericht. Daher muss ich dazu schweigen. Nur so viel: Präsident Putin isst gerne Fleischgerichte, während sein Vorgänger Dimitri Medwedew einen etwas gastronomischeren Zugang hatte und etwa gerne Meeresfrüchte bestellt hat.

Was hatten Sie außer der Zubereitung von Essen für die Kremlchefs noch zu tun?

Bei Einladungen für Staatsgäste bereitete ich für gewöhnlich sieben Gänge vor. Wenn es sehr große Staatsbankette waren, reduzierten wir das Menü auf vier Gerichte. Schließlich konnte es da auch schon passieren, dass wir 2000-3000 Leute bekochten. Da kamen dann alleine um die 10.000 Stück Geschirr zum Einsatz.

Und hier in Mauritius gehen Sie es jetzt ruhiger an?

Das ist mein allererster Hotel-Job und das war auch der Grund, warum ich hier gelandet bin; ich wollte einmal etwas ganz Neues machen. Im „Maradiva“ versuchen wir vor allem persönliche Wünsche zu erfüllen. Ein Gast etwa hat jeden Tag das gleiche Dessert verlangt, weil sie es so gut fand. Das habe ich dann am letzten Tag mit ihr gemeinsam gekocht. Oder, wenn jemand tagsüber einen Fisch gefangen hat, bereite ich den auch gerne zu. Es sollte nur kein 100 Kilo-Marlin sein (lacht). Dazu kommen maßgeschneiderte Menüs, die ich zubereite, nachdem unser Ayurveda-Arzt die persönliche Typanalyse abgeschlossen hat und die Essensempfehlungen vorliegen.

Und die russischen Gäste freuen sich sicher auch, wenn sie von ihrem Vorleben erfahren?

Ja, schon. Für eine Hochzeit hat sich letztens ein Gast „Borscht“ (Rote Rüben-Suppe, Anm. d. Red.) für alle gewünscht, aber auch zum orthodoxen Neujahrsfest koche ich gerne russische Gerichte. Und da viele Russen ja auch zur Jagd kommen, serviere ich am Abend gerne das Wildschwein, das sie im Wald neben dem Hotel selbst geschossen haben.

Gibt es so etwas wie mauritische Küche?

Die gibt es. Vor allem Meeresfrüchte oder Fische wie der Red Snapper und die allgegenwärtigen exotischen Früchte prägen sie. Nur ein Beispiel: Bei mir zuhause kann ich die Mangos vom Balkon im ersten Stock direkt vom Baum pflücken. Man isst auch gerne das „braune Schwein“ (cochon marron), wie man hier zum Wildschwein sagt. Dazu kommen die Gewürze und der indische Einfluss, etwa bei der Verwendung von Tamarinde als Würzmittel. Die Frische der Zutaten macht viel aus. Ich habe selbst damit begonnen, viele Kräuter und auch Gemüse in einem hoteleigenen Garten anzubauen. Wenn Sie nach einem typischen Gericht suchen, wäre das wohl der „Millionärssalat“ mit Palmherzen und geräuchertem Marlin.

FAKTISCHES

Jerôme Rigaud wurde in Abidjan/Elfenbeinküste geboren, wo seine Eltern als Lehrer tätig waren. In Perpignan aufgewachsen, lernte er das Küchenhandwerk bei den Drei-Sterne-Köchen Joël Robuchon (im „Astor“, Paris) und Michel Troisgros (Roanne). Rigaud kochte neun Jahre in Russland, darunter 2008-2012 als Küchenchef des Kreml. Seit dem Vorjahr leitet er die drei Restaurants des Luxus-Resorts „Maradiva“ in Mauritius.