Men of Stil

Der Modepartisan

Alex Pisecker

Mario Soldo: Gastarbeiterkind aus Jugoslawien, Mutter aller heimischen Dragqueens, Impressario, Kosmopolit und echter Wiener. Wir besuchten ihn in seiner brandneuen Home-Disco, einem Platz für Feen, Elfen und Nonkonformisten jeglicher Art.

Interview: Alex Pisecker, Foto: Maximilian Lottmann

Was oder wer hat dich modisch beeinflusst?
Fred Adlmüller – als ich seinen mondänen Salon an der Kärntner Straße betrat, fühlte ich mich dort sofort geborgen. Und natürlich Jean Paul Gaultier, den ich beim Dreh zu dem Videoclip „Let me be your underwear“ von Drag Attack, das waren der Ken Krüger„Chantal St. Germain“ und ich, in Ibiza kennenlernte. Aber auch all die anderen großen Modeschöpfer, mit denen ich durch meine Arbeit immer wieder persönlichen Kontakt hatte, wie Castelbajac, Galliano, Westwood, Mugler und wie sie alle heißen …

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Intersphärisch, unkonventionell, auffallend. Mein Stil definiert sich durch persönliche Stimmungen, wobei ich dem Anlass gerecht und meinem ­Gegenüber kreativ und bunt entgegensetze.

Hast du deiner Meinung nach die Wiener Modeszene beeinflusst?
Na klar. Ich bin eine Wiener Modeikone. Keiner, der in den 80ern angefangen hat, konnte an mir vorbei. Ich bin ein Szene-Faktotum. 1996 gab es ein Ranking des „News Magazins“, bei dem die 100 wichtigsten Modepersönlichkeiten Österreichs gekürt wurden. Ich hatte es auf Platz vier geschafft, worauf ich immer noch stolz bin.

Wie siehst du die österreichische Modelandschaft?
Durch die Digitalisierung und nun auch durch die Pandemie hat sich alles grundlegend geändert. Ein guter Designer hat eigene Ideen und entwickelt einen eigenen Stil. Ich sehe sehr viel, jedoch im Moment nicht wirklich ­irgendetwas von Signifikanz.

Mode und Sex?
Dazu würde ich gerne RuPaul zitieren: „You are born naked, the rest is drag!“ Ob Kleidung geschlechterkonform ist, stelle ich in Frage! Es ist verkehrt herum, die Frauen hätten ursprünglich die Hosen anhaben sollen und die Männer die Röcke. Die Schotten machen es richtig. Und grundsätzlich würde ich die Frage mit „ganz wenig ist mehr als gar nix“ beantworten.

Wie siehst du die Zukunft der Modeindustrie?
Die sehe ich im Secondhand- und Vintage-Handel sowie einer Ausweitung des Unisex-Themas. Ich arbeite seit etlichen Jahren mit Humana zusammen, wir stellen Modeschauen auf, die wie beispielsweise die „Colors of Africa“-Show auf der MQ Vienna Fashion Week in Kooperation mit dem Label AMBA 22 Millionen Mal retweetet wurden. Wir müssen uns auf unsere Erde besinnen und die Verschwendung von Ressourcen vermeiden.

Polo: Kappa Sport, Jacke: Lisi Lang (Lila), Jogginghose: Kik, Schuhe: Scarosso

Personal
Mario Soldo wurde 1963 in der kroatischen Stadt Imotski geboren und übersiedelte im Alter von zwei Jahren nach Wien. Soldo, der sechs Sprachen fließend spricht, maturierte in der Gymnasiumstraße, und danach ging’s ab ins U4. Er begründete förmlich die Wiener Drag-Szene. Bei einem Konzert von Sade Adu, das Herr Schellmann ihm auftrug, zu moderieren, trat er erstmals als „Dame Galaxis“ auf. Bis 1988 moderierte Soldo die legendäre „U-Mode“, zuletzt im Messepalast, hier trat er übrigens Jörg Haider mit seinen Stilettos unabsichtlich, dafür aber so richtig auf die Füße. „Ronacher En Vogue, die Galanacht der österreichischen Mode“ folgte, daraufhin die Int. Modetage Wien (IMOTA) im MAK und anderen Locations. Eine Hamburger Agentur beauftragte ihn, die Eröffnung des Gucci-Shops in Wien zu veranstalten. In London überreichte man ihm eine Fibel mit peinlichst genauen Anweisungen, von der Platzierung der Maki am edlen Porzellan bis zur Farbe des Klopapiers. Geladen war das Who’s who der ­Republik. Nächste Challenge: Pressesprecher des Luxustempels Galeries Lafayette in Berlin. Nach 9/11 konzentrierte sich Soldo intensiv auf den Ausbau seiner PR/Eventagentur Mother Agency. Neben all dem blieb zwischendurch Zeit, 30 Mal nach Ibiza zu jetten, für Jean Paul Gaultier in L.A. über den Laufsteg zu fegen, im Rahmen des kroatischen Lighthouse Festivals das „Cafè del Mario“ mit 2.500 Besuchern zu schmeißen und nun seinen kleinen, aber feinen „Home-Disco“-Verein zu installieren. Selbstverständlich gemäß allen Covid-Vorschriften und immer unter dem ­Motto: „Once a Queen, always a King!“