AKUT

Tutende Arschlöcher

Doch, sie hat schon etwas bewirkt, die Greta Thunberg. Dieses Mädchen aus Schweden, die durch ihre pragmatische Disposition, die das Asperger Syndrom mit sich bringt, so unbestechlich ist in dem, was sie kommunizieren will. Kernaussage: „Wir sind eigentlich nur Kinder, ihr müsst nicht auf uns hören. Aber ihr müsst auf die Wissenschaft hören.“ Es ist jetzt klipp und klar, was nicht mehr geht, und es ist undiskutierbar, wenn man bei Trost ist. Dann also Leben ändern. Und hoffen, dass die Kinder meiner Kinder in ihrem Leben noch die Pasterze sehen, den größten Gletscher Österreichs, bevor sie wegschmilzt für immer. Es gab für uns keinen Urlaub dieses Jahr, der mit dem Flugzeug zu bestreiten war. Also Italien. Und überhaupt, jetzt sind alle Familienmitglieder in einem Alter, in dem ihnen auch Kultur als Erholungstool zuzumuten ist. Der inspirierte Geist, der beflügelt wird, und so. Daher: Venedig. Es wurde ein Nachtzug gebucht, das wird ein Spaß, gerade mit Kindern, wurde mir versichert, und ich wollte das gerne glauben.

Halb 10 Abfahrt von Wien, und halb 9 in der Früh steigt man in Venedig aus. Perfekt. Ich könnte sie jetzt ausbauen, die Geschichte, mit dem anscheinend falsch oder doppelt gebuchten Schlafabteil, eine Verwirrung, die sich nie aufgelöst hat, aber ich war die mit den Kindern und habe gottlob gewonnen. Und war dann so nett, dass wir in dem Dreierabteil doch zu sechst lagen. Waren drei Schnarcher, dafür habe ich viele längst verschüttete Gedichte in meinem Kopf wieder ausgegraben und für mich rezitiert. Angekommen in Venedig, fuhren wir mit dem Vaporetto in die Nähe unseres Quartiers, die Kinder jauchzten, ich schlief fast ein, trotz der jedes Mal aufs Neue so betörenden Schönheit dieser Stadt.

Wir suchten uns in den nächsten Tagen Restaurants mit Bio-essen, vegan, weil Tiere und Klima waren ja auch so eine Sache. Danach gab es die Kunstausstellungen, wo ich immer gut damit zu tun hatte, dafür zu sorgen, dass wir keinen Versicherungsfall produzierten. Am vierten und letzten Tag maulten alle inklusive mir, dass wir nie schwimmen waren, obwohl am Meer. Und überhaupt, wir waren jedes Jahr am Meer, auf faul und nicht Kultur, warum eigentlich dieses Jahr nicht? In dem Moment schob sich über mehrere Minuten ein Ungetüm von Schiff, gigantisch groß wie ein Hochhaus, an den Ausblick durch die Häuser aufs Meer vorbei. Es machte einen Tuter, so atemberaubend laut, dass die Fantastilliarde Tauben in Venedig aufflog, mehrere Babies zu weinen begannen und wir drei unisono „Arschlöcher!“ brüllten, was, glaube ich, schon gut kam, so stilmäßig, wenn eine Mutter das mit ihren beiden Söhnen einstimmig zusammenbringt.

Und da war dann die Erkenntnis. Gerne kann man bei sich anfangen, die Welt zu retten, aber es wird immer tutende Schweinepriester geben, denen das alles egal ist. Gesetze braucht es, Politik, für die Zukunft, die Menschen brauchen Regeln von außen. Die Rückfahrt von Venedig fand in gelösterer Stimmung statt. Venedig tat immer gut. Wir hatten mehr Platz, weil das Abteil für uns alleine. Wir sprachen darüber, wohin wir nächstes Jahr ans Meer fahren, was wir erleben werden und begannen halt sehr früh mit der Vorfreude. Wir kauten auf unseren Reiseweckerln herum, mit den geheimen Wurstblatteln drinnen. Und ich schrieb meiner klugen Freundin ein Dankes-SMS, weil sie sich für uns alle in den Wahlkampf einbrachte für die Nationalsratswahlen im Herbst. Sie wird über unsere Kinder und unsere Enkelkinder sprechen in ihren brillanten Reden. Und darüber, wie wir Gesetze bekommen, sodass die tutenden Arschlöcher ihnen nicht mehr schaden können.


Heidi List
Wenn sie nicht liest oder Musik hört, arbeitet die zweifache ­Mutter selbstständig als Kommunikationsmanagerin und freie Autorin.