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Neues Buch: Das wilde Leben des Udo Proksch

Franz J. Sauer

Udo Proksch muss an Georg Biron einen Narren gefressen haben. Und umgekehrt. 15 Jahre lang waren sie eng befreundet. Zu Udos 20. Todestag hat der Schriftsteller jetzt ein Buch über seine Begegnungen mit dem Versicherungsbetrüger und Mörder geschrieben, das einen überraschenden Blick in das Österreich von gestern erlaubt.

„Udo Proksch hat sechs Menschen ermordet. Sechs Besatzungsmitglieder der Lucona, die im Indischen Ozean ihren Tod fanden, als das Schiff am 23. Jänner 1977 gesprengt wurde“, stellt Anna-Maria Wallner in „Die Presse“ fest. „Wer sich auf eine Spurensuche nach der vielleicht schillerndsten Persönlichkeit im Wien der 60er, 70er und 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts begibt, sollte das nicht vergessen. Denn einfach ist es nicht, in der Erinnerung an einen Menschen klar zu sehen, der schon zu Lebzeiten über alle Maßen gestrahlt und geblendet, fasziniert und entsetzt hat.“

Der Herr Udo in Manila (Foto: Biron)

In seinem neuen Buch „Der Herr Udo. Das wilde Leben des Udo Proksch“ blendet Georg Biron den Schiffsuntergang und die toten Seeleute nicht aus, aber zu diesem Thema präsentiert er fast keine neuen Erkenntnisse. In diesem Buch geht es auch nicht um den größten politischen Kriminalfall des Landes, sondern um persönliche Erinnerungen an die turbulenten Jahre, „in denen ich sehr viel Zeit mit Udo Proksch verbringe – zuerst als investigativer Journalist, der herausfinden will, was nicht in den Zeitungen steht, später  als faszinierter Freund, der zunächst von Udos Unschuld in dieser Causa überzeugt ist und sich am Ende komplett beschissen fühlt wie der Abenteuerschriftsteller Holly Martins im berühmten Film Der dritte Mann. Holly will nicht glauben, dass sein alter Haberer Harry Lime aus reiner Habgier mörderische Geschäfte macht“.

Die Nähe zum Besitzer der Konditorei Demel, der als Versicherungsbetrüger und Mörder in die Schlagzeilen geriet und 1992 verurteilt wurde, brachte Georg Biron viel Kritik ein, weil er sehr lange an die Unschuld seines Freundes glaubte. Anlässlich des 20. Todestags von Udo Proksch (am 27. Juni 2021) erscheint ein sehr persönliches literarisches Porträt, das weder Udo Proksch reinwaschen noch den Fall Lucona neu aufrollen möchte, sondern vor dem Hintergrund eines politischen Kriminalfalls einen emotionalen Blick auf die Welt bzw. das Österreich von gestern wirft. Das Buch ist eine gut dosierte Melange aus Fakten und freundschaftlich-persönlichen Einblicken in Zustände und Akteure damaliger Politik und Gesellschaft. Der Autor ist involviert und distanziert zugleich. Das ist Found footage im besten Sinne – so etwas sollte eben nicht vergessen oder gar weggeschmissen werden, sondern kann, klug aufbereitet wie hier, beträchtliches Lesevergnügen bescheren. In seinem Vorwort schreibt Georg Biron: „Als er nach Manila flüchtet, reise ich ihm nach. Als er zwei Jahre später in Wien im Gefängnis sitzt, besuche ich ihn. Als er schließlich stirbt, zünde ich eine Kerze an. Seine Freunde kann man sich nicht aussuchen.“

GEORG BIRON: DER HERR UDO. DAS WILDE LEBEN DES UDO PROKSCH.Ein Porträt. Wieser Verlag. 150 Seiten, Hardcover.€ 21,00 ISBN 978-3-99029-465-9