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„Der nackte Regisseur“ – Das sexuelle Erwachen Japans

Netflix machte es möglich: eine TV-Serie über eine Zeit, als das prüde Japan ins horizontale Leben erwachte. In „Der nackte Regisseur“ schlüpft die großartige Misato Morita in die Haut der legendären Porno-Aktrice Kaoru Kuroki, die in den 80er-Jahren öffentlich für die „Befreiung der Vagina“ kämpfte.

Foto: Mio Hirota/Netflix

Tokio in den 80er-Jahren: Die Rezession wich gerade einem Boom, Sony stand im Begriff, ein neues Format – die Compact Disc – auf den Markt zu werfen, die Gangster der Yakusa-Gruppe Yamaguchi-gumi beherrschten den Sexmarkt von Kabuki-Cho im Stadtviertel Shinjuku. Dortselbst wurde gerade die Videokassette entdeckt, um der Pornoindustrie neues Leben einzuhauchen. Und ein erfolgloser Vertreter namens Toru Muranishi nahm sich vor, die Pornoszene aufzumischen. Was fehlte, war die richtige Darstellerin. Die platzte von allein in sein Büro: eine freigeistige Kunststudentin namens Megumi, die davon träumte, „frei und ungehemmt, vielleicht sogar schmutzig“ zu sein. Und in Porno einen Weg der Selbstverwirklichung sah. Sie überzeugte den Regisseur so fulminant, dass er selbst in die Rolle des männlichen Darstellers schlüpfte – der nackte Regisseur war geboren. Megumi wählte den Künstlernamen Kaoru Kuroki (= Duft von Ebenholz), in der Folge als „Mädchen mit den Achselhaaren“ japanweit berühmt. Weil sie sich weigerte, dieselben zu rasieren („Wozu? Sie sind Teil von mir.“), so, wie es auch im europäischen Feminismus der 70er-Jahre vorübergehend chic war (Kennwort: ZZ Top im Würgegriff). Muranishi wurde reich, Ms Kuroki eine Talkshow-Sensation, wo sie unverblümt deponierte, was für sie Sache war. Über Muranishi: „Er hat mir eine selbstbewusste Vagina gegeben.“ Und vor allem über Japan: „Wir sind ein zu scheues Volk. Eine Vagina ist was Fantastisches. Wir sollten ihr gestatten, sich auszudrücken.“ Weil Top-Aktricen sich weigerten, eine Porno-Queen zu mimen, fiel die Wahl auf die weitgehend unbekannte Misato Morita. Zum Glück, wie Regisseur Masaharu Take gestand: „Sie hat sich vor unseren Augen in die leibhaftige Kaoru verwandelt.“ Und ja, die Sexszenen sind in der Tat umwerfend. Tipp: Check Episode 5.

„Der nackte Regisseur“ mit Takayuki Yamada und Misato Morita, Regie: Masaharu Take. 1 Staffel, 8 Episoden á 50 Minuten, auf Netflix.