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Ein perfektes Paar – Dirk Stermanns Kolumne im WIENER W430

Dirk Stermann spaziert den Donaustrand entlang und beobachtet braungebrannte Paaren ohne jegliche Verbindung zueinander. Er A1, sie Drei. Am lebendigsten wirkten jene, die miteinander stritten. Doch dann begegnete er einem Fischer und seiner Frau …

Während man über Boris Beckers Rosenkrieg liest und Angelina ­Jolie ihren Kindern scheinbar ­verbietet, Worte zu benutzen, in denen die Buchstaben B, R, A, T, P und I vorkommen, steigen Zweifel auf, ob es überhaupt noch glück­liche Paare gibt. Gut, Philippa Strache erzählt in jedem Interview, dass ihr Zahntechniker ein wunderbarer Mann ohne Ressentiments gegen Ausländer sei, aber wenn man ihrem Herzallerliebsten so zuhört, wird’s einem ganz schwer ums Herz. Sie hört ihm scheinbar gar nicht zu, sonst hätte es ihr irgendwann einmal auffallen müssen. Wenn Paare sich nicht mehr zuhören, ist eigentlich schon alles verloren.

So ging ich zweifelnd und be­kümmert an der Donau entlang. Vorbei an Pärchen, die neben­einander in der Sonne lagen und in unterschiedlichen sozialen Netzwerken kommunizierten, aber nicht miteinander. Deren Tätowierungen aus­sahen wie Kriegserklärungen an den Partner oder die Partnerin. Braungebrannte Körper ohne jede Verbindung zueinander. Er A1, sie Drei.

„Der Sommer ist eine harte Zeit, ohne Fluchtmöglichkeit in den 12- Stunden-Arbeitstag.“

Am lebendigsten wirkten noch Paare, die miteinander stritten. Aber klassisch glücklich wirkten die auch nicht. Urlaub ist eine ­harte Zeit, wenn er und sie oder er und er oder sie und sie auf­einander zurückgeworfen sind, ohne Fluchtmöglichkeit in den 12-Stunden-Arbeitstag.

Die Donau floß grün an mir vorbei, die Sonne knallte von oben meine Synapsen weg und ich begab mich resignativ in den Schatten unter schöne Bäume. Ich saß am Donaustrand und beobachtete einen Angler, der bis zu den Knien im Wasser stand und Fisch um Fisch aus dem Fluss zog und in ein Netz warf, das er um einen Baumstumpf gebunden hatte. „Sie sind aber ungewöhnlich ­erfolgreich“, sagte ich. „Ich dachte, ­angeln heißt vor allem warten, aber bei Ihnen heißt angeln ja wirklich, Fische am Haken zu ­haben.“ „Ja“, antwortete er und warf die Angel erneut aus. Sogleich bog sie sich; er hatte schon wieder etwas gefangen. „Die meisten sind Barben“, sagte er. „Und Nerflinge. Frauen­nerflinge werf ich zurück, die sind ganzjährig geschont.“

Ich kannte diese Fischart nicht und dachte, man schriebe sie mit V. Nervlinge und Frauennerv­linge. Extrem nervende Fischart. „Nein“, rief eine Frauenstimme von einer Sonnenliege aus. „Mit F. Frauennerflinge. Hübsche Fische. Die wirft mein Mann immer zurück. Die Nerflinge grill ich dann.“

Die Frau des Anglers lag in ihrem roten Bikini auf einer gelben Sonnenliege. Sie lächelte freundlich, der Angler lächelte aus dem Wasser zurück. Schon wieder zappelte ein Nerfling oder eine Barbe im Netz. „Mein Mann fängt fünfhundert Kilo Fisch pro Jahr“, sagte sie stolz. „Ich grill sie dann.“ „Ich angle gern“, sagte er. „Ich komme aus Bosnien. Dort hab ich auch schon geangelt. Immer schon. Meine Frau ist Kroatin. Sie ist am Meer aufgewachsen und hat immer schon Fisch gegessen.“

„Eigentlich nur Fisch, seit meiner Kindheit“, sagte sie. „Wir ergänzen uns deswegen sehr gut. Ich angle gern, sie isst gern Fisch.“ „Ja“, sagte sie. „Das ist das ­Geheimnis unserer Beziehung.“ „Ich angle sehr gut und sie bereitet den Fisch sehr gut zu. Wir haben eine extra angefertigte Fischpfanne aus Gusseisen. Wir verwenden Maismehl, dann brennt der Fisch nicht an.“

„Aber fünfhundert Kilo?“, fragte ich. „Ist das nicht ein bisschen viel für zwei Personen?“ „Nicht, wenn man sich liebt“, ­ sagte er und warf die Angelschnur wieder ins Wasser. „Wir lieben uns und wir lieben Fische. Er als Sport, ich als Gericht“, sagte sie. Sie waren beide schlank. Vielleicht ist es wirklich eine gute Art, sich ausschließlich von Fisch zu ernähren. Von Fisch und Liebe. Es gibt sie nämlich. Die Liebe. Bei Wien, am Donaustrand.

Foto: © Udo Leitner