Motor

Der moderne Mann – über Gefühle, Eier und rosa Kinderbadewannen

„Mama tried to safe us from the streets, but the streets were too strong“ (Barry White)

Barry White musste ins Gefängnis, weil er Reifen für seinen Cadillac gestohlen hatte. Ein ziemlich prächtiger Grund, um ins Gefängnis zu gehen. Mir könnte das auch passieren. Ich bin voller Geheimnisse, nur schwul bin ich nicht. Ich bin völlig unhomosexuell, quasi so wie Barry White, nur dünner und meine Stimme liegt um eine Nuance höher. Zugegeben, ich hatte kürzlich ein wunderbares Erlebnis mit einem Mann, aber wir haben uns nicht einmal berührt, und es war eine Menge fetter Stahl ­zwischen uns.

Der Wiener Gürtel war leer in jener Nacht. Wir standen beide als erster und einziger Wagen alleine bei der Ampel vor der glamourösen Währinger Kurve. Dann fuhren wir los in enger Eintracht. Die lange Gerade, dann die Hernalser Kurve, wo einst ein Kino war, und weiter runter, bis man den Blick hat, den ganzen Westbahnhof ­hinunter. All das in wunderbarer Synchronität. Zwei Männer in schwarzen Limousinen. Mal fuhr der eine zwei Meter vor dem ­anderen, dann wechselten wir in sanfter Sachtheit. Bei den roten Ampeln fanden wir einander wieder wartend auf das grüne Licht, um dann die spannende Kurve nach dem Burger King eng an eng, quasi Wange an Wange, durchzutanzen. Eine Gerade noch rauf zur Südbahn. Es war innig und wunderbar. Ein wenig hatte ich mich vielleicht verliebt in diesen Mann ohne Gesicht, aber es war eine völlig unhomosexuelle Liebe.

Generell denke ich nicht viel nach, wie das ist, ein Mann zu sein, aber als Kolumnist muss ich das wohl tun. Viele junge Menschen werden sich wohl an mir orientieren, und diese Herausforderung gilt es, anzunehmen. Viel weiß ich nicht über die Geschlechter. Frauen riechen besser und sagen so putzige Sachen, die mein Herz erwärmen. So viel weiß ich schon. In meinem Pass steht ein fettes „M“ und bestätigt damit offiziell, dass ich ein Mann bin. Bei mir müsste das nicht stehen. Jeder weiß das. Bono wurde vor ein paar Jahren zur „Frau des Jahres“ gewählt, weil er immer so peinliche Sachen sagt zum Feminismus und zum Planeten überhaupt. Wenn Bono reist, kennen ihn die Zöllner sicher und wollen wahrscheinlich seinen Pass gar nicht sehen. Die wollen sicher lieber ein Autogramm für ihre Zöllnermütter. Ich war vor Kurzem testen wegen der Corona-Scheiße und musste ein Formular ausfüllen. „M“, „F“ und „Div.“ stand zur Auswahl, und ich wusste die richtige Antwort sofort, und das, ohne in meinem Pass nachzusehen. Bono müsste wohl nachsehen wegen dem Preis oder so. Mich würden sie nie zur „Frau des Jahres“ wählen. Dieser Mist bleibt mir garantiert erspart.

Ich weiß, es gibt die Theorie, dass das Geschlecht sozial kon­struiert sei. Bei mir war das einfach da. Schon als Kind war das da und garantiert nicht konstruiert. Es gibt Fotos, die das beweisen. Ich sitze da in einer rosa Kinderbadewanne, und es hat mir weder geschadet, noch schäme ich mich ­dafür. Und ich schäme mich auch nicht, ein Mann zu sein. Ich finde das für sich großartig, und meine größten Erfolge als Mann hatte ich, weil ich ein Mann bin und es daran auch nichts zu zweifeln gibt. Weder grundsätzlich noch überhaupt. Damit hebe ich mich wohltuend ab von den Beischlafbettlern aus der Männer­yogagruppe, die wurden wahrscheinlich auch in ­einer rosa ­Kinderbadewanne ­gebadet. Aber offensichtlich zu heiß und mindestens einmal zu oft.

Bloß nicht devot sein, sondern sein, was man ist. Das ist meine Mission, und das muss ich den jungen Männern jetzt hier erklären. Man ist, was man ist, und fertig. Als gebürtiger Piefke sind mir diesen windschiefen Komplimente schon immer so auf die Nerven gegangen. Diese feixenden Fressen, die Sätze sagen wie: „Normalerweise hasse ich die Deutschen ja, weil … aber du bist wirklich ein netter Kerl.“ Scheiß auf den „netten Kerl“, ich will von solchen Leuten nicht gemocht werden, die mich quasi als Ausnahme mögen, die ich garantiert nicht bin und nicht sein will. Genau so ist es mit mir als Mann, ich bin nicht irgendwas trotz irgendwas, ich bin etwas genau deswegen. Ich furze nicht beim Essen und trete auf keine Babykatzen, weil man das nicht tut, und nicht, weil ich etwa sanft und sensibel bin. Ich bin ­garantiert nicht sensibel. Meine Mutter hat mich testen lassen.

Und wieso sollten wir Männer mehr auf unsere Gefühle achten? Gefühle sind nutzloses Zeug. Wir haben kein Talent für diese Art von sanften Gefühlen, und darüber nachdenken sollten wir schon gar nicht! Wir sollten wieder mehr über unsere Eier nachdenken, weil die haben wir sicher. Die sind das Beste an uns, und es schadet auch nicht, mal hinzufassen und sich zu vergewissern, ob sie wirklich noch da sind. Dann klappt es auch mit den Frauen, und zwar nicht aus Mitleid, sondern weil sie uns wollen. Ich kannte schon genug Frauen, die meinten, dass sie „Männer wie mich eigentlich nicht mögen“. Aber da bin ich dann doch geblieben, weil ich wusste, dass sie lügen und nichts lieber wollen als Männer wie mich. Die jungen Männer sollten das wissen, und deswegen schreibe ich das hier auch auf.

Am Matzleinsdorfer Platz trennen sich unsere Wege. Er biegt ab zur Triesterstraße, ich fahre geradeaus durch die Unterführung, wo ich immer ein wenig an Lady Di denken muss. Auf Radio Burgenland singt Roy Black, dass man nicht alleine ist, wenn man von der Liebe träumt, und ich weiß, dass er recht hat. Ich öffne das Fenster und lasse mir die kalte Luft ins Gesicht blasen. Beinahe wäre ich ein wenig sensibel geworden, aber wirklich nur beinahe.


Götz Schrage
war bis vor Kurzem exklusiv am Zweirad unterwegs. Nach einem Unfall, bei dem er bewusstlos auf der Gumpendorfer Straße gefunden wurde, hat er als Spätberufener den B-Schein gemacht. Die Ärzte meinen, es gäbe keinerlei Folgeschäden nach dem Unfall. Wir von der Redaktion sind uns da nicht so sicher.