Essen

Japans Spießertum

Wenn man es wienerisch sagen wollte, hat Wini Brugger die wohl ungewöhnlichste „Hendlbraterei“ der Hauptstadt eröffnet. Es gibt japanisches Streetfood im Barockambiente …

REDAKTION: ROLAND GRAF

Der Hausherr stand mit seinem Händchen für asiatische Aromen hinter dem Indochine, nach seinem wieder rückgebauten Hotel- Restaurant-Konzept am Ring wurde es ruhiger um ihn. Brugger suchte die letzten Monate als Privatkoch in Wien 9 sein Auskommen; dass er nun wieder einen etwas spontan zugänglicheren Herd bespielt, ist höchst erfreulich. Wie er das im Winisan tut, hat Skurrilitätsfaktor.

In der beschaulichen Josefstadt steht die Alte Backstube. Hier wurde die Maschine erfunden, die der Handsemmel den Garaus machte, der Innenhof – den Brugger mitbespielt – ist ein Barockjuwel. Ausgerechnet hier empfangen einen quietschbunte Sessel, auf die Gewölbewand pinselte man einen Comic-Sumoringer und am Weg in die Wirtsstube findet sich eine Vitrine, die wie aus dem Heimatmuseum wirkt. Tanzkarte vom Önologen-Kränzchen 1906, sag ich nur. Und zum Drüberstreuen wartet eine Tiroler Zirbenstube, in der nur mehr der Enzianschnaps fehlt. Sorry für den innenarchitektonischen Exkurs, der erklärt, warum Brugger von einem japanischen Heurigen spricht. Tatsächlich regieren die Kleinigkeiten, denn die Küche zelebriert neben Sashimi (keine Platten, sondern nur von einem Fisch, z.B. Wolfsbarsch) Yakitori. Klassisches Streetfood also, meist vom Federvieh: Neben Filets und Keulen steckt der Asien-erprobte Koch auch Hühnerherzen und -lebern auf die Spieße. Was auch in einem umgebauten Trailer schmecken würde, erhält hier durch Saucen und Marinaden eine Veredlung. Selbst der Lachs, die Sau der Meere, hat seine Berechtigung, wenn er mit Soja und Sesam als hawaiianischer Poké-Salat auftritt.

Langjährige Brugger-Fans werden vielleicht bemängeln, dass er viel zu selten seine Meisterschaft beim Curry- Abschmecken auslebt, die Suppe vom roten Curry beamt einen aber ins alte Indochine zurück. Pfeffer- Wodka oder Ingwer samt Soja und dem japanischen Allzweck-Wein Mirin verwandeln aber auch so ein braves Spießerl in eine aromatische Überraschung. Und selbst mit dem eigentlichen No-Go Chicken Wings versöhnt man sich im Winisan. Nicht ganz durch, wenn auch unvergleichlich flaumig waren die Fleischbällchen. Für Pluspunkte sorgen Sake-Auswahl und Daniel- Moser-Kaffee, auch bei den Weinen kalkuliert man gästefreundlich. Wir sind ja schließlich beim (asiatischen) Heurigen!

WINISAN

Lange Gasse 34, 1080 Wien, geöffnet ist Dienstag bis Samstag ab 17 Uhr (und bis Mitternacht).
http://www.winisan.com

Preise: Chili Hot Pot 8 Euro, Yakitori zwischen 8 (Huhn) und 18 Euro (Garnele). Ähnlich teuer sind Hauptspeisen, die nicht vom Grill kommen.
Pflicht-Kauf: Leber-Yakitori; Bananen-Brot-Pudding mit japanischem Whisky
Ideal für: Heiratsantrag an nicht vegane Cosplayerin oder Treffen von Manga-Sammlern

Vergangenen Monat testete Roland Graf das Grand Ferdinand. Wer dort auch ein wenig gustieren möchte, kann das HIER tun.Foto: Sandra Keplinger