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Die Verbannung des Weiblichen

Irgendwann vor 100 Jahren, mein „Emma“-Abo war noch jung, ich auch, spotteten alte weiße Männer, die damals noch nicht so genannt wurden: „Ihr werdet schon sehen, was von der Emanzipation übrig bleiben wird: die Witwenpension, und dass euch niemand mehr die Tür aufmacht.“

Text: Thomas M. Eppinger / Foto Header: Thomas Riess

Wenn’s nur das gewesen wäre. Heute verdrängen Männer „die Frauen aus den ihnen vorbehaltenen Räumen, aus der Öffentlichkeit, aus der Sprache. Begeisterter Applaus und eifrige Mitwirkung auf Seiten der ‚Linken‘“. Wie ein Freund kürzlich auf Facebook formulierte. Lassen wir die Verunstaltung der Sprache durch Gendern außen vor, kommen wir zum Wesentlichen: Die Agenda der Genderbewegung besteht in der Überwindung von biologischer Geschlechtlichkeit, die mit Sprachnormen durchgesetzt ­werden soll.

In der schönen neuen Welt zählt nur mehr das soziale Geschlecht (Gender), das biologische (Sex) spielt keine Rolle mehr. Es wird zum fluiden Merkmal, das der selbst gewählten Geschlechtsidentität jederzeit angepasst werden kann. „Frauen“ und „Männer“ werden von ­„Cis-Frauen“ und „Cis-Männern“ abgelöst, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das „ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde“, wie es in politisch korrekter Beliebigkeit heißt, während „Trans-Frauen“ als Männer auf die Welt gekommen sind und „Trans-Männer“ ­Kinder gebären können.

Foto: Thomas Riess

Sprache als Kampfmittel
Geschlechtsidentität wird so zum bloßen Sprachakt. Dass sich damit sämtliche Diskussionen über Frauenquoten erübrigen, mag man amüsant finden. Weniger amüsant dürften Sportlerinnen finden, von gebürtigen Männern oder mit Testosteron vollgepumpten Frauen besiegt zu werden. Und die Vorstellung, nicht einmal auf vermeintlichen Frauentoiletten vor Übergriffen sicher zu sein, dürfte kaum eine Frau beruhigen. Oft sind es dieselben Gruppierungen, die sich selbst im akademischen Diskurs in „Safe Spaces“ vor emotio­nalen Zumutungen schützen wollen, die reale sichere Räume für Frauen für Diskriminierung halten.

In Großbritannien erlassen erste Kliniken nun sprachliche Leitlinien, in denen jeder Hinweis aufs Weibliche verbannt wird. „Woman“ wird zur „Person“, Mutter und Vater werden zu Geburtselternteilen („Birthing parent“ und „Co-Parent“). Und die deutsche „taz“ macht Frauen zu „Menschen mit Gebärmutter“. Wer sich dem entgegenstellt oder wie die „Harry Potter“-Schöpferin J. K. Rowling in einem Tweet darüber lustig macht, wenn Frauen als „Menschen, die menstruieren“ bezeichnet werden, gilt als transphob.

Das allein wäre noch nicht schlimm. If you can’t stand the shitstorm, stay out of Twitter. Aber es ist eine Sache, Menschen persönlich respektvoll zu begegnen und entsprechend anzusprechen, und eine andere, die eigene Agenda zur sprachlichen Norm zu erklären, der sich alle anderen zu unterwerfen haben.

Dabei darf man das Dogma der Genderbewegung – Sprache prägt unsere Vorstellung von Geschlechterrollen und verändert die realen Machtverhältnisse – durchaus bezweifeln. Mehr als die Hälfte aller Sprachen kennen gar kein grammatikalisches Geschlecht, darunter Persisch, Türkisch und Chinesisch. Dennoch ist es um die Rechte von Frauen oder Angehörigen der LBGTQA+ Community in diesen Sprachräumen wohl kaum besser bestellt.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder Sprache spielt unter dem Aspekt der Beziehungen der Geschlechter keine Rolle, dann kann man darüber lachen, wenn ein Brief einmal mit „Sehr geehrte Menschen mit und ohne Gebärmutter“ beginnen wird. Oder Sprache formt tatsächlich Realität. Dann freilich muss man der Verbannung alles Weiblichen entgegentreten, wo man nur kann.


Foto: Götz Schrage

Thomas M. Eppinger
leitet den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch in Wien und ist Herausgeber des Online-Magazins „Schlaglichter“. Der Publizist wurde 1961 in Vöcklabruck geboren und lebt heute in Graz und Wien.