Film & Serie

Diego Maradona: Der Gottkomplex

Kein Spieler hat den Fußball seiner Zeit so geprägt wie er, kein anderer Sport-Superstar hat jemals so polarisiert. Diego Armando Maradona, ewiges Idol und Problemkind, bekommt ein dokumentarisches Denkmal gesetzt.

Man muss kein Fußball-Fan sein, um diese Dokumenta­tion zu lieben. Aber es hilft. Mit über zwei Stunden Laufzeit ist die filmische Biografie von Doku-Ass Asif Kapadia (Senna, Amy) einen Hauch zu üppig geraten, was der großzügigen Einspielung von Fußballpartien geschuldet ist. Aber das ist gleichzeitig auch die Stärke der fast streng chronologischen Schilderung des Lebens von Maradona, denn nur so verstehen auch jüngere und/oder wenig fußballinteressierte Kinogeher dieses Phänomen. Während die bescheidenen Anfänge und der noch bescheidenere Lebensabend des einst größten Kickers der Welt knapp in Montagen abgehandelt werden, konzentriert sich der Film auf seine Jahre im Kader von SSC Napoli und der argentinischen Nationalmannschaft. Praktisch ausschließlich aus Archivmaterial zusammengesetzt, aus dem Off von ehemaligen Wegbegleitern und Maradona selbst kommentiert, zeigt die Doku den steilen Aufstieg des Buben aus dem Armenviertel von Buenos Aires einerseits und des vormals grottenschlechten Vereins aus dem Armenhaus Italiens andererseits – aneinandergekettet von einer unerbittlichen Fanhysterie und wirtschaftlichen Verstrickungen bis hin zur Camorra.

Das traurige Schisma von Diego, dem fleißigen und hochtalentierten Sportler einerseits, und Maradona, dem Superstar-Ego andererseits, nimmt in der Saison 1986/87 endgültig Fahrt auf dem Highway to Hell auf. Bei der WM in Mexiko geht er in die Geschichtsbücher ein, als er im denkwürdigen Spiel gegen England nicht nur das „Hand Gottes“-Hands-Tor versenkt bzw. mit seinem Jahrhundertdribbling den Sack zumacht – und damit Argentiniens Schmach im Falklandkrieg vier Jahre zuvor rächt. Er holt noch dazu den WM-Titel für sein Land und beginnt eine Saison, die ihn und Napoli im Jahr darauf zum italienischen Meistertitel führt. Vorerst unbemerkt von der Öffentlichkeit ufert seine Kokainsucht und der luxuriöse Lebensstil so aus, bis der einst gottgleich gefeierte Sportler zuerst von den Fans, dann von Italien selbst bis hin zur Camorra und am Ende auch von der FIFA fallen gelassen wird. Alles danach wird gnädigerweise kaum gezeigt, was bleibt, ist ein bewegendes und faszinierendes Biopic, das gleichzeitig als Sittenbild für jede Art von Starkult dient.

Diego Maradona, Produzenten: James Gay-Rees, Paul Martin, Regie/Drehbuch: Asif Kapadia, Schnitt: Chris King, Musik: Antonio Pinto, Verleih: Filmladen, Start: 5. 9. 2019

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