Meinung

Neid-Experten

Franz J. Sauer

Kennst du dich wo nicht aus, frag das Internet, bevorzugt Social Media. Dort sind sie daheim, die Chefexperten. Und richtig g’schmackig wird’s, wenn sich der explosiven Mischung aus Halbwissen und Mitteilungsbedürfnis auch noch ein Quäntchen Neid beimengt. Etwa auf Facebook, das ja vom Wesen her ein guter Brandbeschleuniger wäre, wenn man was zu verkaufen hat und seine Bubble davon in Kenntnis setzen möchte. Aber ich bin schon seit Längerem ­davon abgekommen, Onlineinserate auf meinem ­Facebook-Feed zu teilen, wenn ich etwas loswerden möchte. Speziell, wenn es sich um Autos handelt.

Kaum ist der jeweilige Post nämlich fünf Minuten alt, fluten sie schon die Kommentarleisten: Jene ­Gestalten, bei denen das Wort „Freund“ hinter ­„Facebook“ einen besonders markanten Widerspruch zu seiner eigentlichen Bedeutung darstellt.

„Viel zu viele Kilometer.“ „Viel zu viel Verbrauch.“ „Wird dauernd hin.“ „Sicher schon vom Rost zerfressen.“ „Der wievielte Motor ist das?“ „Bei dem Preis musst Koks in die Kotflügel mitliefern.“ Hey, ihr Gestalten: Wisst ihr nicht, dass ihr hier einen höchstpersönlichen Nahebereich verletzt, wenn ihr auf das Auto losgeht, von dem ich gerade im Begriff bin, mich zu trennen? Abgesehen davon, dass ich prinzipiell nicht lügen kann, in Beipacktexten zu Inseraten bin ich ja auch bekannt dafür, irrwitzig unsinnige Investitionen in den Zustand von Automobilen zu investieren, ­solange ein Nummerntaferl von mir auf ihnen prangt. Warum also dieses fiese Bedürfnis, all die anderen ­ausgerechnet vor jenem Auto irrsinnig selbstlos ­„warnen“ zu müssen, das ich gerade verkaufen mag?

Erinnert sich noch wer an das „Fräulein von Scudery“ von E. T. A. Hoffmann aus dem Deutschunterricht? Dort gibt’s den Juwelier Meister Cardillac, der sich so ungern von seinen beauftragte Schmuckstücken trennt, dass er die Kunden hernach heimsucht und umbringt, um die Geschmeide wieder in seinen Besitz zu bringen. Auch wenn ich allen Autos, die ich mal besaß, nachtrauere: So weit würde ich nicht gehen. Aber den Kommentierern würde ich nach Verkauf der Ware eventuell gern mal einen Besuch abstatten.


Franz Joseph Sauer
ist Herausgeber nicht nur dieser Postille, sondern auch des Onlinemagazins motorblock.at, womit seine Auto- und Motorleidenschaft auch schon vorhersehbar wird. Aber manchmal muss er sich auch ärgern über das Mobilitätsverhalten seiner Mitmenschen …