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Sind Männer ein Auslaufmodell, Gabriela?

Alles ist im Umbruch, no na, auch die Finanzbranche. Junge Trader attackieren mit Erfolg Hedge-Funds, ohne Nachhaltigkeit geht gar nichts, und Goldman Sachs sagt, dass Frauen Fonds besser managen können. Ich war dazu mit Gabriela Tinti, Aktienchefin Österreich der Erste Asset Management, Österreichs größter KAG, spazieren.

Text: Christian Drastil / Foto: Chladek

Es gehört für mich mittlerweile zu den Highlights, auf das Briefing vom Chefredakteur des WIENER zu warten. Meist stellt sich für mich die Frage: Wie kann ich das auf Finanzthemen, über die ich ja schreiben soll, anwenden? Nun: Diesmal hieß es: „Auslaufmodell Mann?“ Außerhalb der Finanzwelt wäre das ein leichtes Thema, ich könnte sogar ein Buch drüber schreiben, denke ich. Aber auf die Finanzwelt bezogen? Ich fragte ein paar Leute und bekam einen guten Tipp. Denn niemand Geringerer als Goldman Sachs hat sich in einer Studie die 496 größten US-Fonds für 2020 angeschaut, davon wurden 380 von reinen Männerteams, 102 von Mixed Teams und nur 14 von Frauenteams gestioniert. Und siehe da, die Fonds, die von den Damen verantwortet werden, schafften im Schnitt um mehr als ein Prozent besseren Ertrag als ihre männlichen Pendants. Und richtig: Die Mixed Teams lagen in der Mitte.

Meine Spontanreaktion: Glaub ich gerne, die Frauen sehe ich ja sowieso viel gewissenhafter in der Geldanlage, ich unterstelle ­bessere Recherche und weniger euphoriegetriebene Fehleranfälligkeit. Dazu kommt, dass Frauen laut diversen Umfragen mehr auf Nachhaltigkeit und ESG stehen, und diese Themen sind 2020 ­abgegangen wie die Post.

Freilich eignen sich Spontan­reaktionen nicht so gut für Artikel, also habe ich nachgefragt. Und zwar bei Gabriela Tinti, Aktienchefin Österreich bei der Erste Asset Management. Die Erste AM ist nicht irgendwer, sondern mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 68 Mrd. Euro per Ende 2020 die Nummer eins in Österreich, man beschäftigt rund 100 Investment-Professionals, darunter 38 Frauen. Vor allem in Bereichen wie Recht, Steuer, Marketing, HR, Produktmanagement und Vertrieb ist der Frauenanteil hoch, im Investmentbereich steigt er stark, das Thema ist aber noch männerlastig. Die Mutter Erste Group ist Vorreiter und als eines von 380 Unternehmen aus weltweit elf Sektoren und 44 Ländern im Bloomberg Gender-Equality Index (GEI) 2021 gelistet. Auch in der Erste AM gibt es Initiativen, um die Diversität zu fördern, z. B. Karenzierten-Treffen, Kamingespräche mit der Geschäftsführung, Elternkarenz-Leitfaden oder ein Code of Conduct mit verpflichtenden Regeln für den Umgang im Geschäftsleben. Gabriela Tinti ist perfekte Ansprechpartnerin für diesen Artikel. Beim Spaziergang hab ich sie nach der Studie gefragt.

Abschließendes Fazit: Der Umbruch ist gut und nicht zu stoppen. Was in der Goldman-Studie freilich fehlt, weil erst 2021, sind die Buben, die mit Aktien wie GameStop den großen Hedge-Funds das Fürchten lehren. Und freilich sind die auch nicht unter den 496 größten Fonds. Noch nicht. Auch da: Auslaufmodell Mann?


Gabriela Tinti, Erste AM: Ja, Ich kenne die Studie und finde sie interessant. Was die Ergebnisse betrifft, bestätigt sie, dass in diversifizierten Teamstrukturen bessere Leistungen ­erbracht werden. Ich glaube auch, dass Frauen aufgrund ihrer höheren Empathiefähigkeit einen kleinen Vorteil im Bereich „Behavioral Finance“ haben.

wiener: Was zeichnet Frauen im Asset Management deiner Meinung nach besonders aus?
Beständigkeit, Besonnenheit und Empathie. Frauen neigen ­weniger zu unüberlegtem Handeln, und sie neigen weniger zu narzisstischem Verhalten.

Wie gut sind Frauen in der österreichischen Finanzszene verankert?
Frauen sind in der Finanzcommunity vor allem untereinander gut vernetzt. Wir kennen einander, treffen uns regelmäßig und tauschen uns untereinander aus. Es ist erfreulich, zu sehen, dass immer mehr Frauen leitende Funktionen in klassischen Männerdomänen übernehmen.

Und was ist deiner Meinung nach die ideale Team-Zusammensetzung?
Ein nach Interessen, Neigungen und Kulturen bzw. Erfahrungen gut diversifiziertes Team, also gemischte Altersstruktur und Ausgewogenheit nach dem Geschlecht.

Wenn jemand sagt, das sei eine „Aktie für Frauen“, wehrt sich was in mir …
Es gibt nicht eine Aktie für Frauen, sondern alle Aktien sind für Frauen geeignet. Fonds, die das Kapital in eine Vielzahl von Aktien investieren und somit das Risiko streuen, sind für Frauen eine einfache und praktikable Möglichkeit, in Aktien zu ­investieren. Und das schon mit geringen Einstiegsbeträgen.

Und warum gibt es Investmentabende und -Circles rein für Frauen, aber nicht für Männer?
Gute Frage. Was wird in diversen Zigarrenclubs, bei Kneipen etc. besprochen?

Bin Nichtraucher, und … äh … Sport?


Christian Drastil
ist Ex-Banker bzw. Gründer und Ex-CEO zahlreicher Onlinemedien. Seit 2012 ist er mit dem ­ „Börse Social“-Network selbstständig. Die hier gedruckte Doppelseite erscheint eins zu eins im 100-seitigen Monatsmagazin „Börse Social Magazine“: boerse-social.com/magazine.