GENUSS
Ausgehungert
Schlurf-Frisuren sind nichts Schlimmes. Selbst der Finanzminister trägt Nackenrolle und findet aktuell anderes weit uncooler. Herr Blümel hat die Hausdurchsuchung, ich die Heimsuchung, die uns Friseurbesuche vergessen lässt. Tja, wohin man sich auch wendet, derzeit sind Sorgen einfach fix eingebucht.
Berlin, 10. Februar. Stefan Adrian, ein Seewinkler, erklärt auf www.mixology.eu, warum es besser ist, in der Bar zu trinken als daheim vorm Bildschirm. Denn dort weiß der Wirt ebenso mit Stänkerern umzugehenn wie der Nebenstehende am Tresen. Kennt man ja, den Unzufriedenen. Nun gießt aber nicht ein Wirt Schnaps nach, sondern jedes Posting Öl auf die niedrig brennende Flamme des Geistes. Diese Ode auf die zivilisatorische Kraft der Bar schließt mit einem Blick in die alte Heimat: Würde ich noch in Wien arbeiten, würde er sich mit einem „Bist eh ka Oasch!“ in die Nacht verabschieden. In welchen Teppich er nun daheim beißt, weiß hingegen keiner.
Bad Tatzmannsdorf, Rosenmontag. Vor der Konditorei Kaplan läuft offenbar ein Weltrekordversuch, von dem keiner weiß: Wie lange kann man bei einem Espresso auf dem Bankerl ausharren? Verschärfte Bedingungen stellen der Pappbecher des konsumierten Kaffees dar, der schon seit zehn Minuten eiskalt sein muss. Gemeinerweise reizt auch die Mittagssonne den Mitfünfziger immer wieder zum Einnicken. Parkbank is what you make of it! Faschingskrapfen sind übrigens seit Mittag ausverkauft bei Christian Kaplan.
Langenwang, Aschermittwoch. Krapfen hätte es gestern noch gegeben bei Astrid Krainer. Heute füllen Fische die Vitrine im Landgasthaus. Geniale Idee! Der Haubenkoch lädt zum Fischmarkt. Frische Filets aus dem Obersteirischen, dazu „Jobis“ Fischsuppe im Glas. Die kann man zuhause aufwärmen, wenn man sie zum verschneiten Auto bugsiert hat. Bevor wer weint, gibt es auch Warmes – Fish and Chips – von den Krainers. Verzehrt müssen sie aber draußen werden. „Handschuh, das ist Mayo“ – „Mayo, das ist Handschuh“. Sehr erfreut!
Drei Orte, eine Erkenntnis: Ohne Gastronomie verhungert das Land zwar nicht, aber es verkümmert. Schmäh ist ein Herdentier, er braucht Gesellschaft. So wie der Provokateur eine Bühne, der Prasser ein Publikum und der Schnorrer, biologisch ein Parasit, den Wirt braucht.
Gebt uns wenigstens die Schanigärten!
Roland Graf
Der bekennende (und in der heimischen Gastroszene Bunthund-bekannte) Genussmensch ist unermüdlich auf der Suche nach dem guten Geschmack.