GENUSS

Solidar-Schluck

Der Veltliner steht in Flammen! Nicht nur weil die Buschbrände in Australien auch Österreichs Parade­sorte bedrohen, richten wir den Blick auf den fünften Kontinent, ein verkanntes ­Wein­paradies.

Text: Roland Graf / Foto Header: Getty Images, sonst: Hersteller

Mit „Austernschalen-Mineralik“ beschreibt man hierzulande eher selten Heurigenweine. Doch genau diesen Grund nennt Kate Laurie vom Weingut „Deviation Road“, wenn es darum geht, warum sie bei Adelaide seit elf Jahren Grünen Veltliner kultiviert. Für die Winzerin hat unser Nationalheiligtum weiters sogar „Kiwi-Aromen“ zu bieten. Doch aktuell hat Laurie andere Sorgen. Denn ihr Weingut liegt nur 40 Minuten von einem der schlimmsten Brandherde der australischen Buschfeuer entfernt. Und die gerade in voller Blüte befindlichen Reben leiden bereits unter dem Rauch – von ­einem Vollverlust der Ernte ganz zu schweigen.

Entsprechend ernst waren auch etliche der Winzer, die der WIENER bei der alljährlichen Topverkostung in London traf, zu der die nationale Weinmarketinggesellschaft Wine Australia geladen hatte. Vor den geführten Verkostungen gingen Folder mit den Fundrai­sing­aktivitäten und Solidaritäts­auktionen durch. Selbst in der schweren Krise, die die Buschbrände für die australische Landwirtschaft darstellen, zeigte sich aber der professionelle Zugang der Aussies. Präzise wurde in einer Landkarte festgehalten, welche Weinbaugebiete bedroht sind – „lediglich ein Prozent der Reb­fläche befindet sich in vom Feuer betroffenen Gebieten“.

Rund um die Städte Sydney, Canberra und Adelaide finden sich diese roten Zonen, der Großteil der Brände wütet aber in küstennahen Zonen Südaustraliens – viele Winzer sind zum Glück weiter landeinwärts angesiedelt. Denn auch am fünften Kontinent wandert der Weinbau in höhere Lagen. 700 Meter hoch etwa liegt Lark Hill, das erste Weingut, das „down under“ überhaupt einen Veltliner abfüllte. An den eingezäunten Weingärten von Chris Carpenter, die von ­Boden und Temperaturen an das Kremstal erinnern, springen ­allerdings Kängurus vorbei.

Mittlerweile ist der Grüne ­Veltliner unter den neuen Rebsorten landesweit die Nummer zwei. Hat es eine Rebsorte erst durch die strenge Quarantäne Australiens geschafft, kann sie jedermann kultivieren. In „Austria, not Aus­tralia“ müsste sie dazu schon im Rebsorten-Kataster stehen, um sie am Etikett anzuführen zu dürfen.

„Wir sind immer noch ziemlich gesetzlos“, lacht dazu Mike Bennie, den man mit Baseballmütze, Hand­tuch und kurzen Hosen kaum für einen der wichtigsten Weinjournalisten Sydneys halten würde. Doch gerade das weitgehend liberale Weinrecht des Landes ergibt ungewöhnliche Ergebnisse in der Flasche. Während im Barossa Valley die teuersten Rotweine von 120 Jahre und älteren Stöcken stammen, gibt ein paar Dutzend Kilometer weiter Taras Ochota ­seinen Grenache auf Traminer-Maische.

„Co-Fermentation“ nennt sich dieser Mix aus weißen und roten Trauben, der in Österreich streng geächtet ist. Allerdings betreibt Wine-Punk Ochota in seinem Heimatort Uraidla auch eine Pizzeria in der ehemaligen Kirche. Und biblisches Aramäisch hat der Mann studiert, mit dem dieser Trend begonnen hat: Tim Kirk von Clonakilla hat in den Hügeln vor der Hauptstadt Canberra fünf Prozent der weißen Sorte Viognier zur Paradetraube Shiraz zugefügt. Wie eine Frische-Injektion hat das für den Rotwein gewirkt, und Kirk ist dabei geblieben. Kellermeister Bryan Martin schichtet das wie ­ein Sandwich in den Gärtank: Erst kommen die Shiraz-Trauben samt Stängeln, dann der kleine Anteil Viognier, und der Rest wird mit Shiraz-Trauben ohne Stiel aufgefüllt. Mittlerweile ist Clonakilla ein weltweit respektiertes Kultweingut, dem man selbst australische Rieslinge abkauft. Warum? Weil Australien auch das kann!

Endlich Aussie damit!
Wenn die Waldbrände auch nur etwas Gutes haben, dann vielleicht, dass wieder mehr australischer Wein getrunken wird. Denn die un­gewöhnlichen Sorten und eine fast anarchische Gesetzeslage lassen den Österreicher staunen. Hier sind vier Klassiker, die dem WIENER schmecken:

Grüne Gischt
Aus dem Surfer-Paradies Margaret River stammt der „SémSau“, wie ihn die lockeren Aussies nennen. Grasige Noten killt der Sémillon, dafür gibt’s Maracuja und Limette im knackigen Steiermark-Stil. Nur halt vom Indischen Ozean!

Cape Mentelle, „Sauvignon Blanc/Sémillon“ 2017, um 18,90 Euro bei www.vicampo.at


Jager-Saftl
Das Hunter Valley, nördlich von Sydney, ist eine der ältesten Weinregionen des Kontinents – und der „Vat 1“ einer der bekanntesten Sémillons. Fast bremselnd bringt er jetzt Zitronengras, Melisse und weißen Pfeffer zum Vorschein.

Tyrrell’s, „Vat 1“ 2013, um 39,95 Euro bei www.weinco.at


Old Spice
Der GSM-Blend (Grenache, Shiraz, Mourvèdre) ist keine Seltenheit im Barossa-Valley, das Rebstock-Alter – bis 150 Jahre (!) – hingegen schon. Duftet wie ein Oud-Parfum und bringt leicht­füßige Brombeere bei doch fast 15 % Alkohol mit.

Torbreck, „Old Vines GSM“ 2015, um 18 Euro bei www.gottardi.at


Rot-Weißer
Bei uns undenkbar, kommen hier rote (Shiraz) und weiße (Viognier) Trauben aus den Hügeln um Canberra gemeinsam zur Vergärung. Mit Höchstnoten in Weinführern, Schmelz und irrer Würze (Harissa!) wartet der 2013er auf.

Clonakilla, „Shiraz/Viognier“ 2013, um 67 Euro bei www.wine-in-black.at