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BMW SIM Racing – Leidenschaft von Schirm bis Stockerl

Mit zunehmendem Realismus überzeugen Rennspiele nicht nur denGamer daheim, sondern auch echte Asphaltprofis. Kein Wunder, dass sich neben den echten Rennen auch eine virtuelle Rennszene etabliert.gestillt werden kann? Richtig, man begibt sich samt Controller auf die Couch.

Text: Markus Höller / Fotos: BMW

Videospiele und Auto­rennen, das ist eine sehr, sehr lange gemeinsame Geschichte. Die allererste richtige Racing-Simulation, sofern man das überhaupt so nennen kann, war „Pole Position“ im Jahr 1982, ein sehr simples Formel-­1-Rennspiel. Es folgten Klassiker wie „Pit Stop“, „Test Drive“ und dergleichen. Doch erst mit dem Aufkommen leistungs­fähiger Rechner und Konsolen ­begannen die sogenannten Simulationen, auch wirklich realis­tisches Fahrverhalten auf die Bildschirme zu übertragen. Ein echter Gamechanger in vielerlei Hinsicht war der Release von „Gran Turismo“ für die PlayStation im Jahr 1996. Bis heute gelten die zahlreichen Fortsetzungen als Goldstandard für leistbare, zugängliche und, falls nötig, gnadenlos realistische Simulation von Autos auf unterschiedlichen Kursen.


In einem extrem emotionalen Segment wie dem Rennsport gibt es klarerweise Anhänger unterschiedlicher Lager, die den Thron der besten Simulation für sich beanspruchen. Wirklich ambitionierte Wohnzimmerpiloten ringen Simulationen wie „Gran Turismo“ oder „Project Cars“ nur ein müdes Lächeln ab, der ernst zu ­nehmende Homeracer von Welt fährt auf „iRacing“, „rFactor 2“ oder „Assetto Corsa Competizione“ ab. Entsprechende Peripherie versteht sich von selbst: realistisches Force-Feedback-Lenkrad, Pedale, und was es da sonst noch gibt, sind auf der Jagd nach Zehntelsekunden entscheidend. Hier trennt sich klar die Casual-Gamer-Spreu vom Profi-Weizen.


BMW hat das Potenzial dieser ehrgeizigen Community erkannt und mit letztem Jahr das sogenannte SIM Racing als eigenständige und gleichberechtigte Säule in sein Rennsportprogramm aufgenommen. Rennfahrzeuge wie BMW M8 GTE, BMW M4 GT4 und BMW M2 CS Racing wurden in enger Zusammenarbeit mit den Simulationsentwicklern von „iRacing“ und „rFactor 2“ so realitätsnah wie möglich integriert. 2021 kommen der BMW M4 GT3 als neues Fahrzeug und „Assetto Corsa Competizione“ als neue Kooperationsplattform dazu. Ein klares Regelwerk, unterschiedliche Renncups und entsprechend nötige Qualifikation für die Teilnahme runden die virtuelle Rennserie ab.

Der wesentliche Unterschied: Leistbarkeit. Denn während All-Time-Granden wie Senna, Schumacher oder Hamilton schon als Knirpse jede freie Minute im Kart saßen, was puncto Fahrzeug, Schutzkleidung, Bahnmieten und Startgeldern sehr tiefe Brieftaschen der Eltern erforderte, kann heute jedes Renntalent mit PC oder Konsole, Software und ein wenig Peripherie im Gegenwert von einem Sommerurlaub sehr lange und vor allem jederzeit seine Skills schärfen. Dem gegenüber stehen bei entsprechendem Talent auch reelle Chancen, mit Rennen in Simulationen entweder via laufender E-Sports-Ligen à la BMW SIM Racing echtes Geld zu verdienen oder sogar den Sprung vom Wohnzimmercockpit in den echten Rennwagen zu schaffen.


Und vice versa. Auch wenn Rennfahrer wie BMW-Werkspilot Philip Eng ihr Handwerk eigentlich in echten Fahrzeugen gelernt haben, üben die Digital Natives dieser Generation selbstverständlich immer parallel auch vorm Bildschirm – was den Umstieg vom realen M4 im Cuprennen zu einem Kräftemessen mit Profis und Amateuren in einem der digitalen Cups gerade im schwierigen Pandemiejahr deutlich erleichterte. Und sehr zum Erstaunen des Tausende Male von echten Curbs durchgerüttelten Rennfahrers ist das Feld der Hobbyracer am anderen Ende der Datenleitung wesentlich kompetitiver als gedacht. Wie die Zukunft des SIM Racings aussieht, erklärt er uns im nach folgenden Kurzinterview, mehr über BMW SIM Racing zum Anfassen folgt.

Philipp Eng

„Vorm Start am Schirm bin ich nervöser als im Auto“
Rennfahrer Philipp Eng, der als BMW-Werksfahrer sowohl in der DTM als auch im SIM Racing erfolgreich ist, im Talk.

WIENER: Herr Eng, Sie haben 2013 mit dem Rennfahren gestartet, so wie jeder später große Pilot in der Kart-Klasse.
ENG: Das geht sogar noch weiter zurück. Das erste Mal bin ich mit sieben im Kart gesessen, mit acht dann die erste österreichische ­Meisterschaft.
W: Sie zählen ja schon zu einer ­Generation, die begleitend mit sehr guten Rennspielen und Simulationen aufgewachsen sind. Wie sehr hat Sie das bei der tatsächlichen Rennkarriere begleitet?
E: Wahrscheinlich sogar ein wenig zu stark. Wenn es das nicht gegeben hätte, wäre ich in der Schule besser gewesen (lacht). Angefangen hat das ganz klassisch mit „Gran Turismo“ auf der PlayStation. Das erste Mal, dass ich eine richtige Simulation gefahren bin, war mit „Grand Prix 3“. Dann kam „GTR3“, da bin ich dann das erste Mal in einer österreichischen Liga gefahren.
W: Und ist es merkbar, dass mit mehr Zeit in Simulationen auch das Fahren auf der echten Rennstrecke besser wird?
E: Absolut. Damals waren ja noch alle Strecken neu für mich, Hockenheim und so weiter, das hat es ja ­alles schon am Simulator gegeben. Und ich habe dann gemerkt, ich bin bereits am ersten Testtag deutlich schneller im Rhythmus, weil ich die Strecke schon 50, 60 Mal virtuell gefahren bin.
W: Wenn man als junger Rennfahrer an der Rennstrecke erstmals Vorbilder und routinierte Profis kennenlernt: Sind die auch schon mit ­Simulationen vertraut, oder ist das ein Generationending?
E: Ich hatte das mit Bruno Spengler, das war im Jahr 2012/2013, als er seine erste DTM-Meisterschaft mit BMW gewonnen hat. Diese Fahrer waren für mich damals Götter! Für mich war das damals ein großes Privileg, dass er mit mir am Com­puter sitzt und seine Runden fährt. Wir haben uns nichts geschenkt!
W: Wo sind denn die größten Unterschiede auszumachen? Ist es die haptische Komponente oder die Tatsache, dass im echten Auto wirklich was passieren kann? Soll heißen: Riskiert man beim SIM ­Racing mehr?
E: Das hängt immer davon ab, wie ernst man an die Sache herangeht. Also wenn ich zum Beispiel morgen auf die Nordschleife fahre mit dem M6 GT3, weiß ich genau: Das Schwedenkreuz geht im sechsten Gang Vollgas – aber ich mach’s in der ersten Runde nicht, um einen Sicherheitspuffer einzubauen. Am Simulator hingegen, wenn ich „iRacing“ anstarte und M4 GT3 auf der Nordschleife fahre, fahr ich in der ersten Runde voll durch, weil ich weiß, es kann nichts passieren.
W: Im Rennauto vorm Start, angeschnallt, das Adrenalin schießt ein –ist das eine Komponente, die im SIM Racing wegfällt?
E: Ich würde eher sagen, dass ich beim SIM Racing aufgeregter bin. Im echten Rennauto bist du so festgeschnallt, Helm auf, da bist du isolierter von der Außenwelt. Im SIM Racing mit T-Shirt und Sporthose aber merke ich: Vor dem Start erhöht sich meine Herzfrequenz deutlich mehr als bei einem echten Rennen. Vielleicht aber auch, weil ich im SIM Racing noch deutlich mehr zu lernen habe als im Auto.
W: Früher war ja nur der Kartsport der Einstieg in den Motorsport. Findet jetzt bereits eine Ablöse statt, also dass Talente grundsätzlich erst über das SIM Racing zum richtigen Auto kommen?
E: Ich würde sagen: Ja. Der Kartsport kostet einen Haufen Geld. Mit dem nötigen Talent und Übung ist SIM Racing auf jeden Fall ein Kanal, über den man in den Rennsport einsteigen kann. BMW hat hier eine große Pionierrolle, um so Talente auf die Rennstrecke zu holen, das gab’s in der Form bisher noch nie. Der größte Vorteil beim SIM Racing ist, dass die Zeit zum Üben unbegrenzt ist, auch um zwei Uhr früh kannst du fahren. Fleiß macht sich immer bezahlt!