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Der andere Rebhandl – Seine Rock Rockenschaub Kolumne im WIENER #W444

Manfred Rebhandl

Dirty Willys Dirty Chatnachrichten

Dirty Willy wurde immer schwieriger, je älter er wurde. Weil immer mehr Pornos im Internet geschaut wurden, fühlte er sich nicht mehr richtig wertgeschätzt, und je weniger er sich wertgeschätzt fühlte, desto mehr fehlte ihm das sichere Händchen für die Auswahl der Filme in seinem Pornhouse. Er fing also an, ein wenig herumzuzicken, tippte immer öfter meine Nummer in sein altes Nokia und rief mich bis zu sechzig Mal am Tag an, um mir zu sagen, was ich zu tun hätte: „Häng die Jack-Schleck-Plakate in den Schaukasten! Bring mir die „Dirty Brown Assholes Destroyed“-Kopien ins Lager! Räum die Sportgummis ins Regal! Hol mir aus der Apotheke in der Luci die blauen Pillen und die Großpackung Prostagutt Forte, und ja! Von den blauen Pillen auch die Großpackung!“

Oder er rief die eine oder andere Lady an, der er dann sagte, was sie zu tun hätte: „Um 17 Uhr bitte bei mir, Schatz, einfach die Türe aufdrücken, ich bin dann schon im Jacuzzi und warte auf dich.“ Und dann rief er wieder mich an, weil er die blauen Pillen irgendwo verlegt oder nicht rechtzeitig geschluckt hatte. Die Ladys kamen aber trotzdem gerne zu ihm, weil er keiner dieser Gestörten war, die ihr Schwanzproblem nicht in den Griff kriegten und die Ladys dafür bestrafen mussten: „Ey, isch fick disch, Fotze!“ Die Ladys waren froh, dass er ein richtiges Schwanzproblem hatte und sie in Ruhe ließ. Aber dann rief er wieder mich an und sagte: „Verdammt, Rock, die blauen Pillen sind Scheiße! Bring mir mal gelbe!“ Weiß der Teufel, was er sich von den gelben versprach!

Kurz vor Ostern, zu seinem Geburtstag am 1. April, kaufte ich ihm ein modernes Phone, weil ich hoffte, dass er mich dann in Ruhe lassen würde. Aber was war ich schlecht im Denken! Schnell hatte er die verschiedenen Möglichkeiten des Phones entdeckt inklusive der Reverse-­Funktion der Kamera, und es dauerte nicht lange, bis er anfing, uns über einen Messengerdienst, den wir normalerweise zur Abwicklung von Lemmys Drogendeals nutzten, Fotos zu schicken: von seinen Schuhen zunächst, von seinen Anzügen, von seinen Einstecktüchern
und Krawatten.

Und dann bald von seinem Hosenstall. Nach den ersten ­Fotos von seinem Hosenstall kamen die Fotos von seinem ­offenen Hosenstall. Bald war er wie diese vollkommen versauten Typen aus der heimischen Politik und der hohen Wirtschaft, die ihr Diensthandy nur dafür benutzten, sich gegenseitig Herzchen und Schwanzfotos zu schicken. Dirty Willy war auf dem besten Weg nach ganz unten, irgendwann schrieb er: „Es ist Freitagnachmittag, und ich sitze im Jacuzzi. Was ich jetzt brauche, ist ein Joint von Lemmy und eine Muschi zum Lecken.“

Aber dann fing die blaue Pille ganz leicht an, zu wirken, und er begann, seinen faltigen Lümmel im Jacuzzi zu fotografieren und das halbprachtvolle Teil an uns zu verschicken. „Na?“, schrieb er dazu. „Was sagt ihr jetzt?“ Bald hatte ich 2.500 Fotos von seinem Schwanz auf meinem Phone, und er war endgültig auf das Niveau der heimischen Politik und der hohen Wirtschaft abgerutscht. Ich kam gar nicht mehr nach mit Löschen.

Ich setzte mich in den Datsun und fuhr hinauf zum Pornhouse. Die Türe zu seiner Wohnung war offen, und er saß schon wieder im Jacuzzi. Er war ganz begeistert von sich und fotografierte sich schon wieder wie ein hei­mischer Politiker. Ich sprang zu ihm in die Wanne, sodass wir beide zusammen mit seinem Phone halb absoffen. Das abgesoffene Phone ertastete ich dann ausgerechnet in der Gegend um seinen Lümmel herum, und ich hatte gut zu tun, das richtige Gerät zu fassen. Als ich es ­endlich in der Hand hielt, warf ich es gegen die Wand, wo es ­zersplitterte.

Dann sagte ich: „So! Und irgendwo hier in meiner Arschtasche muss ich noch dein altes Nokia haben!“


Manfred Rebhandl
Autor in Wien. Zuletzt erschien von ihm „Sommer ohne Horst: Rockenschaub löst auf alle Fälle alle Fälle“
(Haymon Verlag 2020)