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Rock Rockenschaubs Kolumne im WIENER #W434 – Deutliches Nicken
Wenn wir auf der Friedhofstribüne vom Sportklubplatz standen, dann flogen immer wieder ein paar Bälle über uns hinweg und landeten im Garten der Kleinen Brüder der Heiligen Legionen Jesu, eines Schweigeordens, der dahinter sein Kloster hatte. Irgendwann lagen dort so viele Bälle, dass einer von uns sie holen musste, und zusammen mit Guttmann, dem Bullen, erledigte ich den Job.
Ich läutete die Bimmelbammelglocke am riesigen Portal der Anstalt, dann dauerte es, bis uns ein kleines Männchen öffnete. Der Typ war erwartungsgemäß in einen braunen, speckigen Sack gehüllt, auf dem ein paar Flöhe herumhüpften, die zu mir herüber wollten, aber ich wehrte sie ab. Um seine schmale Taille herum trug er ein Seil, das seinen gebeugten Körper zusammenhielt, und wenn man ihn an den Ohren zog und anhob, dann maß er vielleicht einen Meter fünfzig, ich dachte: Kein Wunder, dass man sie die Kleinen Brüder Jesu nennt!
Dafür waren seine Augenbrauen die längsten, die ich je gesehen habe. Seine Hände waren verknorrt und zittrig, und im Mundwinkel hing ihm eine Zigarette, an der er mehr kaute, als dass er sie rauchte. Es fehlte nur noch das Stirnband und die satt klingende Mahagoni-Gibson, und er wäre als Keith Richards durchgegangen. Es hätte mich jedenfalls nicht gewundert, wenn er gleich „Gimme Shelter“ angestimmt hätte. Weil er sich nicht bei mir vorstellte, würde ich ihn einfach Keith nennen, falls wir doch noch miteinander ins Gespräch kommen sollten.
Dann kamen zwei weitere dazu, sie trugen ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen wie zwei Original Gangster ihre Kappen, und ihre Kutten waren noch dreckiger als die von Keith. Man konnte, wollte sich aber nicht vorstellen, wie es darunter aussah. Ich würde den einen Charlie nennen und den anderen Ronnie, falls wir auch mit ihnen noch ins Gespräch kommen sollten. Sabber lief ihnen aus den Mündern, in denen nur noch vereinzelt Zähne steckten, hinein in ihre Bärte, die sich nach Pantene Pro-V-Antifett sehnten. Wir hatten es hier mit den Vollfreaks
unter den Mönchen zu tun, keine Frage. Sie erinnerten mich ein wenig an meinen Kumpel Lemmy, nur dass sie nicht ganz so stoned waren wie er.
Keith nickte endlich fragend in unsere Richtung, was Guttmann mit einem leichten Nicken beantwortete. Aber Keith verstand nicht, was Guttmann zusammennickte, also schob ich ihn zur Seite und nickte deutlich deutlicher in Richtung Garten, dann deutete ich auf meine Eier. Keith verstand nun sehr gut, was ich wollte, denn er nickte umgehend in Richtung Charlie, der wiederum zackig zurücknickte, bevor er sich Ronnie zuwandte, auch diesem kurz zunickte und dann in Richtung Garten nickte – „Da geht’s lang!“ –, was Ronnie wiederum sofort verstand, denn er nickte zurück und ging gleich dorthin, wo er ein paar Bälle aufhob und in seiner Kutte sammelte. Dabei sahen Guttmann und ich, was für dicke Bälle er darunter trug, und wir nickten uns anerkennend zu.
Nachdem wir uns gegenseitig ausgiebig zugenickt hatten, gaben sie uns die Bälle und wir gingen wieder hinaus, und dort vor der Türe sagte ich streng zu Guttmann: „Du musst in Zukunft einfach deutlicher nicken, wenn du es mit denen zu tun hast. Hast du nicht gemerkt, dass sie schwerhörig sind?“
Manfred Rebhandl. Autor in Wien. Zuletzt erschien von ihm BIERMÖSEL – Die vier Kultkrimis in einem Band – im Haymon Verlag.