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Franz J. Sauer mit dem Gespür für die Tür und der harmlose ältere Herr

Ich war ja in der Waldorfschule. Kein spannender erster Satz, aber ich steigere mich. Versprochen! Wenn Sie jetzt aufhören, versäumen Sie etwas. Garantiert! Wahrscheinlich wollen Sie mich jetzt fragen, ob ich meinen Namen tanzen kann? Alle Menschen machen diesen Witz. Selbst wenn sie nie Witze machen, den da machen sie quasi zwanghaft. Meine Antwort wäre, ich weiß es nicht, ob ich das noch kann mit dem Namentanzen, und dass es viel wahrscheinlicher wäre, dass ich Ihnen die Nase brechen könnte, und nicht mal das stimmt heute noch. Unter Schüssel hätte das noch fix gestimmt, auch wenn Sie sich gewehrt hätten. Unter Gusenbauer eventuell, und seit Faymann geht es bergab. Nicht mit der Sozialdemokratie, sondern mit mir und meinen Reflexen. Im Dezember werde ich 60 Jahre alt, und Kurz ist Kanzler. So habe ich mir das nicht vorgestellt mit mir und der Weltrevolution.

Der Oberboss Franz J. Sauer hier beim WIENER war ja mal Türsteher. In keinem der Clubs, wo ich Lokalverbot hatte, und die waren seinerzeit gar nicht so leicht zu finden. Es gab Zeiten, da konnte ich mich stolz hinstellen und ­sagen: Ich kann meinen Namen tanzen, ich habe in einer Band ­gespielt, und man kennt mich auf allen drei zuständigen Wach­zimmern, ohne dass ich meinen Ausweis zeigen muss. Jetzt kennt mich keiner mehr. Die Beamten sind jung und vom Land. Bei den jungen Stadtpolizisten vom Land bin ich einfach ein Niemand. Quasi ein älterer, harmloser Herr, dabei wäre ich lieber eine ausgefressene Transe in einem Hafenpuff vom Shanghai als ein harmloser älterer Herr. Aber mich fragt ja keiner.

Wobei, wer harmlos ist und wer nicht, sieht man nicht immer gleich. Nicht alle Bösen haben ­einen tätowierten Hals. Und ich kenne wen, der wen kennt, der befreundet ist mit einem Tätowierer, und der hat wem anderen, den ich auch kenne, erzählt, dass er seinem Steuerberater steuerschonend auf Gegengeschäft den Hals und die Hände tätowiert hat. Ich meine: Steuerberater? Ernsthaft? Steuerberater kommt gleich nach Hochzeitsplaner und vor Fußpfleger. Ich hatte einen Steuerberater, wie ich noch Geld hatte, und der kam immer mit goldbrauner Herrenhandtasche. Mehr muss man nicht wissen über diese Zunft.

Verwirrend ist ja dieser aktuelle Trend zum absichtlich schlechten Tattoo. Gute Tätowierer bieten das an, wahrscheinlich zum
doppelten Preis, und dann extra schlecht. Einmal das Kugelschreiber-Tattoo im Style Gerasdorf 1978 für die junge Dame bitte. Apropos alte Zeiten, der Jack ­Unterweger war ja mal bei mir im Studio bei einem Casting. Damals waren Modells noch nicht tätowiert, und wenn man jemand ­dahingehend brauchte, hat man bei keiner Agentur angerufen, sondern bei der Bewährungshilfe oder dem Professor Girtler. Jedenfalls war der Unterweger bei mir im Studio, und jetzt werden mich wahrscheinlich drei Frauen der Sorte „Der Jack hat immer so gut gerochen!“ verklagen, aber ich erinnere mich mit Grausen, wie er sein Hemd auszog. Ich weiß nicht viel über Jack Unterweger, aber seine Freunde rochen deutlich besser. Das weiß ich fix.

Aber zurück zum Oberboss hier und seinem Gespür für die Tür. Ich darf ja jetzt im heiligen WIENER schreiben, aber wäre ich in seine Lokale gekommen? Ich denke mal: Ja, aber nur, wenn ich ohne meine Freunde gekommen wäre. Es gab Zeiten, da hatte ich keinen einzigen Freund, der irgendwo sein durfte als in den eigenen Lokalen. In der Inneren Stadt hatten die quasi überall Lokalverbot. Der Hauptgrund, warum die Puffs ums Marriot aufgesperrt wurden, war, weil sich die Strizzis auch mal die Füße wärmen wollten nach dem Weihnachtsshopping.

Was wäre wohl passiert, wenn der Oberboss und ich aneinandergeraten wären? Sagen wir 2000 im Dezember, da war mein vierzigster Geburtstag. Sie müssen sich das so vorstellen, in der linken Ecke Franz J. Sauer mit dem Körperbau und der Naturkraft des routinierten Bierzeltraufers, und auf der anderen Seite ich als Vollpsycho mit dem Alles-ist-möglich-­Repertoire. Nun, ich werde, wie bereits erwähnt, sechzig Jahre alt im Dezember, und mit Oberboss Franz J. Sauer verbindet mich, dass wir uns nicht für unsere Vergangenheit genieren. Abgesehen davon: Immerhin muss er meine fetten Schecks unterschreiben. Und schon deswegen formuliere ich es mal so: Es wäre schlecht für mich ausgegangen. Allerdings: Sollten Sie mich mal persönlich treffen – mich erkennt man leicht, ich bin der ältere, harmlose Herr von Wien Neubau –, erzähle ich Ihnen, was ich wirklich denke. Und bitte fragen Sie mich nicht, ob ich meinen Namen tanzen kann. Ich bin zwar jetzt harmlos, aber so harmlos auch wieder nicht.


Götz Schrage
war bis vor Kurzem exklusiv am Zweirad unterwegs. Nach einem Unfall, bei dem er bewusstlos auf der Gumpendorfer Straße gefunden wurde, hat er als Spätberufener den B-Schein gemacht. Die Ärzte meinen, es gäbe keinerlei Folgeschäden nach dem Unfall. Wir von der Redaktion sind uns da nicht so sicher.