Meinung

Stern? Schnuppe!

Was fällt uns ein, wenn wir die Worte Couturier oder Designer ­hören? Richtig. Große Häuser wie Dior, Chanel und andere. Es bestehen Unterschiede zwischen Haute Couture (Modehäuser der Chambre Syndicale/maßgeschneiderte Kreationen) und Prêt-à-porter (von Designern entworfene konfektionierte Mode). Couture-­Häuser operieren meist in beiden Branchen, sie müssen schließlich von etwas leben. Die Jungs von Mercedes fahren ja auch nicht nur Formel 1.

Diese Häuser existieren teilweise schon über 100 Jahre. Ihr Aufstieg passierte nicht über Nacht, ihr Ruhm ist über Jahre durch Kontinuität gewachsen, beobachtet von „analoger Presse“. Sie holen sich junge Talente, die unter ihrer Schirmherrschaft zur Topform auflaufen, wie etwa Tom Ford, der bei YSL und Gucci diente, bis er 2006 sein eigenes Label lancierte. Daneben hungert eine breite Masse an hoffnungslosen Fällen. An und ab haben sie das Glück, bei irgendeiner Newcomer-Show lobend von Suzy Menkes erwähnt zu werden, oder es findet gar Anna Wintour ermunternde Worte für sie. Tritt dieser Fall ein, stürzt sich die gesamte internationale Modepresse mit all der ihr zur Verfügung stehenden digitalen Macht auf das sich selbst verwirklichende Kerlchen. Es wird einige Monate lang in den Himmel katapultiert, um dort dann in aller Ewigkeit zu ruhen. Denn der nächste Stern am Modefirmament erstrahlt bereits kometenhaft, um kurz danach in seinem eigenen gleißenden Licht zu verglühen. Ein Grund, warum ich es mittlerweile aufgegeben habe, mir noch die Namen irgendwelcher „total wichtiger – Was? Den kennst du nicht?“ ­Designer zu merken.

Ich frage mich nun, ist die mediale Gier nach Neuem, die unfassbare Macht von Social Media und letztendlich die immer kürzer werdende Konzentrationsspanne der User schuld daran, dass junge Talente verheizt werden, ohne jemals die Möglichkeit ergreifen zu können, sich nachhaltig zu entwickeln? Andererseits setzen sich die wirklichen Ausnahmetalente langfristig fast immer durch, und der Rest ist ­wahrscheinlich eh vernachlässigbar.

Elvira Trevira
Fashion is her Profession. Sie kolumniert im WIENER und bloggt unter BLOG-MAG.NET